Mittelschweres Schwarzes Loch entdeckt

Bild ESA/Hubble & NASA, M. HÄBERLE (MPIA)

Extrem schnelle Sterne in Omega Centauri zeigen: Im Zentrum des Sternhaufens befindet sich ein Schwarzes Loch.

11.07.2024 · HP-Topnews · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam · Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften · Forschungsergebnis

Neu entdeckte, extrem schnelle Sterne in Omega Centauri zeigen, dass sich im Zentrum des Sternhaufens ein Schwarzes Loch befindet. Mit mindestens 8200 Sonnenmassen ist es das erste bisher zuverlässig beobachtete Schwarze Loch mittlerer Masse. Der Fund bestätigt zudem, dass Omega Centauri der Kern einer Zwerggalaxie ist, die vor Milliarden von Jahren von der Milchstraße verschluckt wurde. Ohne seine äußeren Sterne hat sich der Galaxienkern seither kaum weiterentwickelt. Die Studie wurde in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Omega Centauri ist eine kugelförmige Ansammlung von etwa zehn Millionen Sternen, die in südlichen Breitengraden als Fleck am Nachthimmel sichtbar ist. Der Sternhaufen erscheint mit kleinen Teleskopen beobachtet zum Zentrum hin so dicht, dass es unmöglich wird, einzelne Sterne zu unterscheiden. Jetzt bestätigt eine neue Studie unter der Leitung von Maximilian Häberle vom Max-Planck-Institut für Astronomie und mit Beteiligung von Dr. Nikolay Kacharov, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), was Astronominnen und Astronomen schon lange vermutet hatten: Omega Centauri enthält ein zentrales Schwarzes Loch. Mit seiner Masse stellt es eine Art "fehlendes Bindeglied" zwischen den leichten stellaren Schwarzen Löchern und den riesigen supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren großer Galaxien dar.

Das heutige Bild der Galaxienentwicklung geht davon aus, dass die frühesten Galaxien zentrale Schwarze Löcher mittlerer Größe besaßen. Im Laufe der Zeit wuchsen die Galaxien durch Verschmelzung mit größeren Galaxien oder indem sie sich kleinere Galaxien einverleibten. Dabei gewannen auch ihre Schwarzen Löcher an Masse. Deshalb ist es sehr schwierig, Schwarze Löcher mittlerer Masse im heutigen Universum zu finden. Galaxien wie unsere Milchstraße sind längst „ausgewachsen“ und enthalten deutlich massereichere zentrale Schwarze Löcher. Die kleineren Zwerggalaxien hingegen sind im Allgemeinen schwer zu beobachten. Der Nachweis Schwarzer Löcher in ihren Zentren gestaltete sich mit den bisherigen Technologien als problematisch. Es gab zwar vielversprechende Kandidaten, aber noch keinen definitiven Nachweis eines mittelschweren Schwarzen Lochs.

Omega Centauri ist daher etwas ganz Besonderes. Als Kern einer ehemalig eigenständigen Zwerggalaxie, die mit der Milchstraße verschmolz und dabei alle Sterne außer jenen der Kernregion verlor, ist Omega Centauri eine Art Momentaufnahme der Galaxienevolution. Mit dem Verlust der äußeren Sterne kam ihre Entwicklung abrupt zum Stillstand und das Schwarze Loch in ihrem Zentrum hatte keine Möglichkeit mehr, zu wachsen.

Hinweise auf ein zentrales Schwarzes Loch in Omega Centauri gab es bisher aus großräumigen Modellen der Bewegung der Sterne in dem Haufen, doch sie ließen Raum für Zweifel. Ein neues Forschungsprojekt von Nadine Neumeyer, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Astronomie, und Anil Seth von der Universität Utah zur Untersuchung der Sternbewegungen sollte zu einem besseren Verständnis der Entstehungsgeschichte von Omega Centauri beitragen und ein mögliches Schwarzes Loch aufspüren, idealerweise durch Sterne im Zentrum, die sich besonders schnell bewegen.

Nikolay Kacharov, einer der Ko-Initiatoren des Projekts, erklärt: „Wir hatten erwartet, dass wir eine umfassende dynamische Modellierung der 3D-Bewegung von Hunderttausenden von Sternen durchführen müssen, damit wir eventuell die kaum bemerkbaren Gravitationsauswirkungen eines mittelschweren Schwarzen Lochs aufzeigen können. Es ist schwierig, schnell bewegte Sterne in der Nähe der dunklen Masse zu finden - sie könnten gar nicht existieren oder zu schwach sein, um entdeckt zu werden."

Maximilian Häberle, Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, machte sich dennoch auf die Suche nach schnellen Sternen und erstellte dazu den bisher vollständigsten Katalog für die Bewegungen der Sterne in Omega Centauri. Anhand von über 500 Archivbildern des Weltraumteleskops Hubble bestimmte er die Geschwindigkeiten von 1,4 Millionen Sternen. Er entdeckte dabei sieben Sterne mit hohen Geschwindigkeiten und unterschiedlichen Bewegungsrichtungen in der zentralen Region. Diese lassen nur eine Erklärung zu: Der Sternhaufen Omega Centauri enthält in seinem Zentrum tatsächlich ein Schwarzes Loch mit mindestens 8200 Sonnenmassen. Damit liefert Häberle den bislang sichersten Beweis für die Existenz solcher mittelschwerer Schwarzer Löcher als fehlendes Bindeglied zwischen stellaren und supermassereichen Schwarzen Löchern. Mit einer Entfernung von etwa 18.000 Lichtjahren ist es sogar das uns nächstgelegene massereiche Schwarze Loch, 9000 Lichtjahre näher als das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.

Originalveröffentlichung

M. Häberle et al. 2024: „ Fast-moving stars around an intermediate-mass black hole in ω Centauri”, Nature, https://www.nature.com/articles/s41586-024-07511-z, DOI:10.1038/s41586-024-07511-z

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Insituts für Astrophysik Potsdam (AIP)