Rüsselspitzengefühl entschlüsselt

Zwei Elefanten, die sich mit ihren Rüsseln berühren
Foto COCOPARISIENNE/PEXELS

Elefanten verfügen über ein erstaunliches Bewegungsarsenal in Gesicht, Ohren und Rüssel. Ermöglicht wird dies durch ihre Hirnstruktur, die besonders viele Nervenzellen enthält.

15.11.2022 · News · Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung · Lebenswissenschaften · Forschungsergebnis

Elefanten verfügen über ein erstaunliches Arsenal der Bewegung in Gesicht, Ohren und Rüssel. Der Rüssel besteht aus weit mehr Muskeln als der gesamte menschliche Körper und kann sowohl kräftige als auch sehr filigrane Bewegungen ausführen. Ein Wissenschaftsteam der Humboldt-Universität zu Berlin und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchten nun den Gesichtskern (facial nucleus) Afrikanischer und Asiatischer Elefanten, jener Hirnstruktur welche die Gesichtsmuskulatur der Tiere kontrolliert. Dieser enthalte mehr Nervenzellen als bei allen anderen auf dem Land lebenden Säugetieren, erläutern sie in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Science Advances“. Afrikanische Elefanten wiesen zudem besonders markante Nervenzellhäufungen für die Kontrolle der Rüssel-„Finger“ auf.

Der Elefantenrüssel ist ein einzigartiges Organ. Zum einen ist der Rüssel sehr muskulös und stark und besteht aus weit mehr Muskeln als der gesamte menschliche Körper. Zum andern ist der Rüssel hochempfindlich und geschickt. Tatsächlich erinnert die Art und Weise, wie Elefanten ihren Rüssel nutzen, an die menschliche Hand. Lena Kaufmann und Kollegen im Labor von Michael Brecht an der HU Berlin und die Arbeitsgruppe von Thomas Hildebrandt am Leibniz-IZW untersuchten und beschrieben nun erstmals detailliert den sogenannten Gesichtskern der Elefanten ­– jener Hirnstruktur, die für die Steuerung und Kontrolle der Gesichtsmuskulatur der Elefanten, von den Ohren bis zur Rüsselspitze, verantwortlich ist.

„Der Gesichtskern der Elefanten ist einzigartig, und enthält mehr Nervenzellen als in allen anderen auf dem Land lebenden Säugetieren“, sagt Erstautorin Lena Kaufmann von der HU Berlin. Die Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zählten circa 54.000 Nervenzellen im Gesichtskern von Asiatischen Elefanten (Elephas maximus), bei ihren afrikanischen Verwandten (Loxodonta africana) sind es sogar rund 63.000. Das Team führte die noch höhere Zahl der sogenannten „facial nucleus neurons“ bei Afrikanische Elefanten auf deren größere Ohren und ausgefeiltere Rüsselspitze zurück. „Afrikanische Elefanten ergreifen Objekte mit den zwei sogenannten Rüsselfingern an der Spitze des Rüssels“, sagt Thomas Hildebrandt vom Leibniz-IZW. „Diese Art des Zangengriffs erfordert viel Fingerspitzengefühl. Passend dazu gibt es im Hirn afrikanischer Elefanten markante Nervenzellhaufen für die Fingerspitzenkontrolle.“ Asiatische Elefanten haben dagegen nur einen Rüsselfinger und umwickeln Objekte mit dem Rüssel; bei den asiatischen Elefanten ist auch die neuronale Fingerspitzenkontrolle durch das Gehirn weniger markant.

„Der Gesichtskern der Elefanten ist eine höchst ungewöhnliche Hirnstruktur“, sagt Michael Brecht. ‚Es ist nicht nur die große Zahl von Nervenzellen. Wir sehen Größenunterschiede von Nervenzellen entlang der Rüsselrepräsentation, die wir in anderen Säugern nicht beobachten. Wahrscheinlich ergibt sich die Notwendigkeit von Riesennervenzellen in Elefanten wegen der meterlangen Rüsselverkabelung.“

Publikation

Kaufmann LV, Schneeweiß U, Maier E, Hildebrandt TB, Brecht M (2022): Elephant facial motor control, in: Science Advances, Vol 8, Issue 43.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)