Behaim-Globus ist Unesco-Welterbe

Behaim-Globus
Foto GNM/JÜRGEN MUSOLF

Der älteste erhaltene Globus der Welt ist zum Weltdokumentenerbe ernannt worden. Zu sehen ist er im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

22.05.2023 · HP-Topnews · Germanisches Nationalmuseum · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · Projekte

Er ist die älteste erhaltene Darstellung der Erde in Kugelform und eines der Highlights im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg: der Globus von Martin Behaim, entstanden zwischen 1492 und 1494. Am 18. Mai 2023 hat der Exekutivrat der Weltkulturorganisation in Paris die Aufnahme dieses einzigartigen Zeugnisses von der damaligen Vorstellung der Welt in das internationale UNESCO-Register „Memory of the World“ beschlossen. Auf dem Erdrund sind Europa, Afrika und Asien mit der japanischen Inselgruppe dargestellt. Der Kontinent, den Kolumbus zeitgleich mit Entstehung des Behaim-Globus erreichte und der später Amerika genannt wird, fehlt noch.

Damit war der Behaim-Globus bei seiner Fertigstellung eigentlich bereits überholt. Doch gerade das macht ihn heute so spannend. Die weltberühmte Erdkugel ist nicht nur ein Pionierwerk der Kartografie und des wissenschaftlichen Instrumentenbaus, sondern legt auch Zeugnis ab von einem sich rasant und grundlegend wandelnden Weltbild an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit. Damit gilt er als eines der wichtigsten Kulturzeugnisse der Geografiegeschichte.

„Der Behaim-Globus markiert entscheidende Wendepunkte der europäischen Geschichte,“ hebt Prof. Dr. Daniel Hess, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums hervor. „Er zeugt von Neugier und Entdeckerfreude und von dem Wunsch, den eigenen Horizont zu erweitern. Zugleich erinnert er aber auch daran, wie sehr die Entstehung unserer modernen Welt auf der Aneignung und Ausbeutung von Rohstoffen beruht. Deshalb ist der Behaim-Globus heute ein hochaktuelles Dokument unseres zwiespältigen euro-päischen Kulturerbes.“

Neben dem Behaim-Globus wurden 63 weitere Dokumente in das Verzeichnis der UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Dazu gehören aus Deutschland der Codex Manesse der Universitätsbibliothek Heidelberg und Dokumente zur Geschichte der Hanse, die in Belgien, Dänemark, Estland, Lettland, Polen und unter anderem im Archiv der Hansestadt Lübeck bewahrt werden. Ebenfalls in das Register eingeschrieben wurden Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen aus der Stadtbibliothek Trier, der Vatikanischen Bibliothek in Rom sowie aus Bibliotheken in Frankreich, Groß-britannien, Österreich und Rumänien. Das Germanische Nationalmuseum freut sich für alle Ausgezeichneten und gratuliert den Kolleg*innen in Heidelberg, Lübeck und Trier ganz herzlich.

Der Behaim-Globus

Der Behaim-Globus markiert zwei entscheidende Wendepunkte im europäischen Blick auf die Welt: Als er zwischen 1492 und 1494 entstand, wusste Europa noch nichts von der Existenz des amerikanischen Kontinents. Mit der Expedition von Kolumbus beginnt nach europäischem Verständnis die neuzeitliche Globalisierung – ein grundlegender Umbruch und eine erhebliche Erweiterung von der Vorstellung der Welt. Lange Zeit stand der Globus daher für die Erfolgsgeschichte europäischer „Entdeckungen“. Fantastische Vorstellungen von fernen Ländern begannen, einem auf Erkundung basierenden Wissen zu weichen.

Heute sehen wir noch eine andere, kritischere Geschichte und verstehen den Globus auch als zentrales Dokument, das die Anfänge des europäischen Kolonialismus verkörpert. Afrika sollte im 15. Jahrhundert auf der Suche nach Indien nicht nur umrundet, sondern wirtschaftlich erschlossen werden. Der Behaim-Globus macht deutlich, wie sehr die Entstehung unserer modernen Welt sowohl auf der Erweiterung des Horizonts, als auch auf der gewaltsamen Aneignung von Rohstoffen, auf Sklavenhandel und Plantagenwirtschaft beruht. Er ist heute deshalb ein Dokument unseres zwiespältigen europäischen Kulturerbes, das an die europäischen Eroberungen erinnert und zugleich ein Mahnmal für afrikanische Sklaven ist, die entscheidend an der Entstehung unserer modernen Welt beteiligt waren.

Warum ein Globus?

Warum Martin Behaim einen Globus anfertigen ließ, den die Stadt Nürnberg finanzierte, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich ist, dass Geldgeber für den globalen Handel gewonnen werden sollten. Denn neben Städten, Flüssen, Angaben zu fremden Völkern, exotischen Tieren und Orten der Heilsgeschichte verzeichnet der Globus vor allem Rohstoffvorkommen wie Gewürze, Gold und Edelsteine. Inschriften betonen den potenziellen Gewinn, der zu Direktimporten animieren sollte.

Außerdem war die Suche nach einem Seeweg nach Indien Ende des 15. Jahrhunderts hochaktuell. Ihr hatten – neben der Erschließung von afrikanischen Ressourcen – auch die portugiesischen Expeditionen entlang der Westküste Afrikas gegolten, an denen Behaim vermutlich beteiligt war. Bis zur Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung 1488 gab es zur Westroute keine Alternative, und Indien wirkte aufgrund eines zu gering geschätzten Erdumfangs verlockend nah. Diesem damals weit verbreiteten Irrtum saß auch Christopher Kolumbus auf, als er die Route nach „Asien“ berechnete.

Wer war Martin Behaim?

Martin Behaim (1459–1507) entstammte einer Nürnberger Patrizierfamilie. Als junger Mann verließ er seine Heimatstadt und führte, nach einer Tuchhändlerlehre in den Niederlanden, das bewegte Leben eines reisenden Händlers. In den 1480er Jahren hielt sich Behaim in Lissabon am portugiesischen Hof auf und nahm an Erkundungsfahrten entlang der Küste Afrikas teil. Sein dort erworbenes Wissen ließ er in Karten festhalten. Ergänzend erwarb er wahrscheinlich in Portugal weiteres Kartenmaterial.

Anfang der 1490er Jahre kehrte Behaim für wenige Jahre nach Nürnberg zurück, wohl mit zahlreichen Karten im Gepäck. Kurz darauf gab der Nürnberger Rat einen Globus in Auftrag, dessen Konzeption und Ausführung er Behaim übertrug. Bezahlt wurde dieses damals außergewöhnliche Objekt von der Stadt Nürnberg, in deren Besitz sich der Globus zunächst befand. Erster Aufstellungsort war die Nürnberger Regimentsstube, zentraler Ort der reichsstädtischen Verwaltung. Neben Behaim waren an der Anfertigung zahlreiche Handwerker beteiligt, wie aus erhaltenen Rechnungen hervorgeht: Ein Glockengießer fertigte die Lehmformen für die Kugelschalen, der Fein-mechaniker Ruprecht Kolberger formte die Kugel, vom Buchmaler Georg Glockendon d.Ä., dem Maler Hans Storch und dem Schreiber Petrus Gagenhart stammen die Miniaturen und Inschriften des Globus, ein Schreiner baute einen heute verlorenen hölzernen Globenfuß und ein Schlosser schmiedete die eisernen Reifen für den Drehmechanismus.

Weitere Informationen und Kontakt

Ausstellungsseite des Germanischen Nationalmuseums (GNM)

Digital Story zum Behaim-Globus