Sicher surfen

Foto GAELLE MARCEL/UNSPLASH

Heranwachsende in Europa nutzen immer häufiger und länger ihr Smartphone. Hinweise von Eltern oder Lehrern, wie sie sicher im Netz verkehren, erhalten sie aber kaum.

11.02.2020 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut · News · Forschungsergebnis

Die Mehrheit der europäischen Kinder und Jugendlichen im Alter von 9 bis 16 Jahren nutzt ihr Smartphone "täglich" oder "fast ständig". Damit ist sowohl der Anteil der  Smartphone-Nutzer als auch die Dauer ihrer Internetnutzung im Vergleich zu 2010 erheblich gestiegen. In einigen Ländern hat sich die Zeit, die Heranwachsende jeden Tag online verbringen, sogar fast verdoppelt. Trotzdem erhalten viele Kinder bisher wenig Unterstützung und Hinweise für eine sichere Online-Nutzung — weder von Eltern noch von Lehrern oder Freunden. Dabei sind vor allem Eltern und Freunde als Ansprechpartner bei negativen Online-Erfahrungen gefragt, Lehrer oder Fachkräfte hingegen werden nur selten um Rat gebeten. Dies sind Ergebnisse der international vergleichenden EU-Kids-Online-Studie, die das Forschungsnetzwerk anlässlich des Safer Internet Days veröffentlicht.

Die Studie „EU Kids Online 2020: Survey Results From 19 Countries“ untersucht die Online-Chancen, -Risiken und -Erfahrungen von Kindern im Alter von 9 bis 16 Jahren in Europa und wiederholte eine Untersuchung von 2010, so dass die Ergebnisse über zehn Jahre verglichen werden können. Teams des EU Kids Online-Netzwerks in den einzelnen Ländern haben dafür zwischen Herbst 2017 und Sommer 2019 insgesamt 25.101 Kinder befragt. In den Vergleich sind auch die Daten aus einer deutschen Repräsentativbefragung eingegangen.

Risikoerfahrungen sind nicht immer negativ

Zu den Risiken, denen Kinder und Jugendliche bei der Internetnutzung begegnen, zählen Cybermobbing, die Rezeption problematischer nutzergenerierter Inhalte,  Datenmissbrauch, exzessive Internetnutzung, Sexting und Treffen mit Online-Bekanntschaften. Die Befunde machen deutlich, dass nicht alle risikobehafteten Medienphänomene zwangsläufig negative Erfahrungen nach sich ziehen. Ein Beispiel hierfür stellt das Treffen mit Online-Kontakten dar. Nur zwischen 5 Prozent (Frankreich) und 25 Prozent (Serbien) der Kinder und Jugendlichen haben sich im letzten Jahr mit jemandem getroffen, den sie im Internet kennengelernt hatten. Für die Mehrheit dieser Kinder (zwischen 52% in der Slowakei und 86% in Rumänien) war das Treffen eine positive Erfahrung. Nur in Ausnahmefällen ist die Begegnung allerdings eine belastende Erfahrung gewesen: Weniger als 5 Prozent der Kinder, die sich mit einer Online-Bekanntschaft verabredet hatten, fanden ein solches Treffen unangenehm.

Fehlende Unterstützung von Lehrern und Fachkräften

Sieben (Slowakei) bis 45 Prozent (Malta) der europäischen Kinder und Jugendlichen haben nach eigener Aussage im letzten Jahr online etwas erlebt, das schlimm oder verstörend für sie war. Die meisten von ihnen gaben an, so etwas sei nur sporadisch, d.h. ein paar Mal im Jahr, vorgekommen. Die meisten haben sich daraufhin ihren Eltern oder Freunden anvertraut. Lehrer oder geschulte Fachkräfte wurden nur selten um Rat gebeten. Darüber hinaus gaben bis zu 25 Prozent der Kinder an, dass sie von Eltern, Lehrern oder Freunden nie oder fast nie Hinweise für eine sichere Online-Nutzung erhalten haben.

Deutsche Kinder scheinen mit Online-Risiken vergleichsweise gut umgehen zu können

„Obwohl die meisten Kinder und Jugendlichen in Deutschland verhältnismäßig häufig das Internet nutzen, ist das Spektrum an Online-Aktivitäten – ähnlich wie bei den italienischen Kindern - vergleichsweise eng. Wenn sie Online-Risiken begegnen, scheinen sie mit diesen gut umgehen zu können, zumindest nehmen die meisten diese Erfahrungen nicht als belastend wahr. Die Befunde verweisen darauf, dass Kinder aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten sich hinsichtlich ihres Risikoverständnisses und ihrer Risikowahrnehmung unterscheiden“, fasst Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut und Koordinator des EU Kids Online-Forschungsverbundes, die Ergebnisse zusammen.

Die Konfrontation mit einem Risiko muss nicht zwangsläufig negative Folgen haben. Dennoch gilt es, insbesondere diejenigen im Blick zu haben, die negative Erfahrungen machen und denen entsprechende Medien- und Bewältigungskompetenzen fehlen. „Kinder benötigen neben verlässlichen Ansprechpartnern verschiedene Medienkompetenzen und Coping-Strategien, die sie flexibel einsetzen können und die ihnen helfen, die Potenziale des Internets zu nutzen und den Herausforderungen im Netz souverän zu begegnen“, so Hasebrink.

Weiterführende Informationen

Der international vergleichende Bericht „EU Kids Online 2020: Survey Results from 19 Countries“ gibt einen Überblick über die Online-Erfahrungen europäischer Kinder und Jugendlicher und zeigt Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern auf. Die Studie wiederholt eine Untersuchung, die bereits 2010 vom EU-Kids-Online-Netzwerk durchgeführt wurde, und erlaubt so einen Vergleich darüber, wie sich die Situation im Laufe der letzten zehn Jahre verändert hat.

Der vollständige englischsprachige Bericht ist unter www.eukidsonline.net verfügbar.

Informationen zum Projekt

EU Kids Online ist ein europäischer Forschungsverbund, an dem mittlerweile mehr als 30 Länder beteiligt sind. Ziel des Netzwerks ist es, eine international vergleichende Datenbasis zur Online-Nutzung von Kindern und Jugendlichen bereitzustellen. Seit seiner Gründung hat sich EU Kids Online als wichtige Quelle für qualitativ hochwertige, unabhängige und umfassende Forschung zur Online-Nutzung von Kindern und Jugendlichen in Europa etabliert. Dabei arbeitet das interdisziplinäre Netzwerk sowohl auf nationaler, europäischer als auch auf internationaler Ebene eng mit verschiedenen Akteuren aus Politik, Medien, Industrie, Pädagogik und Praxis zusammen. Die Ergebnisse und Berichte des Netzwerks finden in politischen Erklärungen Erwähnung und werden immer wieder als Grundlage für die Konzeption von Initiativen für mehr Sicherheit im  Netz herangezogen.

Das Netzwerk wird seit 2014 vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) koordiniert.

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Das Netzwerk bietet Informationen über zwei Websites: eine deutschsprachige, die sich vor allem auf die deutschen Ergebnisse konzentriert (www.eukidsonline.de), und eine englische mit Informationen zum Gesamtprojekt und den international vergleichenden Studien unter www.eukidsonline.net.

Um mehr über EU Kids Online zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook und Twitter (@EUKIDSONLINE).

Weitere Informationen und Kontakt

www.leibniz-hbi.de