Wissenschaft in der Energiekrise

Forscher im Femtosekunden-Applikationslabor des Max-Born-Instituts
Foto UWE BELLHÄUSER/MBI

Die Energiekrise bedroht auch die Forschung erheblich. In einer Stellungnahme fordert die Allianz der Wissenschaften, einer massiven Schwächung des Wissenschaftssystems entgegenzuwirken.

10/04/2022 · News · Gemeinschaft

Unser Land steht in diesen Wochen und mit Blick auf den nahenden Winter vor großen Herausforderungen. Die drastisch ansteigenden Energiepreise und die drohenden Engpässe bei der Energieversorgung stellen alle Teile unserer Gesellschaft, ganze Wirtschaftszweige und nicht zuletzt Millionen von Bürgerinnen und Bürgern vor Fragen, die bis ins Existenzielle gehen. Die Politik steuert mit den von der Bundesregierung anvisierten Entlastungspaketen und mit erheblichen finanziellen Anstrengungen dagegen. Dennoch bereitet die „Energiekrise“ der Bevölkerung inzwischen große Sorgen.

Der Auslöser dieser Krise ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der inzwischen seit mehr als einem halben Jahr andauert. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist sich der Komplexität der Herausforderungen bewusst. Sie sieht sich zugleich in der Verantwortung, rechtzeitig auf die bedrohlichen Folgen aufmerksam zu machen, welche die derzeitige Entwicklung für die Wissenschaft in Deutschland und die Arbeit der in ihr tätigen Menschen mit sich bringt.

Ein aus eigenen Mitteln nicht aufzufangender weiterer Preisanstieg bei Strom und Gas und mögliche Engpässe bei der Versorgung mit den wichtigsten Energiequellen betreffen alle Bereiche der wissenschaftlichen Arbeit einschließlich der akademischen Lehre. Einzelne Wissenschaftsbereiche sind dabei in besonderer Weise durch die absehbaren Belastungen bedroht. Gravierend wären die Auswirkungen etwa für Biodatenbanken und -archive und laufende, groß angelegte Versuchsreihen und Studien in der Medizin und den natur- sowie ingenieurwissenschaftlichen Fächern sowie für komplexe Forschungsinfrastrukturen.

Über alle Fachgebiete hinweg wäre zudem die technische Infrastruktur an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ganz erheblichen Belastungen ausgesetzt und in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet. Die Hochschulen werden deutlich mehr Mittel für Energie aufwenden müssen, dies kann zu Kürzungen im Personalbereich führen, den akademischen Lehrbetrieb einschränken und das Studium von Tausenden Studierenden beeinträchtigen. Einsparungen durch die Schließung von Lehrgebäuden und eine erneute Umstellung auf Online-Lehre würden die negativen didaktischen und psycho-sozialen Folgen für die Studierenden erneut Realität werden lassen, die bereits während der Corona-Lockdowns 2020 und 2021 festzustellen waren.

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland und ihre Mitglieder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um an ihren Einrichtungen Energie in erheblichem Umfang einzusparen und so ihren Beitrag zur gemeinsamen Bewältigung der Energiekrise zu leisten. Zusätzlich werden Priorisierungen vorgenommen, um die gravierendsten Auswirkungen auf Forschung und Lehre zu vermeiden und die Aufrechterhaltung wissenschaftlicher Arbeit zu ermöglichen.

Trotz dieser Anstrengungen müssen Härtefälle in der Wissenschaft bei der Energieversorgung und auch bei Fragen möglicher finanzieller Entlastungen berücksichtigt werden, um einer massiven Schwächung des deutschen Wissenschaftssystems und des Hochschul- und Forschungsstandorts Deutschland in seiner Gesamtheit entgegenzuwirken. Die Allianzorganisationen setzen auf den Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern und allen weiteren Beteiligten und wollen sich konstruktiv und mit all ihrer Kompetenz in diesen Dialog einbringen. Sie werten daher die Übereinkünfte zwischen der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Bundesnetzagentur, die nicht zuletzt die Situation an den Hochschulen und in der akademischen Lehre adressieren, als ein positives Signal.

Ziel aller notwendigen und nun zügig und mit Nachdruck voranzutreibenden Überlegungen und Maßnahmen muss es nicht zuletzt sein, relevante und von Zerstörung oder Verlust bedrohte Forschungsarbeiten und -ergebnisse in allen Wissenschaftsgebieten und an allen Wissenschaftsinstitutionen zu sichern. Ebenso müssen gute Studienbedingungen für die knapp drei Millionen Studierenden sichergestellt werden. Nur so lässt sich das erhebliche Leistungs-, Innovations- und Problemlösungspotenzial, mit dem Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der Energiekrise, aber auch anderer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen können, auch in Zukunft weiterentwickeln und nutzen.    

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist ein Zusammenschluss der bedeutendsten Wissenschaftsorganisationen in Deutschland. Sie nimmt regelmäßig Stellung zu wichtigen Fragen der Wissenschaftspolitik. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist Mitglied der Allianz und hat für 2022 die Sprecherrolle übernommen. Weitere Mitglieder sind die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Wissenschaftsrat.

Weitere Informationen und Kontakt

Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen