Familienleben im Corona-Lockdown
Eine Studie untersucht das Familienleben im Frühjahr 2020. Sie zeigt: Wenn Eltern ihren Kindern bestimmte Entscheidungsspielräume überlassen, verbessert sich das Wohlbefinden der ganzen Familie.
19.01.2021 · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation · News · Forschungsergebnis
In der familienintensiven Zeit während des coronabedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 konnte ein Erziehungsstil, der die Autonomie der Kinder unterstützt, zum Wohlbefinden der Eltern und Kinder beitragen. Zu diesem Befund gelangt eine Studie von Dr. Andreas Neubauer und weiteren DIPF-Forscher*innen, zu der jetzt in der Fachzeitschrift Child Development ein Artikel erschienen ist. Demnach könnten bereits kleine, wenig aufwändige Verhaltensentscheidungen der Eltern im täglichen Leben das Familienklima positiv beeinflussen.
Neubauer, Erstautor des Artikels, und seine Kolleg*innen hatten untersucht, inwieweit sich am Anfang der COVID-19-Pandemie in Deutschland das Verhalten der Eltern auf ihr eigenes Wohlbefinden und das der Kinder ausgewirkt hat. „Besonders gut gefahren sind Eltern, die ihren Kindern Entscheidungsspielräume innerhalb bestimmter Grenzen überlassen haben“, unterstreicht Neubauer. „Unsere Daten zeigen, dass es den Kindern damit besser gegangen ist und dass die Eltern ebenfalls ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen konnten.“
Die Resultate der Studie bestätigten die Beobachtung, dass die gemeinsamen täglichen Erfahrungen – seien sie harmonisch oder auch konflikthaft – das Wohlbefinden von Eltern und Kindern beeinflussen. Auch umgekehrt wirkte sich das Wohlbefinden der Eltern auf ihr weiteres Verhalten aus. Diese Effekte verstärkten sich sogar mit der Zeit: Auf Tage mit höherer Bedürfniserfüllung der Eltern folgte ein stärkeres autonomie-unterstützendes Verhalten und umgekehrt.
Für die Studie hatten zunächst 970 Personen einen Online-Fragebogen ausgefüllt. 562 Eltern wurden im April 2020 zudem über einen Zeitraum von drei Wochen täglich zu ihrem Verhalten als Eltern, ihrer eigenen Bedürfnisbefriedigung und dem Wohlbefinden ihrer Kinder befragt. Teilgenommen hatten insbesondere Mütter mit höherem Bildungsgrad und Eltern aus einem eher wohlhabenden Milieu. Die Aussagekraft der Studie sei darum zunächst auf diese spezielle Situation im April und vor allem auf den teilnehmenden Personenkreis begrenzt, betont Neubauer. Aussagen etwa für Familien in Risikolagen ließen sich daraus nicht ableiten, ebenso wenig wie Vorhersagen für die Zeit des Lockdowns über den Jahreswechsel 2020/2021, so der DIPF-Psychologe weiter. „Einige der von uns befragten Eltern hatten die besondere Phase im April als eine Bereicherung für ihr Familienleben empfunden. Erste Eindrücke aus einer späteren Befragung des gleichen Personenkreises im November 2020 legen aber nahe, dass sich die Wahrnehmung der Eltern seitdem verändert hat.“
Der jetzt vorliegende Aufsatz ist im Rahmen des Forschungsprojekts „Psychologische Anpassung an die Covid-19-Pandemie“ (PACO) entstanden. Das Projekt untersucht die Auswirkungen des Lockdowns und nicht zuletzt auch die Belastungen, die in Familien etwa durch Schul- und Kitaschließungen entstanden sind. Weitere Veröffentlichungen im Rahmen von PACO sind geplant, etwa zu den konkreten Auswirkungen des Homeschooling auf die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern.
Publikation
Neubauer, A. B., Schmidt, A., Kramer, A. C., & Schmiedek, F. (2021). A little autonomy support goes a long way: Daily autonomy-supportive parenting, child well-being, parental need fulfillment, and change in child, family, and parent adjustment across the adaptation to the COVID-19 pandemic. Child Development.