i-Seeds sammeln Umweltdaten

Blau, grün und rot fluoriszierende künstliche Ahornsamen
Foto ISTITUTO ITALIANO DI TECNOLOGIA (IIT)

Ahornsamen sind wahre Flugkünstler. Ihre ausgeklügelte Technik wollen Forschende nun für Sensoren nutzen.

29.11.2023 · HP-Topnews · INM - Leibniz-Institut für Neue Materialien · Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften · Forschungsergebnis

Sie sehen aus und funktionieren wie Ahornsamen und können wichtige Umweltparameter ohne Strom oder umweltschädliche Komponenten messen. Die „Acer I-Seed“ genannten Sensoren aus dem 3D-Drucker bestehen aus biokompatiblem und kompostierbarem Material und wurden am Istituto Italiano di Tecnologia in Genua in Zusammenarbeit mit dem Saarbrücker INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien entwickelt. Das Projekt I-Seed wird aus EU-Mitteln gefördert und vom IIT koordiniert. Die Forschungsergebnisse sind in der neuesten Ausgabe des Journals „Science Advances“ nachzulesen.

Die Sensoren reproduzieren das aerodynamische Verhalten der Samen des „Acer campestre“, des in Europa heimischen Feldahorns. Dessen reife Samen lösen sich von der Pflanze und werden vom Wind über große Entfernungen getragen und verteilt. Sie profitieren dabei von ihrem einflügeligen, speziellen aerodynamischen Design, durch das sie sich wie ein Hubschrauberblatt drehen, während sie fallen. Diese Autorotation verringert ihre Sinkgeschwindigkeit und ermöglicht es ihnen, länger in der Luft zu bleiben, wodurch die Chancen der Verbreitung durch Windböen steigen. Dieselben Samen inspirierten möglicherweise den genialen Leonardo Da Vinci zu seiner Luftschraube, der „vite aerea“.

Die Forschenden am IIT befassen sich mit bioinspirierter weicher Robotik. Nachdem sie die Wachstums- und Bewegungsstrategien von Wurzeln, kletternden Pflanzen und Storchschnabel-Samen nachgeahmt hat, konzentriert sich die Gruppe nun auf die Erforschung der Flug- und Verbreitungsmerkmale der geflügelten Ahornsamen. „Unsere Studie zeigt, dass das Nachahmen der Strategien oder Strukturen lebender Organismen und deren Übertragung auf Robotertechnologien Schlüsselelemente sind, um Innovationen mit geringem Umwelteinfluss in Bezug auf Energie und Umweltverschmutzung zu realisieren“, betont Barbara Mazzolai, stellvertretende Direktorin für Robotik am IIT und Leiterin des Labors für bioinspirierte Softrobotik (BSR).

Nach der Analyse der Morphologie, Histologie und Aerodynamik der natürlichen Samen entwarf und realisierte die Forschungsgruppe den künstlichen biomimetischen Samen. Anschließend entwickelten die Forschenden ein biokompatibles und kompostierbares Material auf Basis von Polylactid (PLA) mit eingebetteten Partikeln, die je nach Temperatur ihre Fluoreszenzeigenschaften ändern. Das heißt, abhängig von der Temperatur leuchten die Partikel in unterschiedlichen Farben. Die Partikel selbst sind aus Mineralien hergestellt, sind umweltverträglich und können gefahrlos in der Natur verbleiben. Abschließend nutzten die Wissenschaftler 3D-Drucktechnologien zur Herstellung der künstlichen leuchtenden Samen.

Drohnen lesen die Werte aus

Wenn die fluoreszierenden Flugsensoren einmal in der Natur verteilt sind, lassen sie sich mit darüber fliegenden Drohnen auslesen. Hierzu verwenden die Drohnen fLiDAR, eine auf Laserlicht beruhende Methode. Dies ermöglicht eine dezentrale Überwachung der Bodentemperatur sowie anderer Parameter über größere Distanz. Die Verbreitung der Acer I-Seeds wurde bereits in natürlicher Umgebung erfolgreich getestet und die Machbarkeit damit demonstriert. „Durch die Integration der Sensorik in das Material kann auf die Verwendung von Stromquellen und Elektronik verzichtet werden. Dies macht die fliegenden Sensoren umweltfreundlich und robust“, sagt Tobias Kraus, der die Entwicklung der Sensormaterialien des Acer I-Seed am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien leitet.

Die Forschung konzentriert sich bisher hauptsächlich auf die Erfassung lokaler Temperaturen. Für die Zukunft plant die Forschungsgruppe die Integration fluoreszierender Partikel, die auf andere wichtige Umweltparameter reagieren, wie z. B. Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt oder Schadstoffkonzentration. Der nächste Schritt wird die Zusammenarbeit mit interessierten Unternehmen sein, um die neuen Sensoren in größeren Bereichen wie landwirtschaftlichen Flächen einzusetzen. Damit soll eine dezentrale, simultane, drahtlose und umweltfreundliche Umweltanalyse möglich werden.

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des INM - Leibniz-Instituts für Neue Materialien