Mikroben helfen gestressten Pflanzen
Wetterextreme führen auch in Europa zunehmend zu Ernteeinbußen. Mikroorganismen könnten helfen, Weizenpflanzen widerstandsfähiger zu machen.
05.12.2023 · News · Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung · Umweltwissenschaften · Forschungsergebnis
Im von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Verbundvorhaben VolCorn unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) hat ein Forschungsteam grundlegende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Weizenpflanzen im Zusammenspiel mit Mikroorganismen in Pflanze und Boden auf Stressfaktoren wie Trockenheit, Überflutung oder Schädlinge reagieren. Die Erkenntnisse sind wichtig für die Züchtung widerstandfähigerer Sorten und das generelle Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Mikroorganismen.
Die Landwirtschaft in Europa ist zunehmend von Wetterextremen betroffen, die zu Ertragseinbußen führen. Im Jahr 2018 beliefen sich die Schäden allein in Deutschland auf rund 770 Millionen Euro. Weizenpflanzen widerstandsfähiger gegen diese Belastungen zu machen, könnte einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der globalen Nahrungsmittelproduktion leisten.
Seit 2019 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vier außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Projekt VolCorn aus ganz unterschiedlichen Perspektiven untersucht, wie Weizenpflanzen und die sie besiedelnden Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien auf durch Wetterextreme hervorgerufene Stressfaktoren wie Trockenheit, Überschwemmungen oder Schädlinge reagieren. Dahinter steht die Annahme, dass die sogenannte Mikrobiota, also die Gemeinschaft von Mikroorganismen in und um die Pflanze, für diese ähnlich bedeutsam ist, wie Mikroorganismen für das Immunsystem des menschlichen Körpers. Ein besseres Verständnis über die Wechselwirkungen ist also zentral, um Pflanzen besser auf diese Stresssituationen vorzubereiten.
Eine Schlüsselrolle bei der Abwehr dieser Stressfaktoren spielen flüchtige Substanzen, so genannte VOC, die von der Pflanze produziert werden und die sie auch für die „Kommunikation“ mit der Mikrobiota nutzt. Mit modernen Ansätzen haben die Forschenden diese komplexen Zusammenhänge entschlüsselt. Dafür wurden Veränderungen im Pflanzenstoffwechsel untersucht und gleichzeitig die Veränderungen der Mikrobiota mittels systembiologischer Verfahren erfasst.
Mikroorganismen können bei Klimastress helfen
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Überschwemmungen und Dürren nicht nur generell das Wachstum und den Ertrag des Weizens verringern, sondern sich auch die Mikrobiota in den Wurzeln und Blättern verändern. Insbesondere in den frühen Wachstumsphasen siedeln sich mehr krankheitserregende Mikroben an. Die Folge: betroffene Pflanzen werden unter diesen Stressbedingungen anfälliger für Krankheiten.
Zur Überraschung der Forschenden reichern sich bei Überflutung aber auch nützliche Bakterien im Wurzelraum an, die die Nährstoffaufnahme und die Vitaminversorgung der Pflanze fördern. Die Pflanze selbst stellt zeitgleich ihren Stoffwechsel massiv um. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Aminosäure Alanin dabei eine zentrale Rolle spielt, um in den gestressten Pflanzen die Stickstoffversorgung und den Stoffwechsel aufrecht zu halten. „Vermutlich stellt die veränderte Mikrobiota dann verstärkt unterstützende Vitamine zur Verfügung, um den geschwächten Weizen-Stoffwechsel im Wurzelraum zu unterstützen“, erklärt der Projektkoordinator Steffen Kolb vom ZALF.
Der Befall mit Schädlingen beeinflusst die Bildung von VOC der Weizenpflanze, die auf diese Form von Stress mit einer Abwehrreaktion reagiert. Dabei führte das Projekt auch zur Entwicklung eines neuen Werkzeugs zur Datenanalyse komplexer Mischungen verschiedener VOC mittels Massenspektrometrie, die Folge-Untersuchungen beschleunigen wird.
Neue Erkenntnisse helfen der Züchtung und der landwirtschaftlichen Praxis
„Wir hoffen, dass wir Mikroben und deren pflanzenförderliche Eigenschaften in Zukunft gezielt anreichern können und so Weizenpflanzen widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel machen können, z. B. gegen Überflutungsstress“, so Kolb. In der Pflanzenzüchtung wird beispielsweise schon an Zuchtprogrammen für Kulturpflanzen gearbeitet, die die Besiedlung mit unterstützenden Mikroorganismen aus dem umliegenden Boden fördern. Ein weiteres Beispiel ist die Übertragung von stresslindernden Mikroorganismen auf Weizenpflanzen.
„Die Erkenntnisse aus dem vielschichtigen Antwortverhalten der Weizenpflanze und ihrer Mikrobiota sind für die Züchtung klimaresistenter Weizensorten von großer Bedeutung und werden neue Wege zu einem systematischen Management der Mikroorganismen in der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion eröffnen. Allerdings ist aufgrund der komplexen Zusammenhänge noch weitere experimentelle Forschung notwendig“, so der Projektkoordinator.
Weitere Informationen und Kontakt
Pressemitteilung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)