Außeruniversitäre Forschung hat in Deutschland eine Geschichte, die viel weiter zurückreicht als die Geschichte der Leibniz-Gemeinschaft. 1652 wurde die Leopoldina gegründet, 1700 entstand in Berlin auf Initiative von Gottfried Wilhelm Leibniz die Societät der Wissenschaften, die spätere Akademie. Diese Entwicklung fand mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1910 einen ersten Höhepunkt. Neben dieser Gesellschaft existierte schon damals eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen, Bibliotheken und Museen, die heute zu einem erheblichen Teil zur Leibniz-Gemeinschaft gehören - darunter das Astrophysikalische Institut in Potsdam, sieben der acht Leibniz-Forschungsmuseen oder das Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Alliierten für Deutschland ein föderales System durchgesetzt mit starken Ländern, denen auch die Hoheit im Bereich von Kultur, Bildung, Wissenschaft zukam. Nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus sollte ein übermächtiger Zentralstaat verhindert werden. Es gab jedoch Forschungseinrichtungen, die zu finanzieren ein einzelnes Land überfordert hätte. So kam es noch vor Gründung der Bundesrepublik, im März 1949, zu einem Treffen der westdeutschen Länder im hessischen Königstein und dort zur Unterzeichnung des so genannten "Königsteiner Abkommen". In diesem  Abkommen verpflichteten sie sich, bei größeren Forschungseinrichtungen überregionaler Bedeutung, deren Finanzbedarf die Kraft eines einzelnen Landes übersteigt, die erforderlichen Mittel gemeinsam bereitzustellen.

Die Blaue Liste

Zwanzig Jahre später, im Jahre 1969, wurde dann das Grundgesetz um den Artikel 91b erweitert, der Bund und Ländern die verfassungsrechtliche Möglichkeit bietet, im Rahmen von Forschungsvorhaben überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse zusammenzuarbeiten. Nach intensiven Verhandlungen, die sich auf über 300 Einrichtungen bezogen, einigte man sich schließlich 1977 auf die gemeinsame Förderung von 46 Einrichtungen, die auf einer Liste veröffentlicht wurden. Die Papierfarbe dieser Liste gab dem Projekt seinen Namen: Blaue Liste.

Institute auf Widerruf

Ab 1979 wurden die Einrichtungen der Blauen Liste regelmäßig vom Wissenschaftsrat evaluiert, um ein hohes Leistungsniveau der wissenschaftlichen Arbeit zu garantieren und eine zielgerichtete Weiterentwicklung frühzeitig einleiten zu können. Von den ursprünglich 46 geförderten Einrichtungen sind bis zum Jahr 1989 insgesamt fünf Institute aus der gemeinsamen Förderung ausgeschieden. Innerhalb dieser Zeit wurden sechs Einrichtungen neu aufgenommen.

Bund und Länder schufen sich mit der Blauen Liste ein Instrument, das es ermöglichte, flexibel und schnell auf neue wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Anforderungen zu reagieren. Dass dieses Vorhaben in der Umsetzung schwierig war, zeigte sich allein daran, dass die Zahl der geförderten Institute zwischen 1977 und 1989 mit 46 bzw. 47 fast gleich blieb. Die Begrenzung der Gesamtausgaben für die Blaue Liste führte zum sogenannten "Omnibus-Prinzip": Die notwendigen Finanzmittel zur Neuaufnahme einer Einrichtung konnten nur durch das Ausscheiden anderer Institute aus der Blauen Liste freigemacht werden.

Die Wende

Die deutsche Vereinigung im Jahre 1990 brachte auch für die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern nachhaltige Veränderungen mit sich, da Artikel 38 des Einigungsvertrages die Eingliederung der Wissenschafts- und Forschungslandschaft der DDR in das bundesrepublikanische System vorschrieb. Im Zuge der Umgestaltung der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft kam es fast zu einer Verdopplung der Zahl der "Blaue-Liste-Institute"; die Zahl der geförderten Einrichtungen stieg von 47 im Jahre 1989 auf 81 im Jahre 1992 und auch die Mitarbeiterzahlen stiegen von rund 5.000 auf 9.000 an. Alle 34 neu aufgenommenen Einrichtungen waren zuvor vom Wissenschaftsrat positiv evaluiert worden. Die Neuaufnahmen veränderten das Gesicht der Blauen Liste und verschoben den wissenschaftlichen Schwerpunkt in Richtung auf die natur-, technik-, agrar-, lebens- und raumwissenschaftliche Forschung.

Die Leibniz-Gemeinschaft

Im Jahr 1990 gründeten die damaligen Einrichtungen die "Arbeitsgemeinschaft Blaue Liste", die besonders in administrativen Fragen institutsübergreifend tätig war. Vier Jahre später beschloss die Mitgliederversammlung, einen Grundsatzausschuss einzusetzen, der auf der Basis der Empfehlungen des Wissenschaftsrates über die Zukunft und das Selbstverständnis der „Blauen Liste“ beraten sollte. Die Arbeit des Ausschusses mündete 1995 in die Gründung der „Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste“ (WBL).

1997 benannte sich die WBL um in "Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz" (WGL). Dieser Name wird heute nur noch selten in formalen Angelegenheiten verwendet; gebräuchlich ist die Kurzform "Leibniz-Gemeinschaft".

Ziele der Selbstorganisation der weiterhin eigenständigen Einrichtungen sind eine stärkere inhaltliche Zusammenarbeit - beispielsweise in Form der Leibniz-Forschungsverbünde und Leibniz-Netzwerke - , regelmäßiger Informations- und Erfahrungsaustausch, die Zusammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer Interessen sowie die Wahrnehmung dieser Interessen nach außen, d.h. gegenüber der Politik, aber auch allgemein gegenüber der Öffentlichkeit. Zu diesem Zweck richtete die Leibniz-Gemeinschaft zunächst eine Geschäftsstelle in Bonn ein. 2006 kam ein Büro in Brüssel für EU-Angelegenheiten hinzu. Ferner wurde eine Vertretung in Berlin eingerichtet. 2010 wurde erstmals ein hauptamtlicher Präsident gewählt. 2012 konnte das Büro in Bonn geschlossen und die Geschäftsstelle an ihren heutigen Standort in Berlin-Mitte verlegt werden.

Bereits 1998 war in einem weiteren Schritt zur Festigung der Strukturen ein extern besetzter Senat als Aufsichts- und Beratungsorgan gegründet worden, dem Vertreter von Bund und Ländern, des öffentlichen Lebens, der Wissenschaft und der Wissenschaftsorganisationen angehören.

Weiterführende Informationen

Mehr zur Geschichte der Leibniz-Gemeinschaft erfahren Sie in Ariane Brills Publikation "Von der 'Blauen Liste' zur gesamtdeutschen Wissenschaftsorganisation", die kostenfrei heruntergeladen werden kann.

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