Kalifornischer Rauch trübt Leipziger Troposphäre

Im Herbst 2020 wüteten extreme Waldbrände an der US-Westküste. Der Rauch zog bis nach Mitteleuropa und beeinflusste noch Tage danach die Atmosphäre. Das ergaben Messungen mit dem neuartigen ESA-Windsatelliten.

02.06.2021 · Umweltwissenschaften · Leibniz-Institut für Troposphärenforschung · News · Forschungsergebnis

Der Rauch der extremen Waldbrände im September 2020 an der US-Westküste zog über viele Tausend Kilometer bis nach Leipzig, wo er noch Tage danach die Atmosphäre beeinflusste. Ein Vergleich von Boden- und Satellitenmessungen zeigt jetzt: Das Waldbrandaerosol trübte die freie Troposphäre über Leipzig so stark wie nie zuvor. Eine Auswertung eines internationalen Forschungsteams unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) ergab am 11.09.2020 eine außergewöhnliche optische Dicke, die das Sonnenlicht um ein Drittel abgeschwächt hat. Die in den Geophysical Research Letters erschienene Untersuchung ist die erste Publikation, die durch den Vergleich mit Lidar-Messungen vom Boden aus zeigen konnte, dass der neuartige ESA-Satellit Aeolus neben Wind auch Aerosole in der Atmosphäre zuverlässig messen kann. An der Studie waren das Centre National de Recherches Météorologiques (CNRM) der Universität Toulouse, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) beteiligt.

Seit August 2018 kreist ein neuartiger Forschungssatellit um die Erde, der nach einem griechischen Windgott benannt ist. Ziel von Aeolus ist es, aktiv Wind vom All aus zu messen und so die Wettervorhersage zu verbessern. An Bord dieses Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) befindet sich mit dem „Atmospheric Laser Doppler Instrument“ (ALADIN) ein Hochleistungslaser. ALADIN ist das erste Instrument im Weltraum, das aktiv vertikale Profile der Windgeschwindigkeit messen kann. Genutzt wird dabei das Prinzip eines Lichtradars (kurz: Lidar von „LIght Detection And Ranging“). Ein Signal wird abgestrahlt und die Reflexion gibt Auskunft über Ort und Entfernung. Der Dopplereffekt wird dann genutzt um die Windgeschwindigkeit in den verschiedenen Höhen der Atmosphäre zu messen. Um die Laser-Messungen im All zu validieren, werden sie mit Laser-Messungen vom Boden aus verglichen. Dabei sind mehrere Forschungsgruppen aus Deutschland im Rahmen der EVAA-Initiative (Experimental Validation and Assimilation of Aeolus observations) beteiligt. TROPOS beispielsweise misst mit seinen Lidar-Geräten jeden Freitagabend und Sonntagmorgen, wenn der Aeolus-Satellit über Leipzig fliegt. Anschließend können dann die Daten von Boden und All verglichen werden. Am 11. September 2020 ergab sich so die seltene Konstellation, dass die mächtige Rauchfahne der kalifornischen Waldbrände über Leipzig vom Boden und aus dem All gleichzeitig vermessen werden konnte.

„Aeolus ist derzeit der einzige Satellit weltweit, welcher mit revolutionärer Lasertechnologie sowohl Profile der horizontalen Windgeschwindigkeit als auch die Rückstreuung und Extinktion von Aerosolen und Wolken unabhängig voneinander messen kann. Damit liefert der Satellit wertvolle Informationen über die Strahlungseigenschaften dieser Rauchaerosole“, betont Dr. Sebastian Bley vom TROPOS, der die vergangenen drei Jahre am Forschungszentrum ESRIN der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) im Aeolus-Projekt mitwirkte. „Es wird erwartet, dass diese einzigartige Konfiguration zu verbesserten Vorhersagen solcher globaler  Rauchausbreitung aber auch allgemein des Wetters beiträgt.“

Im September 2020 gelangte der Rauch der extremen Waldbrände an der US-Westküste durch die hohen Temperaturen bis in großen Höhen und wurde dann mit dem Jetstream über Nordamerika und den Atlantik bis nach Europa transportiert. In Leipzig tauchte die Rauchschicht am Morgen des 11.09.2020 in rund 12 Kilometer Höhe auf und sank im Laufe des Tages auf rund 5 Kilometer Höhe ab. Das zeigen die Daten des PollyXT-Lidars am TROPOS. Lidar-Messungen in Leipzig bestätigten die starke Trübung des Sonnenlichts an diesem Freitag: „Es war – gemessen an der Aerosol Optische Dicke (AOT) - die stärkste Beeinflussung der freien Troposphäre, also die Region der Atmosphäre in welcher sich das Wetter abspielt aber der direkte Einfluss vom Boden gering ist, die jemals in Leipzig seit Beginn der regelmäßigen Lidar-Beobachtungen im Jahr 1997 durch Waldbrandaerosol beobachtet wurde“, berichtet Dr. Holger Baars vom TROPOS. „Wir konnten eine mittlere Massenkonzentration des Waldbrandaerosol von 8 Mikrogramm pro Kubikmeter zwischen 4 und 11 km Höhe abschätzen. In der Spitze waren es sogar 22 Mikrogramm pro Kubikmeter – das ist für diese Höhen schon beachtlich.“ Der Samstag und Sonntag waren trotz wolkenlosem Himmel trübe Tage. Wie stark die Rauchschichten die Sonneneinstrahlung in Sachsen dämpften, zeigte u.a. auch der UV-Index des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS): Die TROPOS-Station in Melpitz bei Torgau registrierte am 12.09.20 mittags ca. ein Viertel weniger UV-Strahlung als bei wolkenlosem Himmel möglich gewesen wäre. Besonders einprägsam zeigte sich der außergewöhnliche Zustand der Atmosphäre bei Sonnenuntergang mit einem markanten milchig-gelben Licht.

Per Computermodell konnten die Forschenden die Herkunft des Rauchs bestätigen: Die Rückwärtssimulation beweist, dass die Luftmassen, die am Mittag des 11. September in 8,5 km Höhe über Leipzig eintrafen, von der Westküste Nordamerikas stammten, wo Tage zuvor intensive Brände stattfanden. Die Häufigkeit und Stärke der Brände in Kalifornien nahm in der ersten Septemberwoche weiter zu. Etwas schwächere Brände wurden in Oregon, Washington und Montana beobachtet. „Aufgrund der vorherrschenden Winde betrug die Reisezeit des Rauchs von der US-Westküste nach Europa nur rund 3 bis 4 Tage. Die rund 3000 Kilometer über den Atlantischen Ozean zwischen Neufundland und Irland schafften die Luftmassen mit Hochgeschwindigkeit sogar an nur einem Tag (9. September)“, erklärt Martin Radenz vom TROPOS.

Erdbeobachtungssatelliten sind in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Instrument der Umweltforschung geworden, die den Klimawandel global dokumentieren. Der Bedarf an kontinuierlichen Daten einerseits und die begrenzte Lebenszeit von Satelliten anderseits stellt die Forschung jedoch vor große Herausforderungen: „Die Messung des Lidar-Verhältnisses (ein Maß für das Rückstreuverhalten und damit ein Hinweis auf den Aerosoltyp) mit Aeolus direkt aus dem Weltraum ist ein Novum und katapultiert die Forschung zu Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen in eine neue Ära“, unterstreicht Dr. Ulla Wandinger. „Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass Aeolus teilweise in der Lage ist, die Lücke zwischen der auslaufenden CALIPSO-Mission der NASA und der kommenden EarthCARE-Mission zu schließen.“ EarthCARE ist eine japanisch-europäische Gemeinschaftsmission, die die Wirkungen von Wolken und Aerosol-Partikeln auf den Strahlungshaushalt der Erde untersuchen will. Der Start des Satelliten ist für Anfang 2023 geplant. „Aeolus wurde zur Windmessung konzipiert. Dass er auch Daten zu Partikeln liefert, ist ein sehr willkommenes Nebenprodukt. In Situationen, wo die Zusammensetzung der Aerosolschichten weniger eindeutig ist, wäre es aber hilfreich, auch die Polarisation messen zu können. Da das Laserlicht bei der Reflexion auf Mineralstaub, Vulkanasche oder Waldbrand-Aerosol unterschiedlich gedreht wird, lässt sich so besser bestimmen, woher die Partikel stammen, die die Sonnenstrahlung und die Wolkenbildung beeinflussen. EarthCARE (Earth Clouds, Aerosols and Radiation Explorer) wird dies können. Wir drücken daher auch für diesen Satelliten fest die Daumen“, sagt Dr. Ulla Wandinger.

Publikation

Baars, H., Radenz, M., Floutsi, A. A., Engelmann, R., Althausen, D., Heese, B., Ansmann, A., Flamant, T., Dabas, A., Trapon, D., Reitebuch, O., Bley, S., Wandinger, U. (2021). Californian wildfire smoke over Europe: A first example of the aerosol observing capabilities of Aeolus compared to ground-based lidar. Geophysical Research Letters, 48, e2020GL092194. https://doi.org/10.1029/2020GL092194

Weitere Informationen und Kontakt

www.tropos.de