Akademische Geburtenlücke

Hochschulbildung hat einen direkten negativen Effekt auf die Familienplanung. Schuld an der niedrigeren Geburtenrate bei Akademikerinnen ist die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

16.10.2018 · News · RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung · Forschungsergebnis · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften

Warum ist die Geburtenlücke bei Akademikerinnen ein Problem?

Der demographische Wandel belastet das deutsche Renten- und Gesundheitssystem. Ein Grund für die gesellschaftliche Alterung ist die akademische Gebur-tenlücke: Frauen mit höherer Bildung bekommen im Schnitt weniger Kinder als Frauen ohne Hochschul-abschluss. Da immer mehr junge Menschen studieren, könnte diese Geburtenlücke in den kommenden Jah-ren immer größer werden.

Führt höhere Bildung zu weniger Kindern?

Bisher war unklar, ob für die Geburtenlücke haupt-sächlich der Bildungsgrad verantwortlich ist oder ob unterschiedliche Präferenzen der studierendenFrauen sowohl die Bildungsentscheidung als auch die Familienplanung beeinflussen. Denn die bloße Korrelation von Bildungsabschluss und geringerer Anzahl von Kindern bedeutet nicht, dass das eine ursächlich für das andere ist. Die RWI-Studie macht erstmals klar: Hochschulabschlüsse führen unmittelbar zu niedrigeren Geburtenraten. Frauen mit Uni-Abschluss haben eine um ein Vier-tel reduzierte Wahrscheinlichkeit, Mutter zu werden. Die Forscher nutzen Daten zum Hochschulausbau in Deutschland, um diese kausale Wirkungsrichtung zu belegen. So wird sichergestellt, dass nicht etwa Frauen, die von Anfang an keine Kinder wollen, häu-figer in der Gruppe der Studierten vertreten sind als Frauen mit Kinderwunsch. Somit kann der Effekt allein auf das Studium zurückgeführt werden. Im Ergebnis entscheiden sich Frauen mit Hochschulab-schluss häufiger gegen Kinder. Doch es gibt Unter-schiede: Unter den Müttern haben Akademikerinnen durchschnittlich sogar mehr Kinder als Frauen ohne Hochschulabschluss. Wenn sich Frauen mit höherer Bildung also für Kinder entscheiden, dann bekom-men sie im Schnitt sogar mehr Kinder als Mütter ohne Hochschulabschluss.

Wieso reicht das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit nicht aus, um die Geburtenlücke zu schließen?

Um der Geburtenlücke entgegenzuwirken, sollten Politiker die Vereinbarkeit von Beruf und Familie er-höhen, etwa indem sie flexiblere Arbeitszeiten und das Arbeiten von Zuhause aus noch stärker fördern. Auch das kontrovers diskutierte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit kann bestimmte Akademikerinnen dazu motivieren, Kinder zu bekommen. Mindestens genauso wichtig sind aber finanzielle Anreize: Die RWI-Studie zeigt, dass Frauen mit Hochschulabschluss im Schnitt mehr verdienen als Nicht-Akademikerinnen. Ihre Opportunitätskosten des Kinderkriegens sind des-halb höher. Hier könnte der Gesetzgeber ansetzen.

Originalpublikation

Kamhöfer, D.A., and M. Westphal (2017): Fertility Effects of College Education: Evidence from the German Educational Expansion. Ruhr Economic Paper #717. http://www.rwi-essen.de/publikationen/ruhr-economic-papers/894/

Kontakt

Leonard Goebel
Referent für wirtschaftspolitische Kommunikation
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