ERC Grant für Leibniz-Physiker

Die Forschungsgruppe „Modellexperimente“ in ihrem Labor am IKZ.
Foto KASPERS DADZIS/IZK

Kaspars Dadzis vom IKZ erhält den renommmierten „Proof of Concept Grant“ des Europäischen Forschungsrats. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er neuartige Lehrmittel, die die Kristallzüchtung einer breiten Öffentlichkeit näherbringen sollen.

05/24/2023 · News · Leibniz-Institut für Kristallzüchtung · Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften · Menschen

Zum ersten Mal geht ein renommierter Proof of Concept Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) an einen Wissenschaftler im Forschungsverbund Berlin e.V. Das Projekt „Hands-on Materials Science for Education“ (HANDSOME) von Dr. Kaspars Dadzis am Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) erhält 150.000 Euro für die Entwicklung leicht verfügbarer Lehrmittel für die Materialwissenschaft. Das neue Projekt baut auf dem ERC Starting Grant auf, mit dem Dadzis und sein Team seit 2020 einen neuen Ansatz zur Modellierung von Kristallzüchtungsprozessen entwickeln.

Kristalline Materialien sind für das moderne Leben unabdingbar. Kristallzüchtungsprozesse für neuartige Materialien weiterzuentwickeln, ist nach wie vor eine wichtige Herausforderung in der Materialwissenschaft und im Ingenieurwesen. Außerhalb spezialisierter Forschungskreise und Unternehmen ist die Kristallzüchtung jedoch nach wie vor ein wenig bekanntes Thema. Selbst in der akademischen Welt, wo Kristalle von Forschenden für eine Vielzahl von Zwecken genutzt werden, ist das Bewusstsein für die faszinierende Wissenschaft, die hinter der Herstellung von kristallinen Materialien steht, gering. Mit dem HANDSOME-Projekt wollen Dadzis und sein Team die Kristallzüchtung der breiten Öffentlichkeit näherbringen und die Integration dieses Themas in den unterschiedlichsten Bildungsbereichen unterstützen. „Wir möchten das Bewusstsein für die Herausforderungen und Perspektiven der modernen Materialwissenschaft schärfen und mehr junge Talente für das spannende Feld der Kristallzüchtung begeistern“, so Dadzis.

Ein wichtiger Meilenstein des Projekts ist die Entwicklung eines neuartigen praxisnahen Versuchsaufbaus zur Demonstration des sogenannten Czochralski-Verfahrens. Diese in der Industrie weit verbreitete Technologie wird z. B. bei der Herstellung von Siliziumkristallen für Computerchips eingesetzt. Der Grundgedanke des HANDSOME-Demonstrationskits ist es, dass bei sorgfältiger Konzeption des Prozesses die physikalischen Phänomene, die die Züchtung von Siliziumkristallen bei Temperaturen von über 1400 °C in hochentwickelten Öfen unter Vakuum bestimmen, im Wesentlichen die gleichen sind wie bei Zinnkristallen, die bei etwa 230°C auf einer Kochplatte an Raumluft gezüchtet werden. Messungen und Beobachtungen mit Zinn durchzuführen, ist jedoch deutlich einfacher, günstiger und sicherer, was für leicht verfügbare Lehrmittel sehr nützlich ist. Anhand praktischer Experimente mit Zinn als Modellmaterial lassen sich physikalische Phänomene wie Energieübertragung, Flüssigkeitsströmung, Schmelzen und Erstarren darstellen - Aspekte, die sowohl im Physikunterricht als auch im täglichen Leben eine Rolle spielen.

Seit er 2020 die Forschungsgruppe „Modellexperimente“ gegründet hat, zu der auch ein eigenes Forschungslabor gehört, sind einfache Tischexperimente fester Bestandteil von Dadzis' Arbeit am IKZ. Diese Experimente dienen als Vorstufe für die Versuchsaufbauten, mit denen er und sein Team umfangreiche Daten zu Kristallzüchtungsprozessen sammeln. Auf Basis dieser Messdaten entwickeln sie eine neue Generation von Kristallzüchtungssimulationen, bei denen die zugrundeliegenden Modellierungsannahmen nicht nur postuliert, sondern rigoros validiert werden. Die beiden Doktoranden des Teams, Arved Wintzer und Iason Tsiapkinis, arbeiten an Simulationen für verschiedene moderne Züchtungstechniken mit einem breiten Spektrum an physikalischen Phänomenen – vom Wärme- und Stofftransport in der Schmelze bis hin zu Spannungen in den Kristallen. Dr. Sepehr Foroushani entwickelt neuartige Messtechniken, zum Beispiel zur Überwachung und Optimierung der Energieeffizienz von Züchtungsanlagen.

In dem neuen Projekt wird ein robuster und modularer Tisch-Aufbau mit kostengünstigen Komponenten entwickelt, der in erster Linie für Lehrzwecke bestimmt ist. Ein Alleinstellungsmerkmal des HANDSOME-Kits wird der Open Science-Ansatz sein: für den gesamten Versuchsaufbau inklusive Prozesssteuerung und Messtechnik werden ausschließlich frei verfügbare Hardware-Komponenten sowie Open Source-Software verwendet. Das Projektteam geht davon aus, dass dieses neuartige Lehrmittel für verschiedene Schulen, für naturwissenschaftliche und technische Lehrveranstaltungen an Universitäten, aber auch für Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit geeignet sein wird. Verschiedene Institutionen haben bereits ihr Interesse bekundet, mit dem IKZ-Team bei der Entwicklung des Kits zusammenzuarbeiten und die Prototypen in ihre Bildungsaktivitäten zu integrieren.

Die ERC-Förderlinie Proof of Concept (PoC)

Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat die 66 Empfänger der ersten Runde der diesjährigen Ausschreibung zum Proof of Concept Grant-bekannt gegeben. Diese Förderung ist Teil des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizon Europe“.  Von der Entwicklung einer neuen Methode zur Detektion von Weltraummüll über die Vorstellung eines künstlichen Bodens zur Bestimmung des Nährstoffbedarfs von Pflanzen bis hin zur Entwicklung einer kostengünstigen und zuverlässigen Methode zur Erkennung von Eierstockkrebs - das PoC-Programm unterstützt Forschende der unterschiedlichsten Disziplinen. Die Forscher nutzen diese Art der Finanzierung, um die Praxistauglichkeit wissenschaftlicher Konzepte zu prüfen, Geschäftsmöglichkeiten zu erkunden oder Patentanmeldungen vorzubereiten.  Das PoC-Förderprogramm wendet sich ausschließlich an Forschende, die bereits vom ERC gefördert werden oder wurden. Die Förderung dient dazu, das Innovationspotenzial der Erkenntnisse zu erkunden, die im Rahmen eines Starting, Consolidator, Advanced oder Synergy Grant-Projekts gewonnen wurden.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung (IKZ)