Gesundheitsrisiko Mineralstaub

Staubsturm mit Vögeln
Foto ARTIN BAKHAN/UNSPLASH

In vielen Regionen der Welt sind Menschen Staubstürmen ausgesetzt. Wie sich diese gesundheitlich auswirken, untersucht ein neues Projekt unter Beteiligung von vier Leibniz-Instituten.

12.07.2022 · News · Leibniz-Institut für Troposphärenforschung · Umweltwissenschaften · Projekte

Millionen Menschen sind weltweit den Auswirkungen von Staubstürmen ausgesetzt. Mineralstäube können Atemwegserkrankungen verursachen. Wenig bekannt ist aber über die Zusammenhänge zwischen den chemischen und physikalischen Eigenschaften des Staubes und den Mikroben, die über den Staub in die Lungen gelangen können. Das Leibniz-Projekt DUSTRISK will diese Wissenslücken schließen und helfen, die Gesundheitsrisiken zu verringern. Vier Leibniz-Institute aus Deutschland, die Universität der Inselrepublik Cabo Verde und weitere Partner kombinieren dazu ihre Expertise. Das Projekt wird im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs im Förderprogramm "Kooperative Exzellenz" bis 2023 gefördert. Am 12./13. Juli 2022 treffen sich die Forschenden, um den Zwischenstand zu diskutieren.

Die Verschmutzung durch Mineralstaub ist ein wachsendes globales Gesundheitsproblem. Sie beeinträchtigt das Leben von Millionen von Menschen im sogenannten "Staubgürtel" (von Afrika über den Nahen Osten bis nach Asien) sowie in Australien, den USA und Europa. Die Ausbreitung von Trockengebieten und Wüsten, die auch auf den Klimawandel zurückzuführen ist, lässt einen Anstieg der Mineralstaub-Emissionen erwarten. Mineralstaub besteht aus in der Atmosphäre schwebenden Bodenpartikeln mit unterschiedlicher chemischer und mikrobieller Zusammensetzung, die durch Winderosion auf trockenen Oberflächen entstehen. Bei Staubstürmen werden diese Partikel über weite Strecken transportiert, was zu einer grenzüberschreitenden Verschmutzung führt, die die Luftqualität auch in Regionen weit entfernt von den Schadstoffquellen beeinträchtigt. Die mit dem Staub transportierten Mikroben können die Ausbreitung von Krankheiten fördern und die lokalen einheimischen mikrobiellen Gemeinschaften dort verändern, wo der Staub zu Boden geht.

Mineralstaub wird mit einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen und Erkrankungen sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate in Verbindung gebracht. Internationale Studien rechneten 2010 mit etwa 330.000 Todesfällen pro Jahr als Folge von Mineralstaub und erwarten weiter steigende Zahlen. „Die Mechanismen, die für die meisten Krankheiten verantwortlich sind, sind jedoch noch nicht gut verstanden. Um das zu ändern, werden viele Daten benötigt. Seit 2007 untersuchen wir den Saharastaub auf Cabo Verde im tropischen Atlantik. Diese Langzeitdaten könnten helfen, die Zusammenhänge aufzuklären“, erklärt Projektleiter Dr. Khanneh Wadinga Fomba vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS). „Ein weiteres Problem ist, dass die Vorschriften zur Luftqualität in vielen Ländern auf der Partikelmasse beruhen, aber die Zusammensetzung des Staubs und die damit verbundenen Auswirkungen nicht berücksichtigen“, ergänzt Prof. Hartmut Herrmann, Leiter der Atmosphärenchemie am TROPOS. Daher ist es wichtig, die Zusammenhänge zwischen Mineralstaub und seinen gesundheitlichen Auswirkungen zu verstehen, um die Gesundheitsrisiken von Atemwegserkrankungen wie Asthma, Rhinitis oder Lungenentzündung zu reduzieren.

Das Projekt DUSTRISK ("A risk index for health effects of mineral dust and associated Microbes") untersucht deshalb die schädlichen Aspekte von Mineralstäuben in Kombination mit anhaftenden Mikroben. Ziel ist es, atmosphärische, klinische, epidemiologische, toxikologische und mikrobiologische Studien zu kombinieren und auch die Zusammensetzung der Stäube einzubeziehen. Dazu hat sich unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) ein breites Konsortium verschiedenster Fachbereiche gebildet: Atmosphärenforschung (TROPOS), Öffentliche Gesundheit (Instituto Nacional de Saúde Pública (INSP)/ Nationales Institut für öffentliche Gesundheit), Toxikologie (IUF – Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung), Mikrobiologie (Leibniz-Institut DSMZ), Biophysik (FZB/Forschungszentrum Borstel,  Leibniz Lungenzentrum) und Medizin (Kliniken von Cabo Verde). Inzwischen beteiligen sich auch Universitäten aus Deutschland (Freie Universität Berlin), den USA (Pennstate University) und Portugal (Universidade de Aveiro).

Im Frühjahr 2021 und 2022 fanden während der Staubsaison umfangreiche Messungen statt in und um Praia, der Hauptstadt der Republik Cabo Verde. Die Proben werden jetzt auf ihre mikrobiologische und chemische Zusammensetzung untersucht, um Ähnlichkeiten zwischen Staub-Quellen und -Senken besser zu verstehen.

Trägt der Staub krankheitserregende Bakterien und Pilze in sich? Und tragen die Mikroorganismen im Staub zu seiner Toxizität bei? "Wahrscheinlich sind die gesundheitlichen Auswirkungen des Staubs zum Teil auf enthaltene Mikroorganismen zurückzuführen", sagt Prof. Dr. Ulrich Nübel vom Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen – in Braunschweig, wo die Mikroben aus Staubproben bakteriologisch und molekularbiologisch identifiziert werden.

„Nur wenn Mikroben mit dem Staub wechselwirken, können sie mit ihm über weite Strecken transportiert werden“, sagt Prof. Dr. Thomas Gutsmann vom Forschungszentrum Borstel. Dort untersuchen Physiker die Art und Stärke der Bindungen zwischen Staub und Mikroben.

Wie toxisch die Partikel sind, steht im Mittelpunkt der Arbeiten des IUF – Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung: „Dazu untersuchen wir, inwiefern die vielfältigen auf Cabo Verde gesammelten Staubproben Entzündungsprozesse auslösen, die mit Lungenerkrankungen verbunden sind“, sagt Dr. Roel Schins vom IUF. Mit fortschrittlichen Zellkulturmodellen der menschlichen Lunge sollen mikrobielle und chemische Komponenten der Staubproben identifiziert werden, die besonders zur Toxizität beitragen.

Mit Hilfe des atmosphärischen Chemie- und Transportmodells (COSMO-MUSCAT) wollen Forschende von TROPOS zum Verständnis der Staubtransports beitragen und die Vorhersagen verbessern.

Welche gesundheitlichen Folgen können mit diesen Partikeln in Verbindung gebracht werden? Diese Fragestellung untersucht die Universidade de Cabo Verde (Uni-CVV) zusammen mit Kliniken in der Inselrepublik und dem Instituto Nacional de Saúde Pública (INSP). Dazu werden epidemiologische und klinische Daten von Patientinnen und Patienten ausgewertet.

Das Projekt läuft bis Juni 2024. Am 12./13. Juli 2022 treffen sich die Forschenden am IUF – Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf zur Datenauswertung und um in einem Workshop den Zwischenstand zu diskutieren.

Am Ende der umfangreichen Arbeiten soll ein Staub-Gesundheitsrisiko-Index stehen. Dieser ist ein Kommunikationsinstrument, mit dem die Öffentlichkeit darüber informiert wird, wie sie sich vor den kurzfristigen gesundheitlichen Auswirkungen der Staubbelastung schützen kann. Der Index soll vom Nationalen Institut für Meteorologie und Geophysik der Cabo Verde (INMG) eingesetzt werden. Er könnte Teil der täglichen Wettervorhersage werden, insbesondere während der Staubperiode. Die Behörden erhoffen sich davon ein stärkeres Bewusstsein für die Risiken aus Luftverschmutzung und Staubstürmen. Wie wichtig diese Pionierarbeit ist, haben auch jüngste Staubereignisse gezeigt als im März 2022 Saharastaub weite Teile Südwest-Europas rot färbte und bis in Deutschland zu sehen war.

Zum Projekt

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)