Fachkompetenz und Amtsführung

Sollten Politikerinnen und Politiker Fachleute sein? Eine neue Studie zeigt: Steht ein Arzt oder eine Ärztin an der Spitze des Gesundheitsministeriums, steigen die Investitionen im Krankenhaussektor.

01.07.2020 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung · News · Forschungsergebnis

Sollten Politikerinnen und Politiker Fachleute sein? Diese Frage wird häufig nach Regierungsbildungen diskutiert. Welchen Einfluss Fachkompetenz auf die Amtsführung hat, ist allerdings umstritten. Eine Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des ifo Instituts zeigt nun, dass die fachliche Qualifikation von Politikern tatsächlich eine Rolle spielt: So geben Gesundheitsminister, die zuvor als Ärzte tätig waren, mehr Geld für die Krankenhausversorgung aus als ihre Kolleginnen und Kollegen mit anderem beruflichen Hintergrund. Wenn Ärzte Gesundheitsminister werden, erhöhen sich die Kapitalausstattung und der Personalbestand besonders stark.

Verhalten sich Ärzte an der Spitze des Gesundheitsministeriums anders als ihre Amtskollegen?

In der Studie wird untersucht, wie sich der frühere Beruf eines Gesundheitsministers oder einer Gesundheitsministerin auf die Amtsführung auswirkt. Die Studie betrachtet dazu die für Gesundheit zuständigen Minister der deutschen Bundesländer zwischen 1955 und 2017. Das Ergebnis: Ärzte investieren mehr in den Krankenhaussektor als Gesund-heitsminister mit anderem beruflichen Hintergrund. So wächst die Kapitalausstattung der Kliniken – also der Wert von Gebäuden oder Großgeräten – während ihrer Amtszeit im Durchschnitt etwa doppelt so stark wie unter Gesundheitsministern ohne Medizinstudium. Auch die Zahl von Ärzten und Pflegekräften in Kliniken erhöht sich, wenn ein Mediziner das Ministerium führt.

Wie wirken sich die höheren Investitionen aus?

In der Studie sind auch die Zahl der in Krankenhäusern behandelten Fälle, die Sterberate in Krankenhäusern und die Patientenzufriedenheit erfasst. Ein statistisch signifikanter Einfluss des erlernten Berufs des Gesundheitsministers auf diese Faktoren lässt sich dabei jedoch nicht feststellen. Die deutlich höheren Ausgaben im Krankenhaussektor und der Zuwachs beim Klinikpersonal spiegeln sich also nicht im gleichen Maße in der medizinischen Leistung wider. Dies führt dazu, dass die Produktivität im Krankenhaussektor abnimmt, wenn der Gesundheitsminister ein Arzt ist.

Bringen die höheren Ausgaben dennoch Vorteile mit sich?

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Zufriedenheit des Krankenhauspersonals tendenziell zunimmt: Ärzte wechseln seltener ihren Job und gehen seltener in Frührente, wenn ein Mediziner die Verantwortung im Gesundheitsministerium trägt. Zudem könnten die höheren Ausgaben in ihren Amtszeiten dazu genutzt worden sein, einer möglichen Unterfinanzierung von Krankenhäusern entgegenzuwirken. Denn mehr Kapital bedeutet, dass mehr Betten und technisches Equipment von den Kliniken vorgehalten werden können. Dies könnte gerade in Zeiten gesundheitlicher Krisen – etwa durch eine Pandemie – zu einer besseren Versorgungslage führen.

Originalpublikation

Pilny, A. und F. Roesel: Are Doctors Better Health Ministers? American Journal of Health Economics (forthcoming). Vorversion: Ruhr Economic Papers #849. RWI. DOI: 10.4419/86788984 https://www.rwi-essen.de/publikationen/ruhr-economic-papers/1060/

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