Mehr Chancengleichheit durch technologischen Wandel

Die Computerisierung in den 1990er Jahren hat die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt spürbar begünstigt. Ein Grund: Netzwerke der Eltern verloren an Bedeutung, individuelle Fähigkeiten rückten in den Vordergrund.

07/11/2022 · News · ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Mit zunehmendem technologischen Wandel in Deutschland verringerte sich der Einfluss der sozialen Herkunft auf den beruflichen Erfolg. So erleichterte in den 1990er Jahren die zunehmende Computerisierung am Arbeitsplatz Arbeitnehmer/innen, deren Eltern kein Abitur haben, den Zugang zu Berufen mit starkem technologischen Wandel. Darüber hinaus glichen sich in diesen Berufen ihre Löhne an die von Arbeitnehmern/-innen aus bildungsnahen Elternhäusern an, wie eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim zeigt.

Der Grund für diese Entwicklungen: Technologischer Wandel verändert die beruflichen Anforderungen. „Dadurch verlieren Wissen und Netzwerke der Eltern, die beim beruflichen Aufstieg vorteilhaft sein können, an Bedeutung. Im Gegenzug rücken individuelle Fähigkeiten und Qualifikationen der einzelnen Arbeitnehmer/innen in den Vordergrund“, erklärt Cäcilia Lipowski, eine der Studienautoren/-innen und wissenschaftliche Mitarbeiterin im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“.

In den 1990er Jahre schritt in Deutschland die Computerisierung der Arbeitsplätze rasch voran. Nutzten im Jahr 1992 lediglich 16 Prozent aller Arbeitnehmer/innen bei ihrer Arbeit vor allem rechnergestützte Geräte, waren es 1999 bereits 38 Prozent und damit mehr als das Doppelte. Dies wirkte sich positiv auf die Chancengleichheit aus: In Berufen, in denen Angestellte bei ihrer Arbeit verstärkt rechnergestützte Geräte einsetzen, stieg der Anteil der Arbeitnehmer/innen aus bildungsfernen Familien erheblich. Dies trifft insbesondere auf höherqualifizierte Arbeitnehmer/innen zu, die selber Abitur haben: „Steigt die Computerisierung in einem Beruf um zehn Prozent – das heißt nutzen in diesem Beruf zehn Prozent mehr Angestellte hauptsächlich rechnergestützte Geräte bei ihrer Arbeit –, nimmt unter den höherqualifizierten Beschäftigten der Anteil derjenigen, deren Eltern kein Abitur haben, um etwa vier Prozent zu“, so Lipowski.

Doch der Bildungshintergrund der Eltern beeinflusste nicht nur die Jobchancen, sondern auch die Löhne: Bis zu den frühen 1990er Jahren waren die Löhne von Beschäftigten aus bildungsfernen Familien je nach eigenem Bildungsniveau zwischen fünf bis zehn Prozent niedriger im Vergleich zu Beschäftigten, deren Eltern einen Abiturabschluss haben. Die ZEW-Studie belegt, dass diese Lohnbenachteiligung ab Mitte der 1990er Jahre stetig zurückging, und zwar getrieben von Berufen mit starkem technologischen Wandel. Für Personen, die selbst Abitur gemacht hatten, verschwand der Lohnnachteil ab den frühen 2000er Jahren sogar völlig. „Bemerkenswert ist, dass die Lohnbenachteiligung in den Folgejahren nicht wieder zunahm, obwohl die Nutzung von Computern in vielen Berufen gängige Praxis geworden ist“, sagt Lipowski.

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Pressemitteilung des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung