Pusten für die Medizin
Die Analyse des menschlichen Atems mittels massenspektroskopischer Methoden eröffnet neue Diagnosemöglichkeiten. Für eine Pilotstudie werden nun Probanden gesucht.
16.12.2021 · News · Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum · Lebenswissenschaften · Forschungsergebnis
„Bitte einmal pusten…und stopp. Danke, das war’s.“ So könnte Ihr nächster Arztbesuch bei Lungenproblemen aussehen. Dass unser Atem Informationen über den Gesundheitszustand enthält, ist bereits seit der Antike bekannt. Schon zu dieser Zeit wurde der Atemgeruch interpretiert und gab Hinweise auf Krankheiten, wie Diabetes oder Funktionsstörungen der Leber. Da ist es wenig überraschend, dass auch Tiere mit einem ausgeprägten Geruchssinn wie Hunde oder Ratten in der Lage sind, Krankheiten wie z.B. Krebs frühzeitig am Menschen wahrzunehmen.
Die Mitarbeiter*innen der Forschungsgruppe „Bioanalytische Chemie“ von PD Dr. Schwudke am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum sind davon überzeugt, dass eine umfangreiche Analyse des menschlichen Atems mittels massenspektroskopischer Methoden innovative Diagnosemöglichkeiten eröffnet. Dr. Franziska Waldow, Studienleiterin dieser Pilotstudie, erläutert dazu: „Zunächst werden gesunde Probanden untersucht, um die Methodik dieser hochsensitiven Technik sowie die Datengrundlage zu testen.“ Dazu plant die Forschungsgruppe Messungen mit freiwilligen Probanden von Januar bis März 2022 durchzuführen. Dafür werden gesunde Probanden (Mindestalter 18 Jahre) gesucht, um in einem Einzeltermin ihren Atem analysieren zu lassen.
Aktuell beschränkt sich das medizinische Werkzeug zur Erkennung und Identifizierung Lungen-assoziierter Krankheiten primär auf Funktionsuntersuchungen oder radiologische Bildgebungsverfahren. Diese Methoden detektieren entsprechende pathologische Veränderungen aber häufig erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Atemanalytik hingegen ist besonders interessant für die Früherkennung von Lungenkrankheiten wie COPD, Lungenkrebs aber auch Infektionen der Luftwege. Die zu untersuchenden Moleküle stammen aus dem Blut der Probanden und gelangen über den Gasaustausch in der Lunge in die Atemluft. Da unser Blutkreislauf sämtliche Organe miteinander vernetzt, können mittels Atemanalytik auch medizinische Informationen abseits vom Atemapparat gewonnen werden.
Die Technologie für diese Studie wurde von der Plasmion GmbH (Augsburg, Deutschland) entwickelt und wird nun in allen Details erprobt, um Eingang in die Klinik erhalten zu können. Dabei werden Moleküle aus dem Atem auf ihrem Weg in das Massenspektrometer über ein Plasma ionisiert. Dieser Prozess sorgt im Wesentlichen dafür, dass Molekülen eine Ladung übertragen wird und erlaubt damit eine Bestimmung von akkuraten Molekülmassen. Diese massenspektrometrischen Informationen werden nun genutzt, um individuelle Metabolitprofile zu bestimmen, die letztlich die Basis für Diagnostik darstellen. Somit erhält man im übertragenden Sinn einen Fingerabdruck des Gesundheitszustandes eines Probanden mit Hilfe der Atemluft. Die Forschung an einer derartig minimal invasiven Diagnostik ist von großem Interesse für die Weiterentwicklung personalisierter Medizin im Rahmen der Forschung am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). „Was dieses Projekt so reizvoll für mich macht, ist die Möglichkeit modernste Technologie, hier Massenspektrometrie, direkt mit einer medizinischen Anwendung zu verbinden. Es braucht ja nur kontrolliert ausgeatmet zu werden,“ so Richard Küchler, der seine Masterarbeit über diese Studie schreibt und im Rahmen dieser Arbeit den Probanden zudem Einblicke in die aktuelle Lungenforschung geben möchte.