Sparverhalten in Corona-Zeiten

Private Haushalte sparen derzeit auf Rekordniveau. Ihre Beweggründe geben Aufschluss darüber, ob und wann mit einer wirtschaftlichen Erholung zu rechnen ist.

01.02.2021 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle · News · Forschungsergebnis

Während der Corona-Krise haben europäische Haushalte so viel Geld zurückgelegt wie noch nie. Eine Analyse des Leibniz-Instituts für Wirt­schaftsforschung Halle (IWH) führt dieses Sparverhalten hauptsäch­lich auf ein eingeschränktes Angebot infolge staatlicher Lockdown-Maßnahmen und nicht auf andere Faktoren wie ökonomische Un­sicherheit zurück. IWH-Präsident Reint Gropp sieht daher Potenzial für eine rasche Wiederbelebung des Konsums und somit eine zügige wirtschaftliche Erholung, sobald der Lockdown aufgehoben wird.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Ersparnisse der Europäer auf ein Rekordniveau gestiegen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ging in einer Studie drei möglichen Ursachen für dieses Sparverhalten nach und fand heraus: Private Haushalte legen ihr Geld vor allem deshalb auf die hohe Kante, weil es kaum Konsummöglichkeiten gibt. Lockdown-Maßnahmen wie Reisebeschrän­kungen, geschlossene Restaurants, Kinos oder Theater sowie fehlende Einkaufs­möglichkeiten im Einzelhandel treiben die Sparquoten der Verbraucher in die Höhe. Hingegen haben erhöhte Unsicherheiten, beispielsweise die Angst, arbeitslos zu werden oder die Sorge, sich mit dem SARS-CoV-2-Erreger zu infizieren, lediglich einen schwachen Einfluss auf die Höhe der Ersparnisse. Gar keinen Effekt auf die Sparquote können IWH-Präsident Reint Gropp und Koautor William McShane nach­weisen für Befürchtungen der Verbraucher, der historische Anstieg der Staats­schulden könnte Steuererhöhungen zur Folge haben, für die Geld zur Seite gelegt werden müsse.

Die Beweggründe der privaten Haushalte, die eigenen Ersparnisse in der Corona-Krise zu erhöhen, geben Aufschluss darüber, wie und wann mit einer Rückkehr der Gesamtnachfrage auf das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie und folglich mit einer wirtschaftlichen Erholung zu rechnen ist, was wiederum tiefgreifende Auswirkungen auf die Regierungspolitik hat. Für die beobachteten Studienergeb­nisse bedeutet das: Sobald die privaten Haushalte nach der Lockerung der Maß­nahmen im Frühjahr/Sommer 2021 wieder in der Lage sein werden, Geld auszu­geben, wird die angestaute Verbrauchernachfrage zu einer Erholung des Konsums führen. Davon werden vor allem die besonders schwer getroffenen Branchen wie der Einzelhandel, die Gastronomie, Veranstalter oder der Tourismus profitieren. Möglicherweise könnte die Nachfrage vorübergehend auf ein Niveau klettern, das die Vorkrisenzahlen sogar übertrifft. Anders sähe es aus, wenn die Haushalte ihre Nachfrage aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten zurückgefahren und vorsorg­lich finanzielle Rücklagen gebildet hätten. Für diesen Fall würde sich der Konsum im Jahr 2021 nur sehr langsam erholen. Auch die Furcht vor Steuererhöhungen infolge schuldenfinanzierter Rettungspakete würde den Konsum erst dann wieder­beleben und die privaten Ersparnisse abschmelzen lassen, wenn die Regierungen ihre Schuldenstände sichtbar reduzierten. In beiden Fällen dauerte der Weg aus der Rezession erheblich länger.

„Unsere Ergebnisse lassen eine optimistische Prognose für die wirtschaftliche Er­holung nach der Corona-Krise zu, zumindest dann, wenn der Lockdown bald endet und nicht verschärft wird“, sagt Gropp. Das Impfen eines hinreichenden Teils der Bevölkerung könne hingegen eine rasche Lockerung der Maßnahmen bewirken und so den Konsum wieder ankurbeln. „Die Haushalte werden im Durchschnitt mit mehr Vermögen aus der Krise hervorgehen, als sie zu Beginn der Krise hatten. Das werten wir als gutes Zeichen dafür, dass die Konsumenten ihr Vertrauen zurückgewinnen. Auf lange Sicht dürfte sich das positiv auf die Finanzstabilität im Allgemeinen aus­wirken“, so die Studienautoren.

Befürchtungen, erhöhte Ausgaben könnten zu einem starken Anstieg der Inflation führen, teilen die IWH-Finanzmarktforscher nicht. Eine unmittelbarere Bedrohung gehe momentan eher von einer Deflation aus, die die privaten Haushalte zusätzlich von Ausgaben abhalten könne. Angesichts der aktuellen Beschränkungen habe die Fiskal- und Geldpolitik wenig Spielraum, eine erhöhte Nachfrage zu generieren.

Für ihre Untersuchung kombinierten die IWH-Wissenschaftler mehrere Datensätze. Die Stichprobe umfasst alle Länder des Euroraums mit mehr als einer Million Ein­wohner. Der beobachtete Zeitraum erstreckt sich von Januar 2019 bis August 2020. Informationen über die monatlichen Spareinlagen der privaten Haushalte sowie Daten zur Gesamtverschuldung der Staaten lieferte das Statistical Data Warehouse der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Lockdown-Maßnahmen der Länder ent­stammen dem Oxford COVID-19 Government Response Tracker (OxCGRT) und die Arbeitslosigkeitserwartungen der Haushalte dem Fragebogen der Verbraucher­umfrage der Europäischen Kommission. Daten zum zweiten Lockdown seit Novem­ber 2020 liegen noch nicht vor und gingen somit nicht in die Analyse sein.

Publikation

Reint E. Gropp, William McShane (2021): Why Are Households Saving so much During the Corona Recession? IWH Policy Notes 1/2021. Halle (Saale) 2021.

Weitere Informationen und Kontakt

www.iwh-halle.de