Chancenmonitor 2023

Schultische mit hochgestellten Stühlen
Foto GIULIA SQUILLACE

Ob ein Kind aufs Gymnasium geht oder nicht, ist noch immer eine Frage des familären Hintergrunds.

20.04.2023 · HP-Topnews · ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Die Unterschiede in den Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben ein gewaltiges Ausmaß: Je nach dem familiären Hintergrund der Eltern beträgt die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, zwischen einem Fünftel und vier Fünfteln. Das ist das Ergebnis des neuen ifo-„Ein Herz für Kinder“- Chancenmonitors. Er wurde am 18. April gemeinsam mit der BILD Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ in Anwesenheit der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Berlin vorgestellt. „Die entscheidenden Faktoren für die Bildungschancen von Kindern in Deutschland sind Bildung und Einkommen der Eltern. Weniger bedeutend ist ein Migrationshintergrund“ sagt Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, liegt bei einem Kind mit einem alleinerziehenden Elternteil ohne Abitur aus dem untersten Einkommensviertel und mit Migrationshintergrund bei 21,5 Prozent. Im Gegensatz dazu liegt sie bei 80,3 Prozent, wenn das Kind mit zwei Elternteilen mit Abitur aus dem obersten Einkommensviertel und ohne Migrationshintergrund aufwächst.

Allein bei der Betrachtung der Bildung der Eltern ergeben sich schon große Unterschiede: Der Gymnasialbesuch der Kinder steigt von 28,2 Prozent bei Kindern, deren Eltern kein Abitur haben, über 57,9 Prozent bei einem Elternteil mit Abitur auf 75,3 Prozent, wenn beide Elternteile ein Abitur haben. Unterschiede zeigen sich zudem bei der Erwerbstätigkeit der Eltern. Insgesamt liegt die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, bei Mädchen bei 44,9 Prozent und damit um 6,9 Prozentpunkte höher als bei Jungen (38 Prozent). Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern finden sich in ähnlicher Größenordnung unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder.

„Das große Ausmaß der Ungleichheit der Bildungschancen ist nicht unumstößlich. Politische Maßnahmen sollten Kinder aus benachteiligten Verhältnissen gezielt fördern, etwa durch kostenfreie Nachhilfe- und Mentoring-Programme“, sagt Wößmann. Zudem sei es wichtig, besonders qualifizierte Lehrkräfte für Schulen mit vielen benachteiligten Kindern zu gewinnen. Höhere Gehälter seien ein mögliches Mittel, um die Arbeit an diesen Schulen attraktiver zu machen. Auch sollte der Besuch frühkindlicher Bildungseinrichtungen für benachteiligte Familien flächendeckend kostenfrei sein. Bei der Suche nach einem Kitaplatz sollten sie gezielt unterstützt werden.

Die Datenbasis des Chancenmonitors ist der aktuelle Mikrozensus 2019. Für eine Stichprobe von über 50.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren liefert sie Informationen über den Gymnasialbesuch und den familiären Hintergrund. Der familiäre Hintergrund bildet sich anhand von vier Merkmalen ab: Anzahl der Eltern mit Abitur, Haushaltsnettoeinkommen, Migrationshintergrund der Eltern und Alleinerziehenden-Status der Eltern.

Studie

Der ifo-„Ein Herz für Kinder“-Chancenmonitor. Wie (un-)gerecht sind die Bildungschancen von Kindern aus verschiedenen Familien in Deutschland verteilt?“, von Ludger Wößmann, Florian Schoner, Vera Freundl und Franziska Pfaehler, in: ifo Schnelldienst 4/2023.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Ifo Instituts - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München