Historischer Grabfund neu betrachtet
Das Dorf Malaja Pereščepina war einst Schauplatz einer der reichsten frühmittelalterlichen Grabfunde Europas. Nun wird das Fundensemble rekonstruiert.
07.04.2020 · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa · News · Projekte
Das Dorf Malaja Pereščepina (heute Mala Pereščepina südlich von Poltavain der Ukraine) war 1912 Schauplatz eines der reichsten frühmittelalterlichen Grabfunde Europas. Er besteht aus mehreren hundert Einzelteilen, überwiegend aus Gold und Silber. Seine zentrale Bedeutung für die Frühgeschichte Osteuropas zeigt sich nicht nur in der großen Zahl qualitativ hochwertiger Objekte, sondern vor allem auch in seiner heterogenen Zusammensetzung.
Das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) plant gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern die gründliche und vielseitige Analyse dieses aus dem 7. Jahrhundert stammenden einzigartigen archäologischen Fundkomplexes. Das gesamte Fundensemble soll mit Hilfe modernster Methoden und Technologien in seiner ursprünglichen Zusammensetzung rekonstruiert und anschließend zum ersten Mal vollständig der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Russische und deutsche Institutionen haben sich dazu in einem interdisziplinären Forschungsverbund zusammengeschlossen, darunter die Staatliche Eremitage in St. Petersburg, wo die Objekte aufbewahrt werden. Weitere Kooperationspartner neben dem GWZO sind die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK, Frankfurt am Main), die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf mit dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA, Schleswig) und das Institut für Geschichte der materiellen Kultur der Russischen Akademie der Wissenschaften (IHMC RAS, St. Petersburg). Die Zusammenarbeit ist vorerst auf fünf Jahre angelegt und hat anfangs zum Ziel, ein internationales Projekt ins Leben zu rufen. Es wird ein gemeinsamer Projektantrag erarbeitet, der im März 2021 eingereicht werden soll. Projektbeginn ist für Herbst 2021 geplant. Schon im Herbst 2020 soll ein Pilotprojekt in St. Petersburg starten. Im Fokus der Forschungen steht die Erstellung von „Objektbiographien“, die eine Brücke zwischen Vergangenheit (Herstellung, Gebrauch und Niederlegung der gefundenen Objekte) und Gegenwart (Entdeckung des Fundes, Eingang in die Sammlung der Staatlichen Eremitage St. Petersburg, „Schicksal“ in der Sammlungsgeschichte) schlagen sollen. Dazu müssen bislang unveröffentlichte Archivalien ausgewertet und gefundene Objekte mikroskopisch sowie metallographisch-archäometrisch systematisch untersucht werden. Abschließend soll der gesamte Fund kulturhistorisch neu eingeordnet werden. Die Ergebnisse sowie der gesamte Fund sollen im Anschlussunter anderem in einer Ausstellung in der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg und im Rahmen einer virtuellen Schau präsentiert werden.