Kleinspecht gesucht!

Kleinspecht an Baumstamm
Foto DARIUSZ GROSA/PEXELS

Die schwarz-weiße Spechtart lebt unauffällig in Laubbäumen. Um an verlässliche Bestandszahlen für Hessen und Bayern zu kommen, setzt ein neues Forschungsprojekt auf die Mithilfe von Bürgerinnen und Bürgern.

01/26/2022 · News · Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung · Lebenswissenschaften · Projekte

Um die aktuelle Bestandssituation des Kleinspechts in Hessen und Bayern besser einschätzen zu können, sammelt die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung gemeinsam mit dem bayerischen Naturschutzverband LBV und mit der finanziellen Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Forschungsprojekt „Kleiner Specht – große Rolle“ Daten zur Verbreitung, zu den Lebensräumen und zu dem Brutverhalten dieses nur spatzengroßen Vogels. Hierbei wird Unterstützung aus der Bevölkerung benötigt – interessierte Bürger*innen können sich für die Projektteilnahme anmelden.

Schwarz-, Grün- oder Buntspecht: Keine andere Vogelgruppe steht so sehr für naturnahe Wälder wie die Spechte. Doch nur wenige kennen den kleinsten heimischen Vertreter dieser Vogelfamilie: den Kleinspecht (Dryobates minor). Der schwarz-weiße Specht lebt unauffällig in den Kronen von Laubbäumen und gilt bezüglich seiner Erfassung als eine schwierige Vogelart. „Für Hessen liegen kaum verlässliche Zahlen zu den Beständen vor, allerdings gibt es Anzeichen für einen Rückgang des Kleinspechts“, erläutert Dr. Kerstin Höntsch, Kleinspechtexpertin und Leiterin des Forschungsprojektes „Kleiner Specht – große Rolle“ bei Senckenberg. Sie fährt fort: „Wir möchten bis Ende 2023 Daten zum Vorkommen des Kleinspechts in Hessen und Bayern erheben, auswerten und so Hinweise auf Gründe des Rückgangs der Art finden.“ Im Anschluss möchten die Forschenden Maßnahmen erarbeiten, wie der Kleinspecht, sein Lebensraum und seine Nahrungsgrundlage in Zukunft gefördert werden können. Denn: In den von ihm bevorzugten Ökosystemen – alte Streuobstwiesen, strukturreiche Auwälder und Feldgehölze – nimmt der Vogel eine wichtige Schlüsselrolle für viele weitere Höhlenbewohner ein.

Bei der Suche nach dem Kleinspecht setzen die Forschenden von Anfang an auch auf die Mithilfe von Bürgerwissenschaftler*innen: Im vergangenen Frühjahr haben hessenweit 24 und in Bayern 42 Bürgerwissenschaftler*innen bereits nach Kleinspechten gesucht. Ein Drittel der Hobby-Spechtforscher*innen hat dabei Kleinspechte entlang ihrer selbst gewählten Kartierrouten beobachtet. Zudem wurden neun Bruthöhlen gefunden und untersucht. „Ein Blick in das Innere der Höhlen mit einer speziellen Kamera hat gezeigt, dass die Kleinspechte im letzten Jahr von der unbeständigen Witterung im Frühling wohl beeinträchtigt waren und ihre Eier später als üblich gelegt haben“, berichtet Höntsch. Eine Bruthöhle wurde, vermutlich aufgrund sehr ungünstiger Witterungsbedingungen, von den Elternvögeln aufgegeben. Eine weitere Kleinspecht-Bruthöhle wurde von Buntspechten geplündert, eine andere von der größeren Spechtart als eigene Bruthöhle ausgebaut. Seit längerem wird von Forschenden beobachtet, dass der Buntspecht dem Kleinspecht in der Fortpflanzungsphase gefährlich werden kann. „Für die Aufzucht seiner eigenen Jungen bedient sich der Buntspecht oftmals bei den Nestern anderer Höhlenbewohner, wie eben Kleinspecht oder auch Meisen. Ob sich dieses Verhalten auf die Bestände des Kleinspechts auswirken kann, ist eine der Forschungsfragen unseres Projekts“, so die Kleinspechtexpertin und weiter: „Es gibt aber auch gute Nachrichten: Sechs Bruten waren erfolgreich und mindestens 17 Jungvögel sind ausgeflogen!“

Je mehr Daten gesammelt werden, desto aussagekräftiger sind diese. Senckenberg ruft deshalb Naturinteressierte dazu auf, bei der Erfassung des Kleinspechts in den nächsten Jahren mitzuhelfen. Für die Teilnahme am Projekt sind Vorkenntnisse in der Bestimmung von Spechten hilfreich, aber nicht erforderlich. „In einer Online-Schulung Mitte Februar vermitteln wir den Projektmitarbeitenden das nötige Wissen. Voraussetzungen sind ein Fernglas, von Februar bis Mai etwas Zeit während der Morgenstunden und natürlich die Faszination für unsere heimische Natur“, so Höntsch. Zum Start der Kartierungen erhalten die „Citizen Scientists“ einen kleinen, tragbaren Lautsprecher, der über das Smartphone akustische Lockrufe abspielt. Diese sogenannten Klangattrappen werden in der Wissenschaft eingesetzt, um schwer zu erfassende Tierarten leichter aufspüren zu können.

Senckenbergerin Höntsch hofft auf eine große Beteiligung: „Nur durch gemeinsames Forschen mit der Unterstützung von ehrenamtlichen Bürgerwissenschaftler*innen ist es möglich, hessenweit Daten zu sammeln und so verlässliche wissenschaftliche Aussagen zum Kleinspecht zu treffen!“

Das Projekt „Kleiner Specht – große Rolle“ unter der Leitung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung findet in Kooperation mit dem bayerischen Naturschutzverband LBV, der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) statt. Wissenschaftlich begleitet wird es von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Bayerischen Naturschutzfonds gefördert.

Weitere Informationen und Kontakt

www.senckenberg.de