Fußball im Nationalsozialismus

Spielszene im zerstörten Grünwalder Stadion 1945
Foto FC BAYERN MUSEUM

Eine neue Studie beschäftigt sich mit der Vereinsgeschichte des FC Bayern München in der NS-Zeit. Basis sind Recherchen in über 60 Archiven.

17.02.2022 · HP-Topnews · Institut für Zeitgeschichte München - Berlin · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · Forschungsergebnis

Das Institut für Zeitgeschichte hat im Auftrag des FC Bayern München eine grundlegende Untersuchung der Vereinsgeschichte in der NS-Zeit vorgenommen. Die Studie wurde in völliger wissenschaftlicher Unabhängigkeit durchgeführt und spannt den Rahmen von der Weimarer Republik bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Untersuchungsansatz legte Wert darauf, einen verinselten Blick auf die Jahre nach 1933 zu vermeiden. Vielmehr sollten auch die Jahre der Weimarer Republik und die ersten Nachkriegsjahre nach 1945 einbezogen werden, um so Kontinuitäten und Brüche in der Vereinsgeschichte genauer herausarbeiten zu können. Auch der vergleichende Blick sollte dabei nicht zu kurz kommen: Worin unterschied sich die Entwicklung des FC Bayern nach 1933 von der anderer Vereine, wo sind Parallelen und Gemeinsamkeiten festzustellen?

Recherchen in mehr als 60 Archiven

Am Institut für Zeitgeschichte machte sich Gregor Hofmann unter der Projektleitung von Prof. Dr. Frank Bajohr, im März 2018 ans Werk, um die Geschichte des Rekordmeisters in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erforschen. Gregor Hofmann erhielt unbeschränkten Zugang zu den Materialien des Vereinsarchivs des FC Bayern Museums in der Allianz Arena und wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vereins bei den dortigen Recherchen vorbildlich unterstützt. Da der Verein jedoch kaum Quellen aus der Zeit vor 1945 besitzt, waren aufwendige Recherchen unausweichlich. In die fertige Studie flossen schließlich Quellen und Informationen aus rund 60 Archiven im In- und Ausland ein.

Das Ergebnis der Recherchen liegt nun vor. Die Untersuchung selbst wurde von Gregor Hofmann als Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht und von den Gutachtern Prof. Dr. Frank Bajohr und Prof. Dr. Andreas Wirsching Ende 2021 mit „summa cum laude“ bewertet. Eine Buchveröffentlichung der umfangreichen, mehr als fünfhundert Seiten umfassenden Studie ist für die zweite Jahreshälfte 2022 vorgesehen.

Fußballgeschichte ist auch Gesellschaftsgeschichte

„Die Geschichte von Fußballvereinen in der NS-Zeit ist allzu oft in simplen Gegensatzpaaren dargestellt worden“, bemerkt Frank Bajohr im Hinblick auf manche der bisherigen Publikationen zum Fußball in der NS-Zeit: „Hier die Nazis, dort der Verein, hier die Politik, dort die angeblich unpolitische Eigenwelt des Fußballs, hier diktatorischer Zwang der Politik, dort reaktive Anpassung der Vereine.“

Mit dieser Sichtweise bricht die vorliegende Studie. Sie behandelt die Funktionäre und Spieler des FC Bayern München stattdessen als eigenständige Akteure mit entsprechenden Handlungsspielräumen, mit denen sie dem Nationalsozialismus entgegenkommen, sich ihm aber auch widersetzen konnten. Zugleich arbeitet die Untersuchung mit einem erweiterten Begriff des Politischen, der beispielsweise Vereinsnachrichten und Meinungsäußerungen von Mitgliedern des FC Bayern konsequent auf deren gesellschaftspolitische Inhalte überprüft. 

Neue Ansätze für künftige Forschungen

Auf diese Weise ist eine Forschungsarbeit entstanden, die gerade für den FC Bayern eine enorme Bandbreite von Einstellungen und Haltungen herausarbeitet und den Verein konsequent als Teil der deutschen Gesellschaft und nicht zuletzt der Münchner Stadtgesellschaft in der NS-Zeit behandelt. Die Ergebnisse bisheriger Forschungen werden dabei teilweise bestätigt, in vielen Punkten aber auch differenziert und revidiert. So wies der FC Bayern in der Tat einen beachtlich hohen Anteil jüdischer Mitglieder auf, von denen er sich nach 1933 – anders als viele Fußballvereine – auch nicht sofort trennte. Deshalb war der Verein aber kein liberaler „Judenklub“ – und wurde von den NS-Machthabern nach 1933 auch nicht systematisch benachteiligt.

„Mit diesem Forschungsprojekt haben der FC Bayern und das Institut für Zeitgeschichte beispielhaft neue Wege beschritten“, sagt Frank Bajohr: „Vor allem der methodische Ansatz der Untersuchung Gregor Hofmanns weist weit über eine Vereinsgeschichte des FC Bayern hinaus. Wir sind sicher, dass davon andere Fußballvereine und die künftige Forschung zur Geschichte des Fußballs in der NS-Zeit nur profitieren können.“

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Projektergebnisse finden Sie hier: PDF-Download
Einen Videobeitrag des FC Bayern zum Projekt finden Sie hier: Zum Video.

Weitere Informationen und Kontakt

www.ifz-muenchen.de