Fernsehen macht gründungsfreudig

Was weckt den Unternehmergeist im Menschen? Unter anderem das Fernsehen, so eine Studie, die Gründungsaktivitäten in ostdeutschen Regionen mit und ohne Zugang zu West-Fernsehen analysiert.

23.02.2018 · News · Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle · Forschungsergebnis · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften

Unternehmensgründungen schaffen Arbeitsplätze und treiben die Entwicklung einer Marktwirtschaft voran. Über welche Kanäle der Unternehmergeist in den Menschen aber überhaupt geweckt wird, damit beschäftigten sich Viktor Slavtchev, Ökonom am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und sein Co-Autor Michael Wyrwich in einer Studie. Ihr Ergebnis: Auch das Fernsehen kann die dafür passenden Werte vermitteln. Für ihre Analyse ver­glichen die Ökonomen die Unternehmensaktivität in ostdeutschen Regionen, die West-Fernsehen empfangen konnten, mit solchen, die diese Möglichkeit nicht hatten.

Menschen schöpfen Nutzen nicht nur aus messbaren Faktoren, wie beispielsweise dem Einkommen, sondern auch aus ihrem eigenen Verhalten. Sie fragen sich bei­spielsweise, ob ihr Verhalten zur eigenen (idealen) Selbstwahrnehmung passt. Anders formuliert: Wie ein Mensch sich selbst wahrnimmt, beeinflusst dessen Verhalten und entsprechend auch die Wahl seines Berufs. Andererseits kann das Fernsehen die eigene Identität beeinflussen, indem es Bilder mit bestimmten Ver­haltensweisen, Werten und Präferenzen vermittelt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland in die marktwirtschaftliche BRD und die sozialistische, planwirtschaftlich organisierte DDR geteilt. In einigen ost­deutschen Regionen konnten die Menschen aber Westfernsehen empfan­gen, das seinerseits Werte, Verhaltens- und Sichtweisen transportierte, die zum Bild eines ideologisch und wirtschaftlich freien, sich selbst bestimmenden Indi­viduums passten und entsprechend in Einklang mit einem der Hauptmotive für Unternehmertum standen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass, für den Zeitraum nach der deutschen Vereinigung 1990 und der Wiederherstellung der freien Marktwirt­schaft in Ostdeutschland, die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, ein Unterneh­men zu gründen, 9 bis 10% höher unter denjenigen Einwohnern von Regionen ist, die Westfernsehen empfangen konnten gegenüber denen, die diese Option nicht hatten“, erläutert Slavtchev die Ergebnisse. Darüber hinaus ist erstaunlich, „dass dieser Unterschied mit der Zeit nicht zu verschwinden scheint. Junge Menschen, die nach 1980 in ostdeutschen Regionen mit Zugang zu Westfernsehen geboren wurden, sind gründungsfreudiger als gleichaltrige Kohorten in anderen ostdeut­schen Regionen. Das weist darauf hin, dass das Fernsehen eine Kultur nachhaltig formen kann.“

Die aktuelle Unternehmenspolitik ist typischerweise darauf ausgerichtet, Jung­unternehmer durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu unterstützen, indem sie zum Beispiel die physische, finanzielle oder rechtliche Infrastruktur bereitstellt und verbessert. „Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass auch die kulturel­len Dimensionen inklusive transportierter Vorbilder große Auswirkungen auf menschliches Verhalten haben können“, so Slavtchev. „Politiker, die ein positives Image für Unternehmer aufbauen und das Bewusstsein für Unternehmertum för­dern wollen, müssen diese Dimension mitberücksichtigen.“

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