Meister der Stofflichkeit

Das Bild zeigt die siebte Kreuzwegstation von Adam Kraft: Die Beweinung Christi.

Adam Kraft ist einer der wichtigsten deutschen Bildhauer des Mittelalters. Sein Kreuzweg gehört zu den ältesten im deutschen Sprachraum. Nun wurde er aufwendig restauriert.

20.04.2018 · HP-Topnews · Germanisches Nationalmuseum · Forschungsergebnis · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung

Foto: Monika Runge/GNM

Adam Kraft. Der Kreuzweg
Präsentation in der Kartäuserkirche
22.3. – 7.10.2018

Der Nürnberger Adam Kraft (um 1455/60 – 1509) ist einer der herausragendsten deutschen Bildhauer des ausgehenden Mittelalters. Zu den bedeutendsten Exponaten in der Kartäuserkirche im Germanischen Nationalmuseum gehört sein Kreuzweg, ein Ensemble aus sieben monumentalen Steinreliefs mit Szenen der Passion Christi. In den vergangenen drei Jahren wurden die Darstellungen mit Mitteln der Ernst von Siemens Kunststiftung und des Fördererkreises des Germanischen Nationalmuseums aufwendig untersucht, gereinigt und restauriert. Die Maßnahmen waren notwendig, weil der Zustand der Werke ihrer Bedeutung nicht mehr gerecht wurde. Neben dem beeindruckenden Ergebnis veranschaulichen vom 22. März bis 7. Oktober 2018 Schautafeln bei den Reliefs die neuesten Forschungserkenntnisse zur Werktechnik und Bemalung, geben Einblicke in die Restaurierungsgeschichte und thematisieren damit auch den Umgang mit Kunstwerken über die Jahrhunderte.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse:

1. Waren die Kreuzwegstationen einst bemalt?

Eine wichtige Ausgangsfrage der Untersuchungen war, ob sich an den Steinreliefs Hinweise auf eine originale Farbfassung finden lassen. In der Tat wurden neben Spuren späterer Bemalungen auch minimale Farbpartikel der ursprünglichen Fassung entdeckt, im Inneren von Gewandfalten oder in rückseitig liegenden Vertiefungen.

In den Gesichtern einiger Frauenfiguren haben sich außerdem aufgemalte Pupillen erhalten. Es ist anzunehmen, dass auch die übrigen Figuren einst mit ausgemalten Augen versehen waren. Raum für Spekulationen bietet zudem die erste Kreuzwegstation: Zu Füßen Christi liegt hier eine rechteckige Platte, die ikonographisch nur als Nagelbrett gedeutet werden kann, das Christus an den Gürtel gebunden wurde und ihm bei jedem Schritt gegen die Knöchel schlug. Plastisch geformte Nägel sind nicht vorhanden, und ohne Bemalung ist dieses Detail nur schwer zu verstehen. Indizien dieser Art stärken die Theorie, dass die Szenen ursprünglich zumindest teilweise bemalt waren. Doch insgesamt sind die Befunde für eine vollständige Rekonstruktion zu gering. Aus diesem Grund steht eine erneute farbige Fassung auch nicht zur Diskussion.

2. Wie hat Adam Kraft die Kreuzwegstationen gefertigt?

Adam Kraft gilt als Meister der Stofflichkeit. Seine Steinfiguren scheinen mal mit dünnem, mal mit schwerem Tuch bekleidet, die Haut wirft zarte Falten oder spannt sich über Gesichtsknochen eine künstlerische Fertigkeit, die nach der aktuellen Reinigung wieder in Gänze sichtbar ist. Die Untersuchungen ergaben, dass die Kreuzwegstationen aus grobem Burgsandstein gehauen sind – im Gegensatz zu anderen Werken Krafts, wie beispielsweise dem aus feinem Sandstein bestehenden Sakramentshaus in St. Lorenz. Das weichere Material lässt sich leichter bearbeiten, es ist aber auch empfindlicher, weshalb sich Kraft vermutlich bewusst für den groben Stein für die ursprünglich draußen aufgestellten Kreuzwegstationen entschied. Trotz des schwerer zu bearbeitenden Materials gelang ihm eine außerordentlich detaillierte Gestaltung der Szenen.

Sie wurden jeweils aus einem Steinblock gefertigt und kaum ergänzt - eine herausragende bildhauerische Leistung. Die Reinigung der Steinoberfläche ließ dennoch Anstückungen sichtbar werden. Sie stammen von verschiedenen Restaurierungsmaßnahmen der letzten Jahrhunderte. Ein Christuskopf wird z.B. nicht mehr montiert. Er hat sich nur sehr fragmentarisch erhalten und ist außerdem nicht original. Vom Betrachter kann er gedanklich leicht ergänzt werden. Anders verhält es sich mit zwei Figuren, die sich über den unter dem Kreuz gestürzten Christus beugen: Auch sie sind spätere Ergänzungen, wohl des 19. Jahrhunderts, aber von außerordentlich hoher künstlerischer Qualität. Ihre Bewegung in den Raum hinein lässt sich nicht so leicht erdenken, weshalb sie am Relief verbleiben.

3. Wo begann der Kreuzweg?

Bislang ging man davon aus, dass der Nürnberger Kreuzweg vom Tiergärtnertor bis zum Johannisfriedhof führte. Gläubige konnten auf dieser Strecke den Wallfahrtsweg in Gedenken an den Leidensweg Christi abschreiten. Die Kreuzwegstationen von Kraft dienten als Wegemarken. Die Information, dass der Kreuzweg am Tiergärtnertor beginnt, geht auf den Nürnberger Johann Neudörfer aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zurück. Dort steht ein markantes Gebäude, das den Namen Pilatushaus trägt – in Anlehnung an das Haus des Pilatus in Jerusalem, dem Ort der Verurteilung Christi und Beginn des Leidenswegs. Pilatushaus heißt dieses Gebäude allerdings erst seit der Zeit um 1700.Viel wahrscheinlicher begann der Nürnberger Kreuzweg aber einst am Neutor. Darauf verweist u.a. eine zeitgenössische, auf 1490 datierte Inschrift in St. Johannis am Ende des Kreuzwegs. Außerdem war für jeden Abschnitt des Kreuzwegs eine bestimmte Anzahl an Schritten vorgegeben. Nimmt man als Beginn das Neutor an, passt die Schrittzahl zur nächsten Kreuzwegstation – ab dem Tiergärtnertor nicht, die Wegstrecke ist zu kurz. Das ursprüngliche, von Zeitgenossen Krafts als Pilatushaus bezeichnete Gebäude, muss deshalb zweifellos beim Neutor gestanden haben.

4. Wer hat das herausragende Ensemble gestiftet?

Die Frage nach dem oder den Stifter(n) der Kreuzwegstationen muss offen bleiben. Üblicherweise zeigen im Spätmittelalter sämtliche Dedikationen ihre Spender durch Wappen an – auf den Kreuzwegstationen fehlen diese, auch die aktuellen Untersuchungen haben keine Hinweise erbracht. Stifter lassen sich auch künftig nicht sicher benennen.

5. Sind die Kreuzwegstationen ein Früh- oder ein Spätwerk?

Die Kreuzwegstationen von Adam Kraft zählen zu den ältesten erhaltenen Beispielen dieser Bildgattung nördlich der Alpen. Ihre exakte Datierung war in der Forschung allerdings umstritten. Bislang galten sie als zwischen 1505 und 1508 entstandenes Spätwerk des Meisters. Diese Zuschreibung basiert auf der am Endpunkt des Kreuzwegs stehenden Holzschuher-Kapelle, die mit der Jahreszahl 1508 versehen ist. Doch es gibt Gründe für eine frühere Datierung: Von 1482 bis 1486 wurden der Südturm der Nürnberger Sebalduskirche und ihr Westportal umgebaut. Jüngst reigelegte Steinmetzzeichen in Quadern belegen Krafts Mitarbeit, er war also bereits in den 1480er Jahren wieder nach Nürnberg zurückgekehrt. Davon ging man bislang nicht aus.

Von 1490 bis 1492 fertigte er – ebenfalls verbürgt – Großreliefs für die Grablegung der Familien Schreyer und Landauer an der Außenwand von St. Sebald, ab 1493 entstand das mehr als 20 Meter hohe Sakramentshaus in St. Lorenz. Die späteren Werke zeugen von einer beachtlichen künstlerischen Weiterentwicklung. Woher rührt sie? Was hat Kraft zwischen 1486/87 und 1490 in Nürnberg gemacht? Ein weiterer Hinweis ist die bereits erwähnte Inschrift in St. Johannis, eine Bronzetafel, die 1490 neu an der zum Kreuzweg gehörenden Kreuzigungsgruppe angebracht wurde. Zu welchem Anlass – vor allem, wenn die späte Entstehung bis 1508 angenommen wird? Wenn Kraft die Kreuzwegstationen allerdings ab 1487 gefertigt hätte, könnten sie 1490 vollendet gewesen sein.

Die Bronzetafel markierte dann ihre Vollendung und die Aufwertung des Kreuzwegs durch die neuen Stationen. Die außerordentliche bildhauerische Leistung hätte zugleich als Referenz für die späteren Auftraggeber Schreyer und Landauer gedient, was auch die Herstellung aus einem Stück begründen würde: Hier wollte Kraft seine große Meisterschaft unter Beweis stellen. Sammlungsleiter Dr. Frank Matthias Kammel spricht sich für eine Umdatierung aus: „Die Kreuzwegstationen sind zwischen 1487 und 1490 entstanden, als Frühwerk von Adam Kraft“, ist er überzeugt.Damit ist der Kreuzweg von Adam Kraft der älteste vollständig erhaltene Kreuzweg im deutschen Sprachraum.

Fazit

Durch die Reinigungs-und Restaurierungsmaßnahmen ist die ursprüngliche Qualität der Kreuzwegstationen von Adam Kraft wieder eindrucksvoll zutage getreten. Sie zeugen von seiner unangefochtenen Meisterschaft, lebensnah und lebendig in Stein zu erzählen. In der nur etwa 30 cm starken Steinsubstanz vermochte er die Anmutung tiefen Raumes und unterschiedlicher Zonen zu erwecken. Sein Kreuzweg: Ein einzigartiges Meisterwerk!

Kontakt

Dr. Sonja Mißfeldt
Presse
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