Schnüffeln für die Wissenschaft
Um auch kleine, versteckt lebende Arten zu schützen, ist es wichtig zu wissen, wo sie noch vorkommen. Helfen können speziell ausgebildete Hunde, die seltene Tiere und Pflanzen effektiv aufspüren.
03.03.2021 · Lebenswissenschaften · Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung · News · Forschungsergebnis
So lässt sich häufig nur schwer herausfinden, wo genau einzelnen Arten noch vorkommen und wie sich ihre Bestände entwickeln. Speziell ausgebildete Artenspürhunde können in solchen Fällen eine wertvolle Hilfe sein, wie eine neue Übersicht zeigt. Mithilfe der vierbeinigen Helfer lassen sich die gesuchten Arten meist schneller und effektiver finden als mit anderen Methoden, berichten Dr. Annegret Grimm-Seyfarth und Wiebke Harms vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Dr. Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wilditerforschung (Leibniz-IZW) im Fachjournal „Methods in Ecology and Evolution“.
Wie viele Fischotter gibt es noch in Deutschland? Welche Lebensräume nutzen die bedrohten Kammmolche an Land? Und haben Großstadt-Igel mit anderen Problemen zu kämpfen als ihre Artgenossen in der Provinz? „Wer die betreffenden Arten effektiv schützen will, sollte solche Fragen beantworten können. Doch das ist keineswegs einfach. Denn viele Tiere führen ein heimliches Leben im Verborgenen, und ihre Spuren, insbesondere ihre Hinterlassenschaften, sind häufig schwer zu entdecken“, erklärt Evolutionsökologin Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW. Oft ist deshalb unklar, ob und in welchem Tempo Bestände schrumpfen oder wo die letzten Refugien der Überlebenden sind. „Wir müssen dringend mehr über diese Arten wissen“, sagt Dr. Annegret Grimm-Seyfarth vom UFZ. „Aber dazu müssen wir sie erst einmal finden.“
Wenn es darum geht, offene Landschaften zu kartieren oder größere Tiere nachzuweisen, kann die Fernerkundung mit Luft- und Satellitenbildern weiterhelfen. Bei dicht bewachsenen Gebieten und kleineren, versteckt lebenden Arten dagegen machen sich Fachleute traditionell selbst auf die Suche oder arbeiten mit Kameras, Haarfallen und ähnlichen Tricks. In letzter Zeit stoßen weitere Techniken wie die Analyse winziger Erbgut-Spuren weltweit auf ansteigendes Interesse. Und gerade dafür kann der Einsatz speziell trainierter Spürhunde sehr nützlich sein. Denn der Geruchssinn eines Hundes ist geradezu prädestiniert dafür, kleinste Spuren der gesuchten Arten in der Natur zu finden. Während Menschen ungefähr sechs Millionen Geruchsrezeptoren besitzen, kann ein Hütehund auf mehr als 200 Millionen, ein Beagle sogar auf 300 Millionen davon zurückgreifen. Damit können Hunde extrem viele unterschiedliche Gerüche in oft winzigsten Konzentrationen wahrnehmen. Problemlos finden sie zum Beispiel den Kot von Tieren in einem Wald oder Pflanzen, Pilze und Tiere unter der Erde.
Am UFZ und am Leibniz-IZW haben die vierbeinigen Helfer ihre Talente schon in mehreren Forschungsprojekten bewiesen. „Um ihr Potenzial besser einschätzen zu können, wollten wir wissen, welche Erfahrungen es weltweit mit Artenspürhunden gibt“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. Zusammen mit UFZ-Mitarbeiterin Wiebke Harms und Dr. Anne Berger Leibniz-IZW in Berlin hat sie 1220 Publikationen ausgewertet, die Einsätze solcher Suchhunde in mehr als 60 Ländern dokumentierten. „Uns hat vor allem interessiert, welche Hunderassen dabei zum Einsatz kamen, welche Arten sie aufspüren sollten und wie gut sie dabei abschnitten“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Die längsten Erfahrungen mit den vierbeinigen Fahndern gibt es demnach in Neuseeland, wo Hunde schon um 1890 bedrohten Vögeln auf der Spur waren. Seither ist die Idee in vielen anderen Regionen, insbesondere in Nordamerika und Europa, aufgegriffen worden. Dabei konzentrierten sich die Einsätze vor allem auf das Finden von Tieren, ihren Behausungen, Spuren und Hinterlassenschaften. Mehr als 400 Tierarten standen dabei im Fokus, am häufigsten Säugetiere aus den Familien der Katzen-, Hunde-, Bären- und Marderartigen. Doch auch Vögel und Insekten standen auf den Fahndungslisten. Dazu kamen 42 Pflanzen-, 26 Pilz- und 6 Bakterienarten. Nicht immer handelte es sich um bedrohte Spezies. Mitunter erschnüffelten die Hunde auch Schädlinge wie Borkenkäfer oder invasive Pflanzen wie Staudenknöterich oder Ambrosia.
„Im Prinzip können alle Hunderassen für solche Aufgaben ausgebildet werden“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. „Nur ist das bei manchen aufwendiger als bei anderen.“ Pinscher oder Schnauzer zum Beispiel werden mittlerweile eher als Begleithunde gezüchtet und zeigen daher oft nicht so viel Motivation für das Aufspüren von Arten. Und Terrier neigen dazu, gefundene Tiere auch gleich zu schnappen – was nicht erwünscht ist. Vorstehhunde wie Pointer und Setter wurden eigens dafür gezüchtet, Wild zu finden und anzuzeigen, es aber nicht zu jagen. Deshalb werden diese Rassen in Nordamerika, Großbritannien und Skandinavien gern in Forschungs- und Naturschutzprojekten eingesetzt, um bodenbrütende Vögel wie Schnee- und Auerhühner aufzuspüren. Auch Retriever und Hütehunde verfügen über Qualitäten, die sie zu sehr guten Helfern bei der Artenfahndung machen. So sind sie sehr lernwillig und leicht zu motivieren, arbeiten gern mit Menschen zusammen und haben in der Regel keinen ausgeprägten Jagdtrieb. Daher gehören auch Labrador Retriever, Border Collies und Deutsche Schäferhunde zu den beliebtesten Forschungshelfern weltweit.
Annegret Grimm-Seyfarths Border Collie „Zammy“ lernte schon als Welpe, die Losung von Fischottern aufzuspüren. Das ist ein wertvoller Beitrag zur Forschung. Denn dieser Kot kann genetisch untersucht werden um herauszufinden, von welchem Individuum er stammt, wie stark dieses mit anderen Artgenossen verwandt ist und was es gefressen hat. Nur sind diese verräterischen Spuren selbst für erfahrene Fachleute nicht so leicht zu finden, vor allem kleine und dunkel gefärbte Losungen werden leicht übersehen. Hunde dagegen erschnuppern unterschiedslos auch noch die unscheinbarste Hinterlassenschaft. In einer früheren UFZ-Studie fanden sie viermal mehr Losungen als menschliche Fahnder. Und dass Zammy inzwischen parallel auch noch nach Kammmolchen sucht, macht seinen Einsatz noch lohnender.
Ähnlich gute Erfahrungen machten der Übersichtsstudie zufolge auch viele andere Teams rund um die Welt: In fast 90 Prozent der Fälle arbeiteten die Hunde deutlich effektiver als andere Nachweismethoden. Im Vergleich zu Kamerafallen entdeckten sie zwischen 3,7- und 4,7-mal mehr Schwarzbären, Fischermarder und Rotluchse. Zudem kommen sie häufig besonders schnell zum Ziel. „Sie können in kürzester Zeit eine einzige Pflanze auf einem Fußballfeld finden“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. Und sie sind in der Lage, unterirdische Pflanzenteile zu entdecken.
Es gibt aber auch Fälle, in denen der Einsatz von Spürhunden nicht die Methode der Wahl ist. Nashörner zum Beispiel hinterlassen ihre großen Kothaufen deutlich sichtbar auf Wegen, so dass Menschen diese auch leicht alleine finden können. Und Tierarten, die verwilderte Hunde als Feinde kennen, werden in vierbeiniger Begleitung eher in die Flucht geschlagen als gefunden zu werden.
„In den meisten Fällen, in denen die Hunde nicht so gut abschnitten, lag das an mangelhaftem Training“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. Eine sehr gute Ausbildung des Tieres ist in ihren Augen das wichtigste Erfolgsrezept für den Einsatz von Artenspürhunden. „Wenn dann noch der richtige Hund ausgewählt wird, genug über die Zielart bekannt ist und die Studie entsprechend konzipiert wurde, kann das eine hervorragende Nachweismethode sein.“ Daher planen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen bereits weitere Einsätze für die nützlichen Schnüffler. Demnächst sollen sich die Tiere in einem neuen Projekt auf die Spur von invasiven Pflanzenarten setzen.
Publikation
Annegret Grimm-Seyfarth, Wiebke Harms, Anne Berger:
Detection dogs in nature conservation: A database on their worldwide deployment with a review on breeds used and their performance compared to other methods. Methods in Ecology and Evolution (2021), DOI: 10.1111/2041-210X.13560.
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