Fritz Menzer – ein geheimes Leben

Fritz Menzer am Schreibtisch
Foto DEUTSCHES MUSEUM

Wer war der Mann, der das legendäre Schlüsselgerät 41 erfand? Neue Kurzfilme dokumentieren eine Spurensuche, die bis nach Russland und in die USA führte.

11/23/2022 · News · Deutsches Museum · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · Forschungsergebnis

Ein einfacher Werkzeugmacher aus dem Erzgebirge wird zur zentralen Figur in der Chiffrierabteilung der Wehrmacht – aber was geschah nach dem Krieg mit Fritz Menzer? Gemeinsam mit dem Filmemacher Robert Jahn haben Forscher aus dem Deutschen Museum aufwendig recherchiert, wer der Mann war, der das legendäre Schlüsselgerät 41 erfunden hat – und können sogar erstmals Fotos von Fritz Menzer präsentieren. Die Ergebnisse der spannenden Spurensuche gibt es ab jetzt als Kurzfilm-Dokumentationen in der App des Deutschen Museums.

„Seine Familie wusste nichts von der Rolle, die Fritz Menzer in der Wehrmacht spielte. Und die Öffentlichkeit wusste so gut wie nichts über sein Leben nach dem Krieg“, sagt Carola Dahlke. Die Kuratorin für Kryptographie am Deutschen Museum hat zusammen mit dem Filmemacher Robert Jahn eine aufwendige Spurensuche zum Erfinder des Schlüsselgeräts 41 gestartet, die unter anderem nach Italien, Österreich, England, Schweden, Russland, in die Schweiz und in die USA führte. Dabei ergaben sich so viele spannende, neue Erkenntnisse, dass Dahlke den Besucherinnen und Besuchern des Deutschen Museums mehr bieten wollte, als nur die Maschine in der Vitrine zu zeigen. Die aufsehenerregenden Ergebnisse ihrer Recherche werden jetzt als Kurzfilme in der App des Deutschen Museums präsentiert.

Seit 2016 hat Carola Dahlke mit Robert Jahn an den Nachforschungen über das Schlüsselgerät und seinen Erfinder gearbeitet. Das Deutsche Museum hat zwei Modelle des Geräts in seiner Sammlung: eines mit Tastatur für die Verschlüsselung von Nachrichten und eines mit zehn Ziffern zur Verschlüsselung von Wetterdaten. Letzteres war 2006 in einem See in Ostdeutschland zusammen mit einer Gruppe baugleicher Geräte entdeckt worden. Eines davon hatte das Deutsche Museum 2013 bei einer Auktion in London in stark restauriertem Zustand ersteigert.

Das Tastaturmodell lag fast 70 Jahre im Waldboden vergraben. 2017 wurde es von Hobby-Schatzsuchern südlich von München entdeckt. Im Deutschen Museum wurde die Maschine von Spezialisten zunächst untersucht und dann konserviert – genauso korrodiert, wie sie gefunden worden war: „Wir wollten bewusst die Spuren zeigen, die die Jahrzehnte im Boden hinterlassen haben“, sagt Carola Dahlke. Entsprechend ist das Gerät auch jetzt in der Vitrine in der Ausstellung Bild Schrift Codes in Szene gesetzt.

Um aber auch zu sehen, wie eine für damalige Zeiten enorm hohe kryptologische Sicherheit rein mechanisch erreicht werden konnte, hatte das Forschungsprojekt 3D-Cipher des Deutschen Museums unter der Leitung von Matthias Göggerle Anfang dieses Jahres das Gerät beim Fraunhofer Entwicklungszentrum Röntgentechnik in einer Hochenergie-CT-Anlage scannen lassen. „Wir waren wirklich überrascht – die Mechanik im Inneren sieht auf den ersten Blick aus wie neu“, freuen sich Kuratorin Dahlke und Forscher Göggerle. 

Was aber auch die Röntgenstrahlen nicht zeigen konnten war, wer hinter dieser ausgeklügelten Mechanik steckt. Das Schlüsselgerät 41 wurde in den Wanderer Werken Sigmar-Schönau Chemnitz hergestellt. In Dokumenten aus dem Jahr 1943 ist zu lesen: „Jetzt muss die Enigma sterben!“ „Das Schlüsselgerät 41 sollte die berühmte Chiffriermaschine ersetzen, wurde aber nur in geringer Stückzahl produziert – weil gegen Ende des Krieges sowohl die Arbeitskräfte als auch Material fehlten“, sagt Dahlke. „Von seinem Erfinder hatten wir anfangs nicht viel mehr als seinen Namen und einige wenige Hinweise in deklassifizierten Dokumenten der amerikanischen und britischen Besatzer.“

Fritz Menzer hatte es vom jungen Mechaniker in der Reichswehr bis zum Referatsleiter in der Chiffrierabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht gebracht. Hier war er für die Entwicklung und Herstellung von verschiedenen Verschlüsselungen für staatliche Stellen und für die Industrie zuständig. Vor allem für die Reichswehr entwickelte er neue Verfahren und Maschinen, er prüfte die bisherigen Methoden und konstruierte Apparate zur Kryptoanalyse alliierter Verschlüsselungen. Für Abwehr-Chef Admiral Wilhelm Canaris überarbeitete Menzer sämtliche manuelle Verschlüsselungsverfahren. Als beratender Kryptologe blieb er bis zum Ende des Krieges bei der Abteilung.

Nach der Kapitulation geriet Fritz Menzer in US-amerikanische Gefangenschaft und ging nach seiner Freilassung zunächst in die sowjetische Besatzungszone, wo er ab Anfang 1946 in Zschopau als Lehrer arbeitete. Wegen seiner Vergangenheit in der Wehrmacht wurde er kurze Zeit später allerdings wieder auf Drängen der SED entlassen. Um seine Familie zu ernähren, gründete er eine Kunstschmiede und produzierte mit Kriegsinvaliden Schmuckbroschen aus Duraluminium. Diese Broschen haben bis heute eine große Bedeutung innerhalb der Familie. Unter fragwürdigen Umständen geriet Fritz Menzer schließlich in sowjetische Gefangenschaft und wurde monatelang in einem Geheimgefängnis in Dresden eingesperrt.

Nur nachdem er eingewilligt hatte, für die Sowjets zu spionieren, wurde er im März 1948 freigelassen. Daraufhin plante er heimlich die Flucht mit seiner Familie in die westliche Besatzungszone, die ein Jahr später glückte. Sein Name tauchte zuletzt im Jahr 1951 in öffentlichen Dokumenten auf. „Das ist auch weiter nicht verwunderlich, denn wir haben herausgefunden, dass Menzer und seine Familie zum Schutz zeitweise unter einem Decknamen lebte“, sagt Carola Dahlke.

Diese neuen Erkenntnisse stammen unter anderem von Fritz Menzers Tochter, Gudrun Jackson. „Damals war ich ja noch im Grundschulalter. Da dachte ich, dass das ganz normal ist, dass man einen anderen Namen bekommt, wenn man umzieht“, erzählt Jackson, die heute mit ihrem Mann im Süden von London lebt. Sowohl die Familie Jackson als auch Menzers hessische Verwandtschaft, vor allem Enkelsohn Andreas Langer, konnten Dahlkes Rechercheteam noch viele weitere Details aus dem Nachkriegsleben ihres Vaters und Großvaters berichten. So arbeitete Menzer viele Jahre als Lochkartenexperte bei der Bundesschuldenverwaltung. Für diese Tätigkeit erhielt er 1973 sogar das Bundesverdienstkreuz.

Menzers Familie hatte dazu zahlreiche Dokumente aus dem Nachlass ihres Vaters und Großvaters aufbewahrt, die sie jetzt dem Deutschen Museum überlässt – darunter auch Fotos von Fritz Menzer, von dem bisher noch nie ein Bild zu sehen war, seine Patenturkunde aus dem Jahr 1932 und zwei der Schmuckbroschen aus der Nachkriegszeit in Zschopau. „Wir hatten ja keine Ahnung, was Papa während des Krieges gemacht hat. Darüber wurde zuhause nicht gesprochen“, sagt Gudrun Jackson.

Für die Kurzfilme, die das Deutsche Museum jetzt präsentiert, hatte Filmemacher Robert Jahn die zentralen Stellen aus Menzers Leben besucht, im Erzgebirge, in Chemnitz, Berlin, Dresden und Oberursel gedreht, ebenso in Werfen bei Salzburg und in Bad Aibling. Freunde und Verwandte kommen zu Wort, und Jahn brachte die Familie Jackson in England mit Dermot Turing zusammen, dem Neffen von Alan Turing, der einst die Engima dechiffriert hatte.

In Gesprächen und Interviews, unterlegt mit Animationsbildern des italienischen Künstlers Cosimo Miorelli und bis dato ungezeigten und Dokumenten wird Clip für Clip das geheime Leben des Fritz Menzer offenbart. „Dazu haben wir die Dokumentationen noch mit den Ergebnissen der Röntgenuntersuchungen der Maschine ergänzt“, sagt Carola Dahlke. So ist ein ganzes Filmpaket zum Schlüsselgerät 41 und seinem Erfinder entstanden, das man sich jederzeit in der App des Deutschen Museums anschauen kann. „Jetzt haben wir wirklich viel mehr zu bieten als nur die Maschinen in den Vitrinen“, freut sich die Kuratorin.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Deutschen Museums (DM)