Immobilien als Schlüssel zur Vermögensbildung
Vermögen sind in Deutschland besonders ungleich verteilt, weil vergleichsweise wenige Menschen eine eigene Immobilie besitzen. Dies ließe sich ändern, sagt eine Studie.
14.07.2021 · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung · News · Forschungsergebnis
Die Vermögen sind in Deutschland im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt. Ein Grund dafür ist, dass hierzulande vergleichsweise wenige Menschen ein Haus oder eine Eigentumswohnung besitzen – europaweit ist die Eigentümerquote nur in der Schweiz geringer. Wie sich das ändern ließe, haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in mehreren Studien untersucht, die in einer Schwerpunktausgabe des DIW Wochenberichts erschienen sind. Dafür nahmen sie die Wohnungsbauprämie und die Besteuerung von Immobilien unter die Lupe und schlagen neben Reformen auf diesen Feldern mit der Sozialkaufprämie auch ein neues Instrument vor, das den Immobilienerwerb für Haushalte mit geringem Eigenkapital unterstützen soll.
„Das Immobilienvermögen ist der Schlüssel zu einer gleicheren Vermögensverteilung in Deutschland“, erklärt Claus Michelsen, Immobilienökonom und bis Ende Juni Konjunkturchef des DIW Berlin. „Die gute Nachricht ist: Es gibt Möglichkeiten, mehr Haushalten zu den eigenen vier Wänden zu verhelfen. Die Politik muss jedoch schnell und zielgenau an den richtigen Stellschrauben drehen – die Zeit drängt, denn die wohnungsmarktpolitischen Herausforderungen werden immer größer.“
Wohnungsbauprämie mit messbarer Wirkung – Sozialkaufprämie kann vor Verdrängung schützen
Die Wohnungsbauprämie hat in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung eingebüßt, weil sie Einkommensgrenzen und Höchstprämiensätze vorgibt, die jahrzehntelang nicht angepasst wurden. Dabei hat die Wohnungsbauprämie durchaus Potenzial, wie Claus Michelsen und Konstantin Kholodilin zeigen: Trotz der geringen Summen konnten sie signifikante Effekte auf das Sparverhalten der geförderten Haushalte nachweisen – diese sparen häufiger, länger und in höherem Umfang. Das führt dazu, dass sie eher und vor allem in jüngerem Alter eine Wohnimmobilie kaufen. „Die Wohnungsbauprämie ist in ihrer Wirkung nicht zu verachten – sie wurde in den vergangenen Jahren dennoch stiefmütterlich behandelt“, sagt Michelsen. Das Potenzial sei trotz der jüngsten Anpassungen nicht ausgereizt. Neben einer Anhebung der Prämien vor allem für niedrige Einkommensgruppen könnte man die Wohnungsbauprämie mit der Arbeitnehmersparzulage zusammenlegen und die starren Einkommensgrenzen aufheben, um mehr Haushalte zu fördern.
Die bisherige Immobilienförderung in Deutschland ergänzen könnte die sogenannte Sozialkaufprämie, die Markus M. Grabka aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und Reiner Braun vom Forschungs- und Beratungsunternehmen Empirica vorschlagen. Sie soll Eigenkapitallücken bei Haushalten mit eher niedrigen Einkommen füllen, denen oftmals das Startkapital für die eigenen vier Wände fehlt – vor allem dann, wenn die Chance auf Eigentum unerwartet kommt, etwa weil infolge einer „Umwandlung“ plötzlich ein Vorkaufsrecht für die bisherige Mietwohnung besteht. Für etwa 200 Millionen Euro könnten jährlich rund 5 000 Haushalte, die sich eine Wohnung sonst gerade so nicht leisten könnten, vor Verdrängung geschützt werden. „Im Gegensatz beispielsweise zum Baukindergeld wären die Mitnahmeeffekte gering, da nur Haushalte in genau definierten Situationen gefördert und Obergrenzen bei Einkommen und Wohnfläche berücksichtigt würden“, erklärt Grabka.
Steuerprivilegien streichen und Bodenwerte belasten
Ein weiteres mögliches Handlungsfeld könnte die Besteuerung von Immobilien sein, beispielsweise über die Grundsteuer. Diese fällt im internationalen Vergleich bisher äußerst gering aus – Deutschland liegt deutlich unterhalb des OECD-Durchschnitts und noch deutlicher hinter Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Vor allem Hochvermögende profitieren von zahlreichen Steuerprivilegien, auch bei Veräußerungen und Erbschaften. Der DIW-Steuerexperte Stefan Bach und Sebastian Eichfelder von der Universität Magdeburg schlagen ein Reformpaket vor: Bei der Grundsteuer sollte die bodenwertbezogene Besteuerung deutlich gestärkt werden, was vor allem die Eigenheimbesitzer und Vermieter in den guten Lagen belastet. Ertragsteuern sollten Veräußerungsgewinne erfassen und steuerliche Gestaltungen, insbesondere durch die Nutzung von Immobilien-GmbHs, begrenzen. Bei der Erbschaftsteuer wäre es ratsam, Wohnungsunternehmen nicht länger zu begünstigen. Bei der Grunderwerbsteuer sollten sogenannte Share Deals und ähnliche steuerliche Gestaltungen deutlich eingeschränkt werden. Zugleich könnte der Ersterwerb von Wohneigentum begünstigt werden.
Unter dem Strich ließe sich das Steueraufkommen so um rund 27 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen – das entspricht 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Das Geld könnte dazu verwendet werden, die Vermögensbildung ärmerer Haushalte anzuregen und die Steuerbelastung von Erwerbseinkommen zu reduzieren, insbesondere für Haushalte der Mittelschicht“, so Bach.
Wohnen bleibt großes soziales Thema – auch für die künftige Regierung
Der Handlungsbedarf in der Wohnungsmarktpolitik sei trotz einiger Initiativen in den vergangenen Jahren erheblich, konstatieren die Studienautoren. Die gemachten Vorschläge würden dabei helfen, eine Reihe von Problemen zu entschärfen. Gleichzeitig sind sie jedoch nur ein Ausschnitt der derzeitigen Debatte: Auch künftig werden große Teile der Bevölkerung in Mietwohnungen leben und mit steigenden Wohnkosten und gleichzeitig wenigen Ausweichmöglichkeiten zu kämpfen haben. Auch die Sanierungsvorhaben im Zuge der Energiewende werden Belastungen mit sich bringen. „Die Politik steht vor einem hohen Berg, den sie nun zügig beginnen muss abzutragen“, so Michelsen. „Wohnen ist ein großes soziales Thema unserer Zeit – es muss ganz nach oben auf die Agenda und dort auch nach der Bundestagswahl bleiben.“