Rhodiola verbessert Gedächtnis

Das Bild zeigt eine Rhodiola.

Gegen altersbedingten Gedächtnisverlust gibt es bisher keine Medikamente. Nun haben Forscher eine Substanz der Rosenwurzpflanze entdeckt, die die Gehirnfunktion im Alter verbessern soll.

25.10.2018 · HP-Topnews · Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie · Leibniz-Institut für Neurobiologie · Forschungsergebnis · Lebenswissenschaften

Foto: Pixabay

Um altersbedingtem Gedächtnisverlust vorzubeugen, gibt es bisher – außer körperlicher Bewegung – keine wirksamen Strategien. In der traditionellen Medizin sind Pflanzenpräparate zur Förderung der Gedächtnisleistung zwar weit verbreitet. Diese können jedoch auf Grund von schwankenden Wirkstoffkonzentrationen inaktiv sein oder zu Fehldosierungen führen – und zwar insbesondere dann, wenn der Wirkstoff gar nicht bekannt ist. In solchen Fällen sind weder die Wirkungen noch die Nebenwirkungen für den Patienten oder den Arzt berechenbar.

So ist auch die förderliche Wirkung von Rhodiola rosea, der Rosenwurzpflanze, für die geistige Leistungsfähigkeit des Menschen zwar schon länger bekannt. Die Erstautorin der Studie, Dr. Birgit Michels vom LIN, erklärt aber: „Um dieses Wissen für die Medizin nutzbar zu machen, wollten wir herausfinden, welche konkreten Wirkstoffe aus Rhodiola das Gedächtnis verbessern.“ Schließlich sind ohne identifizierten Wirkstoff keine gezielte Dosierung und Pflanzenzucht, keine Qualitätskontrolle und somit auch keine Medikamentenentwicklung möglich.

Aufwändige Biotests am LIN in Magdeburg, zunächst an Fliegenlarven, wurden mit der phytochemischen Analyse durch Wissenschaftler am IPB in Halle kombiniert. Dadurch gelang es schließlich, die Substanz Ferulasäure-Eicosyl-Ester (FAE-20), welche die Gedächtnisleistung fördert, aus der Pflanze zu isolieren und chemisch eindeutig zu bestimmen. „Obwohl es sich chemisch um ein strukturell einfaches Molekül handelt, war die Identifizierung als wirksame Komponente im Pflanzenextrakt sehr langwierig. Es ist komplizierter, eine kognitive Leistung, wie Lernfähigkeit, mit den Hunderten von Naturstoffen aus der Pflanze in Beziehung zu setzen als es zum Beispiel bei der Suche nach neuen Antibiotika der Fall ist“, erläutert Prof. Dr. Ludger Wessjohann vom IPB. Mit der reinen Substanz, die in seinem Labor gewonnen wurde, konnte der Effekt von FAE-20 dann aber eindeutig belegt werden.

„Als nächstes hat uns interessiert, ob sich auch bei alternden Fliegen das Gedächtnis verbessern lässt“, so Prof. Dr. Bertram Gerber vom LIN. Die Magdeburger Forscher konnten zeigen, dass nach Zugabe von FAE-20 in das Fliegenfutter die Gedächtnisleistung von gealterten Fruchtfliegen um ein Drittel besser war als bei ihren nicht behandelten Artgenossen. Die Lernexperimente basieren hierbei auf der sogenannten klassischen Konditionierung. Das heißt: Die Tiere lernen, einen Duft mit einer Belohnung – beispielsweise durch Zucker – zu verknüpfen. In Tests kann man dann schauen, ob sie sich diese Verknüpfung gemerkt haben und den Duft nun attraktiver finden als zuvor.

Außerdem konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass FAE-20 die altersbedingte übermäßige Ansammlung von Proteinen an den Verbindungen der Nervenzellen im Gehirn der Fliege verhindert. Michels erklärt: „Bei Fliegen heißt ,alt´ nur ungefähr 14 Tage. Daher war es für uns dann besonders ermutigend, zusammen mit den Kollegen der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen die positiven Effekte auf die Gedächtnisleistungen auch bei über 2 Jahre alten Mäusen bestätigen zu können.“

Ausgehend von der positiven Wirkung der Rhodiola-Pflanze beim Menschen konnten die Forscher mit FAE-20 einen konkreten natürlichen Wirkstoff identifizieren, der die Gedächtnisleistung im Alter verbessert – zumindest im Tiermodell. Sie hoffen nun darauf, dass sich der Kreis schließen lässt und ihre Entdeckung für die medizinische Demenzforschung nutzbar gemacht werden kann: „Wir sind da zuversichtlich. Schließlich wird die Pflanze bereits vom Menschen genutzt. Von unseren Ergebnissen mit FAE-20 bei Tieren ist die Übertragbarkeit zurück auf den Menschen daher wahrscheinlich“, so das Forscherteam. Eine Patentanmeldung zur neu gefundenen Anwendung von FAE-20 liegt bereits vor.

Originalpublikation

http://advances.sciencemag.org/content/4/10/eaat6994.

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