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Smartphone in einer Hand
SHERISE VD/UNSPLASH

Immer mehr Menschen stoßen im Internet auf Falschmeldungen über das Coronavirus. Die Skepsis wächst dabei vor allem gegenüber Facebook und Messenger-Apps.

06/23/2021 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut · News · Forschungsergebnis

Fast die Hälfte der erwachsenen Onliner in Deutschland (46 %) gibt an, innerhalb einer Woche falsche oder irreführende Informationen zu Covid-19 gesehen zu haben. Die größten Sorgen, auf Falschinformationen zum Coronavirus zu treffen, bestehen gegenüber Facebook (28 %) und Messenger-Apps (14 %) sowie gegenüber Aktivistinnen und Aktivisten als Absender (31 %). Journalistische Akteure spielen dabei aus Sicht der Befragten nur eine äußerst geringe Rolle (6 %). Das sind Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2021, dessen deutsche Teilstudie vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg durchgeführt wurde. Insgesamt basiert die Studie auf 92.372 Befragten aus 46 Ländern auf sechs Kontinenten.

18- bis 24-Jährigen am meisten über Falschmeldungen besorgt

Unabhängig vom Thema äußern 37 Prozent der erwachsenen Onliner in Deutschland Bedenken, eventuelle Falschmeldungen im Internet nicht von Fakten unterscheiden zu können. 23 Prozent äußern derartige Bedenken nicht und 41 Prozent sind dahingehend unentschieden. In der Gesamtbetrachtung ähneln diese Zahlen denen der Vorjahre 2020 und 2019. Auffällig sind jedoch Schwankungen in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen. Im Vergleich zu älteren Befragten zeigten sie stets tendenziell höhere Überzeugungen, Falschmeldungen von Fakten unterscheiden zu können. 2021 äußert jedoch fast jeder Zweite von ihnen (45 %) Sorgen in Bezug auf Falschmeldungen – der größte Anteil unter den befragten Altersgruppen (2020: 28 %, 2019: 39 %).

Vertrauen in Nachrichten gestiegen

Das Vertrauen in die Nachrichtenmedien ist während der Corona-Krise gestiegen. Dieses Ergebnis des Reuters Institute Digital News Report steht im Einklang mit Befunden, wie sie bereits die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen gezeigt hatte. Insgesamt geben 53 Prozent der erwachsenen Onliner in Deutschland an, den Nachrichten im Allgemeinen zu vertrauen – acht Prozentpunkte mehr als im Vorjahr 2020. Am stärksten ist das Vertrauen in der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen gewachsen (2021: 48 %; 2020: 31 %). Den Nachrichten, die sie tatsächlich nutzen, vertrauen 62 Prozent aller Befragten (2020: 59 %). Weiterhin geringes Vertrauen äußert knapp jeder Zweite gegenüber Nachrichten in sozialen Medien. Auch das Vertrauen in einzelne Nachrichtenmarken bleibt 2021 auf einem unveränderten Niveau. Wie in den Vorjahren sind die Hauptnachrichten der öffentlich-rechtlichen Anbieter die Angebote mit den höchsten Vertrauenswerten unter den Befragten, denen die Marken bekannt sind, gefolgt von den Nachrichten regionaler bzw. lokaler Tageszeitungen.

Nachrichteninteresse weiter auf hohem Niveau stabil

Das Nachrichteninteresse und die Nachrichtennutzungshäufigkeit bleiben auf hohem Niveau stabil. 92 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland lesen, hören oder schauen im Januar 2021 mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten (2020: 94 %), und 67 Prozent sagen, dass sie sehr oder überaus an Nachrichten interessiert sind (2020: 71 %).

Darüber hinaus ist rund die Hälfte der erwachsenen Onliner überaus oder sehr an Politik interessiert (2020: 52 %). Unter den 18- bis 24-Jährigen ist das politische Interesse im Vergleich zum Vorjahr 2020 um sieben Prozentpunkte auf 42 Prozent angestiegen.

Steigende Bedeutung des Fernsehens als Nachrichtenquelle, besonders unter Jüngeren

Für 44 Prozent der erwachsenen Onliner in Deutschland ist das Fernsehen die wichtigste Nachrichtenquelle, um sich über das aktuelle Weltgeschehen zu informieren (2020: 42 %). In allen Altersgruppen zeichnet sich eine wachsende Bedeutung des Fernsehens ab, am deutlichsten jedoch unter jungen Erwachsenen. So steigt der Anteil derjenigen, die das Fernsehen als ihre wichtigste Nachrichtenquelle betrachten, bei den 18- bis 24-Jährigen um +5 Prozentpunkte auf 22 Prozent und bei den 25- bis 34-Jährigen um +7 Prozentpunkte auf 28 Prozent an. Auch der Anteil der 18- bis 24-Jährigen, die das lineare Fernsehen als einzige Nachrichtenquelle verwenden, ist in diesem Jahr um drei Prozentpunkte auf acht Prozent gestiegen.

Mindestens einmal pro Woche verfolgt die Mehrheit der erwachsenen Internetnutzenden (69 %) Nachrichten im linearen Fernsehen (2020: 70 %). Unter den 18- bis 24-Jährigen beträgt dieser Anteil 46 Prozent, welches einem Anstieg von vier Prozentpunkten entspricht.

Im Vergleich dazu erreichen Nachrichten in Zeitungen und Zeitschriften (26 %) sowie im Radio (40 %) 2021 weniger erwachsene Onliner als im Vorjahr. In allen Altersgruppen sind geringere Reichweiten in diesen Gattungen feststellbar. Dies steht vermutlich auch im Zusammenhang mit den pandemiebedingten Veränderungen des Arbeitsalltags und dem Wegfallen des Arbeitswegs, welcher oft mit Radiohören im Auto oder dem Kauf einer Zeitung für Pendelfahrten verbunden ist.

Sinkende Reichweiten von Nachrichten in sozialen Medien

69 Prozent der Onliner geben 2021 an, regelmäßig Nachrichten im Internet zu nutzen (2020: 70 %). 40 Prozent der Befragten bezeichnen das Internet als ihre wichtigste Nachrichtenressource, zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Für 70 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ist das Internet der wichtigste Weg, um sich über aktuelle Nachrichten zu informieren. 46 Prozent der jüngsten Altersgruppe erhalten Nachrichten ausschließlich im Internet. Dieser Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr 2020 um neun Prozentpunkte angestiegen (2020: 37 %, 2019: 31 %).

Von den vielen Nachrichtenquellen im Internet kommen die meisten Menschen am ehesten über soziale Medien mit Nachrichten in Kontakt (31 %). Das gilt insbesondere für die 18- bis 24-Jährigen, von denen die Hälfte (52 %) regelmäßig Nachrichten in sozialen Medien sieht, liest oder hört. Allerdings verzeichnen Nachrichten in sozialen Medien 2021 gegenüber den Vorjahren sinkende Reichweiten in allen Altersgruppen. Unter den 18- bis 24-Jährigen ist der Anteil um vier Prozentpunkte gesunken. Am größten ist der Rückgang mit -11 Prozentpunkten bei den 25- bis 34-Jährigen auf nun 42 Prozent.

Ähnliche Tendenzen ergeben sich für die Nutzung sozialer Medien als Hauptnachrichtenquelle. Für insgesamt zehn Prozent der Befragten sind soziale Medien die wichtigste Nachrichtenressource im Internet (2020: 11 %). Unter den 18- bis 24-Jährigen trifft dies auf jeden Vierten zu; im Vorjahr waren es noch 30 Prozent. Auch bei den 25- bis 34-Jährigen ist ein Rückgang von -4 Prozentpunkten auf 16 Prozent zu beobachten. Vergleichsweise stabil ist die Nutzung sozialer Medien als einziger Nachrichtenquelle: Lediglich vier Prozent der erwachsenen Onliner erhalten Nachrichten einzig über derartige Plattformen (2020: 4 %). Unter den 18- bis 24-jährigen Internetnutzenden ist dieser Anteil mit acht Prozent doppelt so groß (2020: 9 %).

Der Anteil der erwachsenen Internetnutzenden, der Nachrichtenangebote von Rundfunkanbietern online aufsucht, ist hingegen leicht gestiegen, von 23 Prozent auf 27 Prozent. Zuwächse sind in allen Altersgruppen zu beobachten. Sieben Prozent der Onliner nennen TV- und Radionachrichten im Internet zudem als ihre wichtigste Nachrichtenquelle; das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr 2020. In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen beträgt der Anstieg vier Prozentpunkte auf nunmehr 15 Prozent. Damit nehmen Onlineangebote von Rundfunkanstalten nach sozialen Medien den zweiten Platz unter den wichtigsten Online-Nachrichtenquellen junger Erwachsener unter 25 Jahren ein.

Vielfältige Gründe für Nachrichtennutzung in sozialen Medien

WhatsApp, YouTube und Facebook sind die sozialen Medien, die unter erwachsenen Internetnutzern in Deutschland am weitesten verbreitet sind, und dementsprechend auch die Plattformen, auf denen anteilig die meisten Nutzer mit Nachrichteninhalten in Kontakt kommen. 18 Prozent sehen im Jahr 2021 regelmäßig Nachrichten auf Facebook (2020: 22 %), 17 Prozent auf WhatsApp (2020: 16 %) und 16 Prozent auf YouTube (2020: 14 %). In der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen ist Instagram unter allen sozialen Medien die beliebteste Nachrichtenquelle – ein Viertel sieht dort regelmäßig Nachrichteninhalte (2020: 20 %).

Die Hauptgründe für die nachrichtenbezogene Nutzung sozialer Medien unterscheiden sich erheblich in Abhängigkeit von der betrachteten Plattform. Für Facebook lautet die mit 31 Prozent am häufigsten genannte Antwort, Nachrichten überwiegend zu sehen, während man aus anderen Gründen dort unterwegs ist. Nachrichten auf Instagram werden hauptsächlich zum Zweck der Unterhaltung und des Zeitvertreibs genutzt (23 %). Twitter-Nutzenden gefallen die Diskussionen und Kommentare zu Nachrichten am besten (24 %) und jeweils ein Fünftel (20%) der YouTube-Nutzenden betrachtet die dort verbreiteten Videos als gute Quelle für neueste Nachrichten oder schätzt es, dass dort Sichtweisen dargestellt werden, die sonst nicht in den Medien abgebildet werden.

Die meistbeachtete Nachrichtenquelle in sozialen Medien sind gängige Nachrichtenmedien bzw. Journalistinnen und Journalisten. Auf Facebook und Instagram schenken viele Nutzende zusätzlich auch den Nachrichteninhalten normaler Bürgerinnen und Bürger Beachtung. Auf Twitter gilt dies für Politikerinnen und Politiker sowie für Aktivistinnen und Aktivisten und auf YouTube für alternative Nachrichtenquellen. Aufgrund der geringen absoluten Fallzahlen sind diese Ergebnisse zur Nachrichtennutzung in sozialen Medien allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.

Andere Erwartungen an Berichterstattung unter 18- bis 24-Jährigen

Zwei Drittel (77 %) der erwachsenen Onliner in Deutschland erwarten von Nachrichtenmedien eine neutrale Berichterstattung, die eine Bandbreite unterschiedlicher Meinungen abbildet und es den Menschen selbst überlässt, eine Entscheidung zu treffen. In der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen lassen sich jedoch teilweise andere Erwartungen beobachten. Zwar erwartet auch in dieser Altersgruppe die Mehrheit (76%), dass von Parteilichkeit in der Berichterstattung Abstand genommen wird. Im Vergleich zu Älteren sind jedoch Onliner im Alter von 18 bis 24 Jahren deutlich häufiger der Meinung, dass es Themen gibt, bei welchen es keinen Sinn ergibt, neutral zu bleiben (34 %), und dass Nachrichtenmedien Positionen, die nach eigener Einschätzung schwächere Argumente haben, weniger Raum geben sollten (28 %).

Jüngere sind eher mit Berichterstattung zur eigenen Altersgruppe unzufrieden

Der Umfang der Nachrichtenberichterstattung zu verschiedenen Themen wird von den meisten erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland als genau richtig eingeschätzt. Als nicht ausreichend wird er am ehesten mit Blick auf „Menschen meines Alters“ (27 %) und bzgl. des „eigenen Wohnorts“ empfunden (25 %). Auch inhaltlich empfinden die meisten Befragten die Berichterstattung hinsichtlich verschiedener Themen als angemessen. Mit 46 Prozent trifft dies am wenigsten auf die Inhalte zu eigenen politischen Ansichten und mit 50 Prozent auf jene zur „eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schicht“ zu.

Von den befragten Altersgruppen sind 18- bis 24-Jährige nicht nur mit dem Umfang der Berichterstattung über ihre Altersgruppe am unzufriedensten (42%), sondern halten auch die Inhalte über Menschen ihres Alters am ehesten für nicht angemessen (37 %). Die Berichterstattung zu ihrer eigenen politischen Ansicht erachten mit 57 Prozent deutlich mehr Menschen als unangemessen, die sich eher im politisch rechten Spektrum verorten.

Online-Nachrichtennutzung über das Smartphone nimmt weiter zu

Die Verbreitung des Smartphones als Endgerät für die Internetnutzung im Allgemeinen und für die Nutzung von Nachrichten im Besonderen schreitet im Jahr 2021 weiter voran. 61 Prozent der befragten Onliner ab einem Alter von 18 Jahren verwenden das Smartphone auch, um Nachrichten im Internet zu lesen, zu schauen oder zu hören (2020: 58 %), die Hälfte nutzt dafür wie im Vorjahr einen Laptop oder PC (2020: 49 %).

Im Jahr 2021 ist das Smartphone als Endgerät für Online-Nachrichten erstmals auch bei den über 55-Jährigen auf einem gleichen Niveau wie der Laptop bzw. PC angekommen: Jeweils 54 Prozent dieser Altersgruppe verwenden diese beiden Gerätetypen regelmäßig, um Nachrichten im Internet zu nutzen. Unter den erwachsenen Onlinern insgesamt dominiert das Smartphone als wichtigstes Gerät zum Abrufen von Online-Nachrichten (51 %) inzwischen deutlich gegenüber Computern (30 %), Tablets (9 %) und mit dem Internet verbundenen TV-Geräten (8 %).

Podcast-Nutzung stagniert

Die Nutzerschaft von Podcasts wächst nicht mehr so schnell wie in den vorhergehenden Jahren. Ein Viertel der erwachsenen Onliner in Deutschland (25 %) hat im Jahr 2021 mindestens einen Podcast pro Monat gehört. Im vergangenen Jahr 2020 waren es 24 Prozent und 2019 21 Prozent. Die am häufigsten genannten Gründe für die Nicht-Nutzung von Podcasts sind fehlende Lust, diese Angebote über das Smartphone bzw. über Kopfhörer anhören zu müssen (21 %), ein als gering wahrgenommener Mehrwert gegenüber anderen Angeboten (21 %) und Zeitmangel (20 %).

Geringe Zahlbereitschaft für Online-Nachrichten und wenig Wissen über die finanzielle Situation der Nachrichtenmedien in Deutschland

Der Anteil der erwachsenen Onliner in Deutschland, der für Nachrichtenangebote im Internet Geld ausgegeben hat, bleibt im Jahr 2021 auf einem niedrigen Niveau stabil. Neun Prozent der Befragten sagen, sie hätten innerhalb des vergangenen Jahres für Online-Nachrichten bezahlt (2020: 10 %). Elf Prozent der erwachsenen Onliner können sich vorstellen, zukünftig für Online-Nachrichten Geld auszugeben. Mit 19 Prozent ist der Anteil bei den 18- bis 24-Jährigen am größten.

Die Zurückhaltung gegenüber kostenpflichtigen Nachrichteninhalten im Internet steht in einem gewissen Widerspruch zu dem Befund, dass etwa die Hälfte (49 %) der Onliner in Deutschland den Eindruck hat, die Nachrichtenmedien seien in einer schwierigen finanziellen Situation. Allerdings wissen 39 Prozent nicht, wie die finanzielle Lage kommerzieller Nachrichtenanbieter am besten beschrieben werden kann, und 20 Prozent meinen, dass die meisten Anbieter mehr Gewinn machen als vor zehn Jahren. Eine finanzielle Unterstützung der Verlage durch die Regierung lehnt die Hälfte der Befragten ab.

Corona dominiert auch die Nutzung von Lokalnachrichten

Das Thema, mit welchem sich 2021 die Menschen auch auf lokaler Ebene beschäftigt haben, ist die COVID-19-Pandemie. 59 Prozent der erwachsenen Onliner haben sich mit Informationen zu Corona und anderen gesundheitsbezogenen Lokalnachrichten befasst; dies gilt für alle Altersgruppen. Die lokale Nachrichtenquelle, die aus Sicht der an dem Thema Interessierten die besten Informationen zur Verfügung stellen kann, sind die On- und Offline-Angebote regionaler Zeitungen (32 %). Die Informationen regionaler Fernsehsender werden von 17 Prozent als am besten geeignet eingeschätzt. Insbesondere bei den 18- bis 24-Jährigen halten große Teile auch Suchmaschinen (15 %) und andere Internetseiten (16 %) für die besten Quellen zu regionalen Informationen über Corona, während bei 15 Prozent der über 55-Jährigen das Lokalradio präferiert wird.

Weitere Informationen und Kontakt

www.leibniz-hbi.de