Todesangst und Tangotee

Das Germanische Nationalmuseum beleuchtet den Mythos Davos – in einer Ausstellung und einer Digital Story.

21.06.2021 · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · Germanisches Nationalmuseum · HP-Topnews · Forschungsergebnis · Projekte

Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg | Bis 3. Oktober 2021

Davos ist seit mehr als 150 Jahren ein symbolischer Ort, ein Kristallisationspunkt europäischer Kulturgeschichte und politischer Entwicklungen. Nirgendwo sonst verdichteten sich Hoffnungen und Sehnsüchte, Ängste und Bedrohungen des späten 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts in vergleichbarer Form.

Erstmals ist Davos Thema einer umfangreichen Ausstellung. Der Ort steht exemplarisch für die Komplexität und Zerrissenheit der Moderne und macht europäische Kulturgeschichte sichtbar. Sieben Ausstellungskapitel ziehen Verbindungslinien zwischen Medizin- und Kurgeschichte, Architektur, Wintersport, Kunst und Literatur, Philosophie und Politik. Mit mehr als 200 Exponaten, u.a. 45 Meisterwerke von Ernst Ludwig Kirchner, die zu den bedeutendsten seiner Davoser Jahre zählen, eröffnen sie einen neuen Blick auf das kulturelle Leben Europas zur Zeit der Jahrhundertwende.

Die Allgegenwart gesundheitlicher Gefahren führte damals wie heute zu einem Gefühl der Dauerkrise. Gleichzeitig nährte der medizinisch-technologische Fortschritt den Wunsch nach einem langen, gesunden Leben. Die Hochgebirgsluft versprach Heilung von der Infektionskrankheit Tuberkulose, die Jahr für Jahr zigtausend Menschen dahinraffte. Davos erkannte seine Chance und wandelte sich seit 1870 in kürzester Zeit vom abgelegenen Bergdorf zum international renommierten Lungenkurort. Gleichzeitig begriff man das neue Potential des Sports und baute systematisch das bis heute gültige Image einer Wintersport-Destination auf. Davos gelang es immer wieder, sich neu zu erfinden.

In Davos traf sich, was Rang und Namen hatte: Ernst Ludwig Kirchner, Katia und Thomas Mann, Arthur Conan Doyle, der Erfinder von Sherlock Holmes, aber auch Robert Louis Stevenson, Albert Einstein oder Sonja Henie, die erfolgreichste Eiskunstläuferin aller Zeiten. Die Ausstellung erzählt ihre Geschichten – die tragischen wie die erfolgreichen. Der Expressionist Ernst Ludwig Kirchner beispielsweise suchte die Idylle und kehrte der Metropole Berlin den Rücken, um für immer in Davos zu bleiben. Seine Bilder feiern die Alpenwelt als paradiesischen Ort des friedlichen Miteinanders. Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ (1924) dagegen begreift Davos als Sinnbild für die Träume und die Katastrophen Europas.

Zu den Exponaten zählen zahlreiche Highlights aus den Beständen des Kirchner Museum Davos, dem Kooperationspartner dieser Ausstellung. Weitere, zum Teil erstmals zu sehende Leihgaben stammen aus dem Heimatmuseum und dem Sportmuseum Davos, der Medizinhistorischen Sammlung Davos und der Dokumentationsbibliothek Davos. Daneben dokumentieren die Original-Tagebücher, Notizen und Fotografien aus dem Thomas-Mann- Archiv der ETH Zürich eindrucksvoll die Geschichte von Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, der sämtliche Themenschwerpunkte und Einzelaspekte vertiefend erläutert.

Wer sich nicht nach Nürnberg aufmachen möchte, reist per Digital Story ins Davos vergangener Zeiten: In sieben Kapiteln, mit interaktiven Elementen und großzügigen Bildern, lassen sich die Geschichten über Kunst, Literatur, Philosophie, Wintersport, Politik und Kuralltag in Davos auch gemütlich von zu Hause aus entdecken.

Zur Digital Story

Weitere Informationen und Kontakt

www.gnm.de