Wie regionale Faktoren mit dem Erfolg der AfD zusammenhängen

Templin, durch eine Glaskugel gesehen
Foto GUVO59/PIXABAY

Überalterung, Bildungsniveau, Zukunftssorgen: Vor allem in Ostdeutschland ist die Migration nicht die wichtigste Erklärung für die Stärke der AfD.

26.07.2024 · News · DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Die in Teilen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) und das neu gegründete Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) erzielen vor allem in Regionen mit negativen Strukturmerkmalen Wahlerfolge: Die populistischen Parteien sind im Osten besonders in überalterten Kreisen und solchen mit niedrigem Bildungsniveau stark. Im Westen schneiden sie zusätzlich in Regionen mit niedrigen Einkommen und solchen mit vielen Beschäftigen in der Industrie, deren Jobs von zunehmender Automatisierung bedroht sind, besser ab. Über diese negativen Strukturmerkmale hinaus hängt in westdeutschen Kreisen auch ein hoher Anteil an Menschen ohne deutschen Pass mit der Zustimmung zu AfD und BSW zusammen. Das sind die Kernergebnisse einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

„Unsere Analyse zeigt, dass Migration als Erklärung für die Stärke von AfD und BSW bei der Europawahl 2024 viel zu kurz greift. Die Demografie – dort, wo viele junge, gut ausgebildete Menschen abwandern – ist vor allem für Ostdeutschland ein deutlich wichtigerer Faktor für die unterschiedlichen Ergebnisse in den Kreisen“, so DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Nötig sind Zukunftsinvestitionen, die die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von strukturschwachen Regionen verbessern. Außerdem braucht es eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die gerade strukturschwächere und demografisch schnell alternde Regionen besser unterstützt“, betont Alexander S. Kritikos, wissenschaftliches Mitglied im Vorstand des DIW Berlin.

Kreise mit sehr negativen Strukturmerkmalen tendieren eher zur AfD als zum BSW

Für die Untersuchung haben die Forschenden die Ergebnisse der Europawahl 2024 mit Strukturdaten von insgesamt 382 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland verknüpft. Dafür verwendeten sie insgesamt acht Variablen, die die ökonomische Situation (gemessen am verfügbaren Haushaltseinkommen und der Jugendarbeitslosigkeit), die strukturelle Wirtschaftslage (gemessen etwa am Anteil der Jobs in der Industrie), die Demografie (gemessen am Alter der Bevölkerung und der Abiturquote an allen Absolvent*innen) sowie die Zuwanderung (gemessen etwa am Anteil der Ausländer*innen) beschreiben.

Für das Wahlergebnis der AfD spielen nahezu alle untersuchten Strukturmerkmale eine Rolle, wobei in ostdeutschen Kreisen nur die Überalterung und das Bildungsniveau relevant sind. Für das BSW sind vor allem niedrige Einkommen, hohe Zuwanderung und Überalterung entscheidend, in Ostdeutschland wiederum nur letzteres. Allerdings ist das Bündnis nicht überall dort erfolgreich, wo die AfD gute Ergebnisse erzielt: Regionen mit besonders negativen Strukturmerkmalen tendieren eher zur AfD.

Zukunftsinvestitionen in strukturschwache Regionen nötig

Im Vergleich zur Europawahl 2019 ist in Deutschland die Zustimmung zu populistischen Parteien um elf Prozentpunkte gestiegen. Dass sich die ungleichen wirtschaftlichen, strukturellen und demografischen Bedingungen in den Kreisen seitdem nicht verbessert haben, sehen die Studienautor*innen als Hauptgrund für den Stimmenzuwachs an. „Die Politik muss mehr tun, um möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland zu schaffen und Chancen für abgehängte Regionen zu eröffnen“, so Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie im DIW Berlin und Co-Autor der Studie.

Weitere Informationen und Kontakt

Studie im DIW Wochenbericht 30/2024

Pressemitteilung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung