Trauer um Karl-Heinz Rädler

Die Erforschung kosmischer Magnetfelder war sein Lebenswerk. Im Februar ist der Gründungsdirektor des Leibniz-Instituts für Astrophysik verstorben.

11.05.2020 · Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam · News · Menschen

Karl-Heinz Rädler  (1935 – 2020)

Am 9. Februar 2020 ist Prof. Dr. Karl-Heinz Rädler im 85. Lebensjahr in seinem Haus in Michendorf bei Potsdam verstorben. Mit ihm verliert die astronomische Forschung einen Gelehrten, der mit großer Konsequenz sein Lebenswerk, die Ergründung der Entstehung der großräumigen Magnetfelder im Kosmos, definiert und entwickelt hat – und das Leibniz-Institut für Astrophysik seinen Gründungsdirektor und ersten Wissenschaftlichen Vorstand.

Karl-Heinz Rädler beendete sein Physikstudium an der Universität Leipzig mit einer teils experimentellen, teils theoretischen Diplomarbeit über paramagnetische Resonanz bei Artur Lösche. Während der folgenden Assistenzzeit am Institut für Magnetohydrodynamik der Akademie der Wissenschaften in Jena entstand sein lebenslanges Interesse daran, die Selbsterregung der kosmischen Magnetfelder zu verstehen. Hier gehörte er zu dem kleinen Kreis von Wissenschaftlern um Max Steenbeck, die zuerst die auf der klassischen Physik beruhende Elektrodynamik gemittelter Magnetfelder formulierte. Als ein neues Fachgebiet mathematischer Physik wurden bereits in der ersten Veröffentlichung dieser Gruppe die Maxwell-Gleichungen für flüssige, sich in turbulenter Bewegung befindliche Leiter abgeleitet. Aus dieser Untersuchung ergab sich fast zwangsläufig die Möglichkeit, plausible einheitliche Dynamomodelle der Entstehung der Magnetfelder von Erde und Planeten, der Sterne und Galaxien aufzustellen und zu berechnen, so wie es bis heute mit Hilfe weit verbesserter numerischer Methoden noch immer geschieht.

Die ab 1970 im damaligen Zentralinstitut für Astrophysik in Potsdam fortgesetzten Forschungen haben nicht nur den weiteren Lebensweg von Karl-Heinz Rädler bestimmt, sondern auch das Profil des damaligen Instituts wesentlich geformt und dessen Stellung in der internationalen Wissenschaft gesichert. Bis heute beruhen viele  theoretische, numerische und experimentelle magnetohydrodynamische Untersuchungen auf der im Jahre 1980 gemeinsam mit F. Krause verfassten Monographie „Mean-field magnetohydrodynamics and dynamo theory“.

In der Endzeit der Akademie der Wissenschaften wurde Karl-Heinz Rädler  wegen seiner fachlichen Kompetenz und seines integren demokratischen Verhaltens als Sprecher des Wissenschaftlichen Rates des Zentralinstitutes gewählt, der die zentrale Rolle in der schwierigen Phase der Evaluierung und konzeptionellen Neuaufstellung des Instituts spielte. Als Prof. Rädler schließlich zum Gründungsdirektor des neuen Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP) berufen wurde, fand dies die einhellige Zustimmung der Mitarbeiter.

Prof. Rädler wurde 1992 der erste Wissenschaftliche Vorstand des neuen Institutes und bis zu seiner Pensionierung der Direktor des Bereiches I mit „Kosmischen Magnetfeldern“ als Forschungsschwerpunkt. Den schwierigen und verantwortungsvollen Aufgaben in einer Zeit rascher Entwicklungen und technologischer Fortschritte widmete sich der damals Sechzigjährige mit nie erlahmender Arbeitskraft. Die Beteiligungen des Astrophysikalischen Instituts Potsdam am Large Binocular Telescope in Arizona/USA, den Teleskopen GREGOR und STELLA auf Teneriffa und die Vorbereitungen auf den Start des Röntgensatelliten ABRIXAS fallen in diese Zeit ebenso wie die Bewältigung der Bauvorhaben auf dem Institutsgelände sowie die Herausgeberschaft der ältesten astronomischen Fachzeitschrift der Welt, der „Astronomischen Nachrichten“. Mit besonderer Teilnahme hat er  auch die Planungen des Dynamoexperiments am damaligen Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft verfolgt und gewichtige Beiträge zum Verständnis der Ergebnisse geleistet, die wesentlich den in Jena und Potsdam erzielten Formulierungen entsprachen. Viele Freunde und Kollegen haben sich später anlässlich seines 75. Geburtstages zum „Rädler-Fest“ in Stockholm versammelt, um ihre neuesten Ergebnisse zum Tagungsthema „alpha effect and beyond“ als treffender Zusammenfassung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes vorzustellen.

Prof. Rädler lag neben der Förderung der aktuellen Forschung die Pflege und Bewahrung des aus der 300-jährigen Geschichte der Astronomie in Berlin und Potsdam resultierenden kulturellen Erbes besonders am Herzen. Die Urania Potsdam hat ihm dieses Engagement mit der Verleihung ihres Wilhelm Förster Preises gedankt. Für sein Lebenswerk hat die Astronomische Gesellschaft Prof. Dr.  Rädler im Jahre 2013 ihre höchste Auszeichnung, die Karl-Schwarzschild Medaille, zugedacht.

Günther Rüdiger