Lehren aus Mali und Niger

Wie ist der bisherige Verlauf des Bundeswehreinsatzes in den westafrikanischen Staaten zu bewerten? Wo besteht Nachholbedarf? Zwei Forscherinnen formulieren Handlungsempfehlungen.

19.09.2022 · News · Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Die fünfte Studie des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung ist am 8. September 2022 erschienen. Im Zentrum steht die Frage, ob das deutsche Engagement in Mali und Niger den friedenspolitischen Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ entspricht. Die Studie wurde von den HSFK-Forscherinnen Dr. Antonia Witt und Simone Schnabel verfasst. Sie entstand unter Mitarbeit von Baba Dakono vom Observatoire Citoyen sur la Gouvernance et la Sécurité (OCGS) in Mali und Dr. Abdoul Karim Saidou vom Centre pour la Gouvernance Démocratique (CGD) in Burkina Faso.

„Die Bundesregierung ist mit insgesamt neun verschiedenen Ministerien in Mali und Niger engagiert. Darunter nicht nur der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UN-Mission MINUSMA, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe. Dennoch folgt dieses Engagement keinem geteilten Verständnis von nachhaltigem Frieden und keiner gemeinsamen politischen Strategie, wie genau Deutschland in Mali und Niger zur Friedensförderung beitragen kann“, so Dr. Antonia Witt. „Aus Sicht der lokalen Zivilgesellschaft wird Deutschlands Engagement insgesamt sehr geschätzt, gleichzeitig aber ein größerer Fokus auf Menschenrechtsschutz und die Bekämpfung der Straflosigkeit gefordert.“

Die Autorinnen der Studie „Friedenspolitische Kohärenz im deutschen Regierungshandeln: Lehren aus Mali und Niger“ empfehlen der Bundesregierung für Krisen- und Konfliktländer mit einem solch umfangreichen Engagement wie in Mali und Niger ressortgemeinsame Länderstrategien zu entwickeln, so wie in den Leitlinien vorgesehen. Sie empfehlen außerdem mehr in die Prävention von Konflikten zu investieren und deutsche Botschaften vor Ort stärker in strategische Prozesse zur Ausrichtung des Engagements einzubeziehen. In Mali sollte die Bundesregierung die Förderung nationaler und lokaler Strukturen zur Konfliktregelung stärker in den Fokus nehmen. Für Niger empfehlen die Autorinnen einen institutionalisierten Dialog mit der Zivilgesellschaft, um das zukünftige Engagement dort langfristig friedenspolitisch zu sichern.

„In fragilen Konfliktkontexten sind kohärentes Handeln und eine ressortübergreifende politische Strategie besonders wichtig, um gegenläufige Zielsetzungen zu verhindern, Wechselwirkungen sichtbar zu machen und Risiken umfassend zu identifizieren. Unsere Studie zeigt, dass für Deutschlands Engagement in Mali und Niger in dieser Hinsicht schon einiges passiert ist, dass das von der Bundesregierung formulierte friedenspolitische Leitbild aber nur unzureichend umgesetzt wird“, betont Simone Schnabel. „Für die zukünftige Neuausrichtung der Zusammenarbeit im Sahel – etwa die Ausweitung der sicherheitspolitischen Kooperation mit Niger – und für die Erarbeitung einer Nationalen Sicherheitsstrategie liefert die Studie wichtige Erkenntnisse, wie das Ziel der Konfliktprävention und Friedensförderung in Zukunft noch konsequenter umgesetzt werden kann.“

Die Studie hat auch vor dem Hintergrund der Debatte über die Gründe des Scheiterns des militärischen Engagements in Afghanistan eine besondere Relevanz. Gelingt es, Lehren zu ziehen und ähnliche Entwicklungen wie in Afghanistan zu verhindern? Wie ist das deutsche Engagement im Kontext von militärischen Missionen im Hinblick auf so unterschiedliche Ziele wie nachhaltige Entwicklung, Terrorismusbekämpfung und Regelung von Migration zu bewerten?

Die 2017 verabschiedeten Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ und die darin festgehaltenen Prinzipien sollen als strategischer Kompass für das Handeln der Bundesregierung in (Post-)Konflikt- und Krisensituationen dienen. Sie formulieren unter anderem den Anspruch, sich an Menschenrechten zu orientieren, kontextspezifisch, inklusiv und langfristig zu handeln, Risiken transparent zu machen und der Prävention Vorrang einzuräumen.

Publikation

Simone Schnabel, Antonia Witt (2022): Friedenspolitische Kohärenz im deutschen Regierungshandeln: Lehren aus Mali und Niger, in: Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung. 

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)