Neuer Pilz, neue Wirkstoffe

Vier im Moos liegende Pilze
Foto NORBERT ARNOLD/IPB

Eine in Chile entdeckte Pilzart eröffnet neues medizinisches Potenzial: Forschende konnten eine krebshemmende und antibakterielle Wirkung nachweisen.

11.11.2024 · News · Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie · Lebenswissenschaften · Forschungsergebnis

IPB-Wissenschaftler/innen haben jüngst im chilenischen Nahuelbuta-Nationalpark eine neue Pilz-Art entdeckt. Der offizielle Artname lautet Cortinarius steglichii N. Arnold, Palfner, Peintner, Huymann – eine Namensgebung, die zu Ehren des bekannten Chemikers und Pilzexperten Prof. Wolfgang Steglich erfolgte. Steglich war 1994 Mitglied im ersten Wissenschaftlichen Beirat des Instituts und hat nicht nur in dieser Funktion, sondern auch als kompetenter Kooperationspartner die Geschicke des Instituts viele Jahre mit begleitet und gestaltet.

Die Gattung Cortinarius, auch als Schleierlinge bezeichnet, ist mit etwa 6000 Arten eine der artenreichsten Gattungen in der Abteilung der Ständerpilze. Ihre Vertreter leben stets in enger Vergesellschaftung mit Gehölzen und sind weltweit verbreitet. Cortinarius steglichii war den Hallenser Experten auf ihren umfangreichen Pilzexkursionen durch die chilenischen Mischwälder aufgefallen, weil sein Fruchtkörper eine auffällige violett-schwarze Farbreaktion zeigte, wenn er mit Kalilauge beträufelt wurde. Das war ein wichtiger Hinweis, dass es sich um eine neue Art handeln könnte.

In vielen weiteren Analysen wurde diese Vermutung bestätigt. Neben einer genauen morphologischen und mikroskopischen Beschreibung des Pilzes, lieferten die Hallenser Wissenschaftler auch eine systematische Einordnung der neuen Art ins Reich der Pilze. Jener Inhaltsstoff, der sich mit Kalilauge schwarz färbt, erwies sich als eine bisher unbekannte diterpenoide Substanz, deren chemische Struktur von den Pilzexperten vollständig aufgeklärt werden konnte.

Die mit Steglichon bezeichnete Verbindung entpuppte sich als stark wirkendes Antibiotikum gegen Bacillus subtilis. Diese Bazillenart wird in der Pharmakologie wegen seiner starken Empfindlichkeit gegenüber allen möglichen Antibiotika als Test-Organismus eingesetzt, um bestimmte Substanzen oder Substanzgemische auf das Vorhandensein von antimikrobiellen Wirkstoffen zu überprüfen. Das ist vor allem deshalb relevant, da Bacillus subtilis als grampositives Bakterium über eine Zellwand verfügt und damit über eine ähnliche Schutzbarriere wie die Erreger von Milzbrand, Diphterie, Lungenentzündung und einigen weiteren Krankheiten. Eine antibiotische Wirkung auf Bacillus subtilis kann also erste Hinweise darauf geben, ob die getestete Substanz auch das Potenzial besitzt, andere (krankmachende) grampositive Bakterien abzutöten. Steglichon und seine Derivate könnten demnach über ein solches antibakterielles Potenzial verfügen und eignen sich daher für die Erforschung und Entwicklung von neuen Antibiotika.

Noch bemerkenswerter ist die krebshemmende Wirkung von Steglichon. Anhand von Zellkulturen konnten die Hallenser Wissenschaftler nachweisen, dass Steglichon schon in geringer Dosis das Wachstum von menschlichen Brust-, Darm- und Prostatakrebszelllinien hemmt und die entarteten Zellen auch aktiv abtötet. Ob diese zytotoxische Wirkung spezifisch für Krebszellen ist, muss jedoch noch in weiteren Tests herausgefunden werden. Aufgrund seiner großen Aktivität könnten vertiefende Studien über die Wirkungsweise des Antitumorwirkstoffs dennoch lohnenswert sein, so das Fazit der Wissenschaftler. Bisher kennt man etwa 260 Cortinarius-Arten in Chile und Argentinien. Ihr chemisches Arsenal an potenziellen Wirkstoffen ist jedoch noch weitgehend unerforscht.

Originalpublikation

Yen T. H. Lam, Lea Schmitz, Lesley Huymann, Dipendu Dhar, Ibrahim Morgan, Robert Rennert, Mehdi D. Davari, Ursula Peintner, Götz Palfner & Norbert Arnold. Cortinarius steglichii: a taxonomical and chemical novelty from Chile. Mycological Progress (2024) 23:55, https://doi.org/10.1007/s11557-024-01983-z

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB)