Austerität schadet der Wirtschaft

Sparen angesichts hoher Staatsverschuldung hilft nicht, sagen Forschende – und verweisen auf die ökonomischen Folgen von Heinrich Brünings Austeritätspolitik in den 1930er Jahren.

21.06.2022 · News · DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Angesichts der aktuell hohen Staatsverschuldung in Teilen Europas als Folge der Corona-Pandemie wird von vielen Seiten derzeit die Wiedereinsetzung der Maastricht-Kriterien gefordert. Doch Austeritätspolitik schadet der Wirtschaft – schon in den 1930er Jahren. Erstmals konnten ForscherInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) anhand neu konstruierter Daten die Auswirkungen der deutschen Austeritätspolitik in den Jahren 1930 bis 1932 quantifizieren.

Die DIW-ÖkonomInnen Stephanie Ettmeier und Alexander Kriwoluzky haben anhand eines neu erstellten Datensatzes mit monatlichen Staatseinnahmen und Staatsausgaben der Weimarer Republik und einer neu konstruierten Austeritätsschockreihe untersucht, wie die Sparpolitik auf Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit wirkte. Der sogenannte „Hungerkanzler“ Heinrich Brüning hatte in seiner Amtszeit als Reichskanzler der Weimarer Republik angesichts hoher Staatsverschuldung und steigender Arbeitslosigkeit fünf Notverordnungen zwischen Sommer 1930 und Dezember 1931 erlassen, die die Staatsausgaben um 20 Prozent schrumpfen ließen. Allerdings hat dies die ohnehin schon schwache Wirtschaftsleistung in Summe um zusätzlich 4,5 Prozent (gemessen am BIP des Referenzjahres 1932) geschmälert und die Zahl der Arbeitslosen zwischen Januar und Juli 1932 um 3,3 Millionen steigen lassen. Das entspricht neun Prozent der damaligen erwerbstätigen Bevölkerung.

Austeritätspolitik schadet mehr als sie nutzt

„Dass Sparpolitik in hochverschuldeten Staaten kontraproduktiv ist, haben schon Studien zur Euroschuldenkrise belegen können. Nun können wir auch zeigen, dass dies schon zu Beginn der 1930er Jahre die Wirtschaft geschwächt hat. Staaten können sich nicht einfach aus Rezessionen heraussparen“, fasst Studienautorin Stephanie Ettmeier zusammen. Brünings Austeritätspolitik hat wohl auch der NSDAP zusätzlich viele Wähler in die Arme getrieben. Die NSDAP hatte gegen die Sparmaßnahmen Front gemacht und nicht allein, aber vermutlich auch deswegen große Wahlerfolge erzielen können. Von der Wahl im September 1930 bis zur Wahl im Juli 1932, also nur zwei Monate nach dem Rücktritt Brünings, verdoppelte sich ihr Stimmanteil von 18 auf 37 Prozent.  

„Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Sparpolitik in der Regel mehr schadet als nutzt, sollte jetzt sorgfältig abgewogen werden, wie zielführend eine Austeritätspolitik wäre, um die aktuellen Schuldenstände in EU-Staaten abzubauen“, empfiehlt Studienautor Alexander Kriwoluzky.

Publikation

Stephanie Ettmeier, Alexander Kriwoluzky (2022): Austeritätspolitik der Ära Brüning hat den Wirtschaftseinbruch verstärkt und die Arbeitslosigkeit erhöht, in: DIW-Wochenbericht 24 / 2022, S. 345-350. 

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Pressemitteilung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung