Europa unter Druck

Hat der Aufschwung von populistischen Parteien in Europa ökonomische Ursachen? Dieser Frage widmet sich ein internationales Projekt.

13.02.2020 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle · News · Projekte

Hat das Erstarken von populistischen Parteien ökonomische Ursachen? Diese brisante Frage untersucht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsfor­schung Halle (IWH) ab sofort federführend zusammen mit Forschen­den aus England, Schottland und Tschechien. Die VolkswagenStiftung fördert das interdisziplinäre Projekt für vier Jahre mit knapp einer Mil­lion Euro.

Ob der Siegeszug der Brexit-Befürworter, rechtspopulistische Regierungen in Ost­europa oder die Wahlerfolge der AfD in Deutschland: Der Aufschwung von Populis­ten trifft Europas Demokratien im Kern und setzt die Europäische Union unter Druck. Für die Ursachen dieses Phänomens gibt es unterschiedliche Erklärungs­ansätze. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) untersucht in einem neuen Forschungsprojekt, inwiefern ökonomische Faktoren die Zustimmung zu populistischer Politik beeinflussen. Das IWH leitet zu diesem Zweck ab diesem Jahr ein internationales und interdisziplinäres Projektteam. Zu diesem gehören For­schende der Wirtschafts- und Politikwissenschaften der Universitäten von Notting­ham (England) und Glasgow (Schottland) sowie des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag. Die Volkswagen­Stiftung fördert das Vorhaben für vier Jahre mit fast einer Million Euro. Es steht un­ter dem Titel „Europas populistische Parteien im Aufwind: die dunkle Seite von Glo­balisierung und technologischem Wandel?“.

Die Globalisierung hat zwar allgemein den Wohlstand gesteigert, aber in vielen Re­gionen Europas auch zu Arbeitslosigkeit, Lohnungleichheit, Abwanderung und dadurch Überalterung geführt. Das IWH und seine Partner untersuchen nun, ob diese ökono­mischen Lasten Mitursache für den Aufschwung von Populisten sind. Eine aufwän­dige Kausalanalyse soll zeigen, inwiefern wirtschaftliche Härten zu Wählerstimmen für populistische Parteien führen. Um belastbare Ergebnisse zu erhalten, wollen die Forschenden die Zusammenhänge für mehrere Länder Europas analysieren. Dabei sollen insbesondere auch Staaten Mittel- und Osteuropas einbezogen werden.

Das Forschungsprojekt will eine Debatte bereichern, in der Populismus vor allem als kulturelle Gegenreaktion auf Liberalisierung, offene Grenzen und Migration gedeutet wird. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse zu wichtigen Empfehlungen an die Poli­tik führen, sagt Projektkoordinator Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Struktur­wandel und Produktivität. „Wenn Subventionen verteilt werden, geht es der Politik oft darum, die Menschen in wirtschaftlich abgehängten Regionen kurzfristig zu be­ruhigen. Dahinter steht die Vermutung, dass wirtschaftliche Probleme die Hauptursache für die Wahl antidemokratischer und populistischer Parteien sind und dass Geld vom Staat diese Wahlentscheidung beeinflussen kann. Beide Vermutungen sind fragwürdig und wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichert.“ Müller und sein Team wollen des­halb zum Beispiel untersuchen, ob EU-Fördermittel in strukturschwachen Regionen dort die Stimmenanteile für europaskeptische Parteien verringern.

Weitere Informationen und Kontakt

www.iwh-halle.de