Altern wie eine Fledermaus: ERC Synergy Grant für Leibniz-Forscher

Portrait Michael Hiller
Foto SVEN TRÄNKNER/SENCKENBERG GESELLSCHAFT FÜR NATURFORSCHUNG

Fledermäuse können sehr alt werden, ohne zu erkranken. Wie ihnen dies gelingt, erforscht der Genomiker Michael Hiller. Nun erhält sein Projekt 12 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat.

26.10.2023 · News · Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung · Lebenswissenschaften · Menschen

Krankheiten durch Infektionen oder aufgrund von zunehmendem Alter stellen die Menschheit weltweit vor große Herausforderungen, sei es aus medizinischer, gesundheitspolitischer, ökonomischer oder emotionaler Perspektive. Für die Suche nach Lösungen sind interdisziplinäre und innovative Forschungsansätze nötig. Dass die Natur dabei als hilfreiches Vorbild dienen kann, möchten vier Wissenschaftler*innen, unter ihnen Prof. Dr. Michael Hiller von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, in einem gemeinsamen Forschungsprojekt zeigen. Dafür nehmen sie die Langlebigkeit und Krankheitsresistenz von Fledermäusen in den Blick. Vom Europäischen Forschungsrat erhält das internationale Team für das Vorhaben „BATPROTECT“ in den kommenden sechs Jahren einen „ERC Synergy Grant“ in Höhe von etwa 12 Millionen Euro.

Ein langes Leben ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen oder die Eindämmung von Infektionskrankheiten sind Ziele, für die die Forschung trotz aller Fortschritte bisher keine übergreifenden Lösungen gefunden hat. Eine Tiergruppe scheint hingegen eine Lösung für beide Themenkomplexe zu haben: die Fledermäuse. Die fliegenden Säugetiere weisen eine außergewöhnliche Langlebigkeit auf und zeigen dabei kaum Anzeichen altersbedingter Krankheiten. Darüber hinaus profitieren sie von einem einzigartig angepassten Immunsystem: Obwohl sie oft Viren in sich tragen, die für andere Organismen sogar tödlich sein können, verlaufen Infektionen bei Fledermäusen komplikationsfrei.

Diese besonderen Eigenschaften der Fledermäuse wollen vier Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Fachrichtungen – der Biologie, Genomik, Immunologie und Gerontologie – nun gemeinsam und mit ihren Teams im Detail beleuchten. Das übergreifende Ziel ihres Vorhabens „BATPROTECT“ ist es, einen Durchbruch im Verständnis der molekularen Grundlagen der verlängerten Lebenserwartung und der Krankheitsresistenz von Fledermäusen zu erzielen, um künftig neue Wege zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit und von Krankheitsverläufen zu finden.

„Zunächst werden wir das Erbgut von 150 Fledermausarten vollständig und in höchster Qualität sequenzieren. Das stellt eine Grundlage für die weiteren Untersuchungen dar, bei denen neue immunologische, bioinformatische, zelluläre und molekulare Werkzeuge und Methoden zum Einsatz kommen“, berichtet Michael Hiller, Professor für Vergleichende Genomik bei Senckenberg und der Goethe-Universität und Sprecher des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG). „Wir wollen Alterungsprozesse bei Fledermäusen charakterisieren und verstehen, wie diese sich zwischen lang- und kurzlebigen Fledermausarten sowie zu anderen Säugetieren unterscheiden.“

Das Forschungsteam möchte dazu beitragen, die Grundlagen für künftige Therapeutika zu ebnen. „Die Zusage eines der begehrten ERC Synergy Grants gibt uns die Möglichkeit, ein grundlegendes Verständnis von hoher Lebenserwartung und Krankheitsresistenzen zu erreichen. Dies ist nur durch interdisziplinäre Forschung möglich. Ich freue mich sehr darauf, die Erforschung von Fledermäusen, der sich mein Team und ich seit vielen Jahren widmen, noch einmal zu intensivieren und neue Perspektiven einzubeziehen“, blickt Hiller in die Zukunft.

Am Vorhaben “BATPROTECT. Learning from Bats: New Strategies to Extend Healthspan and Improve Disease Resistance” sind neben Hiller die Fledermausexpertin und Alternsforscherin Prof. Emma Teeling vom University College Dublin in Irland, der Immunologe und Virenexperte Prof. Linfa Wang von der Duke-NUS Medical School in Singapur und der Alternsforscher Prof. Björn Schumacher vom Institut für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung am CECAD Forschungszentrum in Köln beteiligt.

Die ERC-Forschungsförderung

Der European Research Council (ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter und exzellenter Forschung. Der ERC wird über das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon Europe“ finanziert.

Ziel der ERC-Förderung ist es, die besten und kreativsten Wissenschaftler*innen dabei zu unterstützen, neue Ansätze in allen Fachgebieten zu entdecken und zu erforschen. Besonders interdisziplinäre, die Grenzen ihres Fachbereiches überschreitende Ansätze werden hierbei als innovationsversprechend begrüßt.

ERC Synergy Grants

ERC Synergy Grants richten sich an Gruppen von zwei bis vier Wissenschaftler*innen, die gemeinsam die Umsetzung eines neuen Forschungsvorhabens planen. Gefördert werden Projekte, die zu Entdeckungen an Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen und zu substanziellen Fortschritten an den Grenzen des Wissens führen. Vorrausetzung für einen Synergy Grant ist, dass das Projekt nur durch die Zusammenarbeit der Forscher*innen möglich und erfolgversprechend ist. Außerdem muss eine exzellente Forschungserfahrung durch die einzelnen Teammitglieder ausgewiesen werden können.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN)