Zwanzig Jahre Röntgenauge im All

Vor 20 Jahren startete XMM-Newton ins All. Mehrere neue Kataloge bündeln alle Röntgenquellen, die das Weltraumteleskop bis dato entdeckt hat.

20.01.2020 · Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam · News · Forschungsergebnis

Zu Beginn des Jahrtausends begann das Weltraumteleskop XMM-Newton der Europäischen
Weltraumorganisation seine Beobachtungen. Anlässlich des 20. Jahrestages veröffentlichten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Astrophysik
Potsdam (AIP) neue Kataloge aller mit XMM-Newton entdeckten Röntgenquellen.

Das Weltraumteleskop XMM-Newton startete am 10. Dezember 1999 erfolgreich von Kourou in
Französisch-Guayana ins All und zeichnet seit dem 19. Januar 2000 Daten auf. Das europäische
Konsortium XMM-Newton Survey Science Centre (XMM-SSC) gab nun neue mit modernster Kalibrierung
und Software aufbereitete Kataloge heraus, die alle Röntgendetektionen seit dem Start enthalten. Das
AIP ist seit Beginn Mitglied dieses Konsortiums, steuert die Software zur Suche nach den
Röntgenobjekten bei und produziert federführend einen der Kataloge.

XMM-Newton hat insgesamt 810.795 Röntgenquellen in Einzelbeobachtungen detektiert. Die meisten
davon sind Neuentdeckungen und oft von unbekannter, aber unterschiedlicher Natur. Da einige
Regionen des Himmels mehrfach beobachtet wurden, ergeben sich über 550.000 einzelne
Himmelsobjekte.

Bei den meisten Objekten handelt es sich um supermassereiche Schwarze Löcher, die zwischen einer
Million und einer Milliarde mal schwerer sind als unsere Sonne, und von denen sich jedes im Zentrum
seiner eigenen Galaxie befindet. XMM-Newton erfasst mit seinem Röntgenauge die Materie, die um diese
unsichtbaren Objekte herumwirbelt, bis sie den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erreicht – jene
Grenze ohne Wiederkehr, an der nicht einmal Licht dem Sog des Schwarzen Lochs entkommen kann.
Andere im Katalog enthaltene Objekte sind Sterne, Galaxienhaufen, Kometen oder Supernovae.

Axel Schwope, Projektleiter am AIP, erklärt begeistert: „Mit Röntgenaugen entdecken wir den Teil des
Universums, der durch extrem energetische Prozesse und extrem hohe Temperaturen dominiert und für
unsere Augen unsichtbar ist. Es ist faszinierend zu erleben, dass selbst nach 20 Jahren im All XMMNewton Tag für Tag erstklassige Beobachtungsdaten für alle möglichen Bereiche der Astrophysik liefert.“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AIP erstellten darüber hinaus einen weiteren Katalog
mit Informationen aus sich überschneidenden Beobachtungen. Eine speziell für diesen Zweck
entwickelte Software ermöglicht es, auch schwache Quellen in mehrfach beobachteten
Himmelsbereichen zu erkennen. Dadurch erhöht sich die Anzahl der entdeckten Röntgenquellen. Zudem
lässt sich nachvollziehen, ob und wie Objekte im Laufe der Zeit ihre Helligkeit verändern.

„Die Untersuchung von Objekten über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren gewährt uns einen
großartigen Einblick in ihre Natur. Helligkeitsänderungen im Röntgenlicht lassen beispielsweise
Rückschlüsse darauf zu, wie völlig unterschiedliche Objekte Materie aus ihrer Umgebung aufsammeln.
Sie können von Sternen stammen, die in der Nähe Schwarzer Löcher zerrissen werden, und sind teilweise
noch nicht verstanden“, erklärt Iris Traulsen, Wissenschaftlerin am AIP und zuständig für den Katalog.

Die Kataloge ermöglichen Astronominnen und Astronomen, hochenergetische Objekte zu untersuchen,
die für uns Menschen oft nicht sichtbar sind. Die bisher von XMM-Newton sehr detailliert durchmusterte
Himmelsfläche entspricht etwa dem 6000-fachen der Fläche des Vollmondes, was immer noch nur ein
Vierzigstel des gesamten Himmels ist. Röntgenbeobachtungen helfen in allen Teilen der Astrophysik,
hochenergetische Prozesse zu entdecken und zu verstehen: von den Bedingungen in der Umgebung
extrasolarer Planeten über die Entwicklung von Sternen, Schwarzen Löchern und Galaxien bis hin zur
Untersuchung von heißem Gas in Galaxienhaufen und großen Strukturen im Universum.

Weitere Informationen und Kontakt

www.aip.de