Trauma als Gesundheitsrisiko
Schwere psychische Belastungen wie der Tod des eigenen Kindes können sich negativ auf die Lebenserwartung auswirken – vor allem bei Männern.
24.08.2020 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung · News · Forschungsergebnis
Der plötzliche Tod des eigenen Kindes kann die Eltern aus der Bahn werfen. Eine aktuelle RWI-Studie zeigt, dass sich solche psychischen Belastungen auch negativ auf die Lebenserwartung auswirken können – und dass Männer davon stärker betroffen sind als Frauen. Eine mögliche Erklärung können gesundheitsschädliche Verhaltensänderungen wie erhöhter Alkoholkonsum sein. Präventive psychologische Unterstützung zur richtigen Zeit kann Abhilfe schaffen.
Welche Auswirkungen hat ein traumatisches Ereignis auf die Lebenserwartung?
Die Studie untersucht, wie sich schwere psychische Belastungen auf die Lebenserwartung auswirken. Dazu betrachtet sie 1700 Elternteile, die zwischen 1993 und 2005 mit dem plötzlichen Tod ihres Kindes konfrontiert wurden. Das Ergebnis: Vor allem für Väter bedeutet ein derartiges Schicksal ein großes Gesundheitsrisiko. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann innerhalb der ersten 15 Jahre nach dem Tod seines Kindes stirbt, liegt bei rund 15%. Väter, denen ein solcher Trauerfall erspart bleibt, haben im gleichen Zeitraum nur ein rund zehnprozentiges Sterberisiko. Der Tod eines Kindes erhöht also bei Vätern die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 15 Jahren zu sterben, um rund die Hälfte. 13 Jahre nach dem Todesfall ist der Unterschied in der Sterbewahrscheinlichkeit mit rund zwei Dritteln sogar noch etwas größer. Bei Frauen wirkt sich der Tod eines Kindes deutlich weniger auf die Lebenserwartung aus: Bei ihnen liegt die Sterblichkeitsrate 15 Jahre nach dem Todesfall auf dem gleichen Niveau wie bei anderen Müttern. Zwischenzeitlich senkt die psychische Belastung jedoch auch bei ihnen die Lebenserwartung: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau innerhalb der ersten zehn Jahre nach dem Tod ihres Kindes stirbt, liegt bei knapp vier Prozent. Nicht betroffene Mütter haben im gleichen Zeitraum nur ein knapp dreiprozentiges Sterblichkeitsrisiko.
Wie lassen sich die gesunkenen Lebenserwartungen erklären?
Während sich das beobachtete Sterblichkeitsrisiko bei den Müttern nach und nach wieder normalisiert, zeigt die Studie, dass betroffene Väter langfristig ein erhöhtes Sterberisiko aus solch einer psychisch belastenden Situation davontragen. Die Untersuchung legt nahe, dass ein Hauptgrund dafür im gesundheitsschädlichen Verhalten liegt: Männer, deren Kind verstorben ist, sterben häufiger an Krankheiten, die oft durch erhöhten Alkohol- und Tabakkonsum verursacht werden. Zahlen zur Nutzung von psychologischer Unterstützung zeigen zudem, dass Männer in so einem Fall seltener psychologische Unterstützung annehmen.
Kann präventive psychologische Unterstützung Risiken verringern?
Während Frauen früh nach psychologischer Hilfe suchen, begeben sich Männer nicht nur seltener, sondern auch später in Behandlung. Dies könnte an der immer noch vorhandenen gesellschaftlichen Stigmatisierung von psychotherapeutischen Behandlungen für Männer liegen. Dabei zeigt die RWI-Studie, dass sie wirkt: Wer in den ersten drei Monaten nach dem Tod des Kindes psychologische Unterstützung erhält, hat ein substanziell niedrigeres Sterblichkeitsrisiko.
Handlungsempfehlungen
Menschen, die schwere psychische Belastungen wie den Tod eines Kindes erleben, sollten präventiv psychologisch unterstützt werden. Dies könnte schwerwiegende gesundheitliche Folgen verringern.
Vor allem Männer fürchten sich vor dem Stigma einer psychologischen Behandlung. Dadurch kann es langfristig zu noch größeren Problemen kommen. Aufklärungskampagnen könnten dabei helfen, Berührungsängste abzubauen.