Scharfe Pflanzen

Chilipflanze
Foto STEVE JOHNSON/UNSPLASH

Warum schmecken Pfeffer und Chili scharf? Zwei neu entdeckte Enzyme liefern Antworten.

30.01.2023 · News · Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie · Lebenswissenschaften · Forschungsergebnis

Wie stellen Pflanzen scharfe Substanzen her? Am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) be­schäftigt man sich intensiv mit diesem Thema. Jüngst haben Wissenschaftler/innen um Dr. Thomas Vogt das entscheidende Enzym gefunden, das den Früchten der Pfefferpflanze (lat. Piper nigrum) zu ihrer charakteristischen Schärfe verhilft. Das entdeckte Enzym, die Piperinsynthase, katalysiert den finalen Schritt der Biosynthese des scharfschmeckenden Piperins. Nun haben die Biochemiker mit einem zweiten Scharfstoff nachgelegt und auch die Biosynthese von Capsaicin aus der Chili­scho­te (Capsicum spec.) näher beleuchtet. Erstmals beschreibt seine Arbeitsgruppe die enzyma­ti­sche Aktivität der lange gesuchten Capsaicinsynthase. Das Enzym katalysiert den letzten Reak­tions­­schritt der pflanzlichen Capsaicinproduktion.

Piperin und Capsaicin binden auf Zunge und Schleimhäuten an genau den Rezeptor, der auch auf Hit­ze, Säuren oder Verletzung reagiert. Dieser Rezeptor löst in bestimmten Nervenzellen einen Reiz aus, den der Mensch als Schärfe empfindet. Capsaicin und Piperin wirken zudem antimikrobiell sowie ver­dau­ungs- und durchblutungsfördernd. Sie sind daher nicht nur als Scharfmacher interessant, sondern auch als Wirkstoffe für medizinische Anwendungen. „Man findet in der Literatur der letzten Jahre hun­der­te Studien zur biologischen Wirkung von Pfeffer- und Chili-Extrakten, aber nur sehr wenige zur Bio­synthese der scharfen Substanzen“, erklärt Thomas Vogt, der am IPB die Arbeitsgruppe Phenylpropan­stoffwechsel leitet.

Das mag daran liegen, dass die Aufklärung von pflanzlichen Biosynthesewegen verschiedener Ex­perti­sen bedarf, die in dieser Kombination nur an wenigen Forschungsinstituten vorhanden sind. Idealer­wei­se ziehen Chemiker, Biochemiker und Bioinformatiker an einem Strang, um aus den hunderten Enzy­men einer Pflanze jene Handvoll Kandidaten zu fischen, die an der Produktion eines gesuchten Stoffes beteiligt sind. Diese Suche nach einzelnen Enzymen ist vor allem bei jenen Pflanzenarten schwierig, von denen die meisten Gene und Enzyme noch unbekannt sind. „Denn hier“, sagt Thomas Vogt, „kann man die Datenbanken nur begrenzt zu Rate ziehen.“

Auch beim Pfeffer war die Datenlage dünn und es gab weitere Hürden. So mussten die Hallenser Wis­sen­schaftler zunächst Pfefferpflanzen heranziehen und vor allem dafür sorgen, dass sie Früchte tragen. „Das ist bei Pfeffer, der im Gewächshaus wächst, nicht selbstverständlich“, erklärt der Biochemiker, „aber den Gärtnern am Institut ist es gelungen.“ Mit erfolgreicher Anzucht der Pflanzen konnte das For­scherteam in einem Zeitraum von drei Monaten Pfefferbeeren in verschiedenen Reifestadien ernten und hier genau beobachten, wie deren Piperingehalt stetig ansteigt. In den reifenden Beeren, so die The­­se der Wissenschaftler, sollten demnach auch die Enzyme zu finden sein, die das Piperin bilden. Die Blätter der Pflanze hingegen dürften die Piperinbiosynthese-Enzyme nicht enthalten, denn sie pro­du­zier­en kein Piperin und schmecken daher auch nicht scharf.

Diese Differenzen im Piperingehalt, also im Vorhanden- und Nichtvorhandensein der Piperinbiosynthe­se-En­zyme machten sich die Wissenschaftler zunutze. Unter der Prämisse, dass ein Enzym in bestimm­ten Geweben nur dann vorhanden ist, wenn sein Gen aktiviert ist und abgelesen wird, verglichen sie die Genaktivitäten in Blättern und Früchten verschiedener Reifegrade miteinander. So konnten sie jene Gene identifizieren, die in den unreifen Früchten besonders aktiv sind. Unter ihnen auch das Gen für die Piperinsynthase. Dieses Gen wurde anschließend in Mikroorganismen eingeschleust und diente den Bakterien als Vorlage für die Produktion des Piperinsynthase-Enzyms. Für das isolierte Enzym konn­ten die Hallenser Pfeffer-Experten dann zweifelsfrei nachweisen: es katalysiert den Zusammenschluss der beiden Ausgangsstoffe Piperoyl-CoA und Piperidin zum Piperin. Der Beweis, dass es sich hier tat­sächlich um die gesuchte Piperinsynthase handelt, war damit erbracht.

Bei der Entdeckung der Capsaicinsynthase gab es andere Probleme. Hier war das codierende Gen be­reits identifiziert, doch ist es der Wissenschaft nie zuvor gelungen, daraus ein enzymatisch aktives Pro­tein von Bakterien herstellen zu lassen. Der Beweis, dass es sich bei dem untersuchten Gen überhaupt um die Capsaicinsynthase handelte, stand daher noch aus. Aber mit ihrem Fachwissen vom relativ ähn­lichen Pfefferenzym konnten die Hallenser Pflanzenforscher die Capsaicinsynthase isolieren und im fi­na­len Aktivitätstest beweisen, dass sie tatsächlich die seit langem postulierte Reaktion der beiden Aus­gangsstoffe, 8-Methyl-6-nonenoyl-CoA und Vanilloylamin zum Capsaicin katalysiert. Diese finalen Akti­vi­tätsnachweise für Piperin- und Capsaicinsynthase gelangen unter anderem auch deshalb, weil die  Syn­thesechemiker des Instituts alle Ausgangsstoffe, die es noch nicht zu kaufen gibt, selbst herstellen und für die Enzymtests zur Verfügung stellen konnten.

Die wichtigsten Reaktionsschritte der Piperinbiosynthese und der Capsaicinbiosynthese sind damit auf­­geklärt. Irgendwann wird man beide Biosynthesewege vollständig verstanden haben. Doch was bringt die Erkenntnis für einen Gewinn? Mit dem Wissen um alle beteiligten Enzyme einer Biosynthese kann man die entsprechenden Gene in Mikroorganismen bringen und diese den gewünschten Wirk­stoff produzieren lassen. „Bei Pfeffer wäre das allerdings nicht wirtschaftlich“, sagt Thomas Vogt, „denn Piperin ist in den Pfefferbeeren in so hoher Konzentration vorhanden, dass es, beispielsweise für me­di­zi­nische Zwecke, sehr einfach isoliert werden könnte.“

Für die Wissenschaftler am IPB ist die Aufklärung von Biosynthesewegen dennoch lohnenswert, denn die neu entdeckten Enzyme katalysieren interessante Reaktionen, die zu Reaktionsprodukten mit kom­plizierten Strukturen führen. Diese Enzyme können von den Biochemikern modifiziert werden, sodass völlig neue Enzyme mit gewünschten Eigenschaften entstehen. Die optimierten Enzyme nutzt man  dann, um im Reagenzglas Synthesen von neuen, potentiell wirksamen Substanzen zu designen. Diese Art der biokatalytischen Synthese – das heißt die Nachahmung und Optimierung der ursprünglichen pflanzlichen Biosynthese im Reagenzglas – hat als relativ junges Forschungsfeld enormes Zukunfts­po­ten­­tial. Als Alternative zu petrolchemischen Synthesen kann die Biokatalyse gewünschte Substanzen ohne den Einsatz von giftigen Katalysatoren und Lösungsmitteln oder die Entstehung von schädlichen
Nebenprodukten erzeugen.

Hintergrund: Biosynthesen und Enzyme

Enzyme sind Proteine, die in jedem Lebewesen und in jeder Zelle vorkommen. Jede Reaktion im Körper, bei der ein Stoff in einen anderen Stoff umgewandelt wird (Stoffwechsel) wird von einem Enzym kata­ly­siert. Es gibt in jedem Organismus tausende verschiedene Reaktionen des Stoffwechsels und ent­spre­chend genauso viele verschiedene Enzyme. Dabei bilden mehrere hintereinander verlaufende Einzel­re­ak­tionen separate Stoffwechsel- oder Biosynthesewege, die zu vielen verschiedenen Endprodukten füh­ren. In der Fähigkeit, ein breites Spektrum an komplexen Stoffe zu produzieren, sind Pflanzen den Tie­ren überlegen. Deshalb verfügen sie auch über sehr viel mehr Enzyme als tierische Organismen. Der Mensch nutzt Enzyme seit Jahrtausenden, beispielsweise zur Herstellung von Brot, Sauerkraut, Alkohol und Käse.

Originalpublikationen

Arianne Schnabel, Benedikt Athmer, Kerstin Manke, Frank Schumacher, Fernando Cotinguiba & Thomas Vogt. Identification and characterization of piperine synthase from black pepper, Piper nigrum L. Communications Biology 4, DOI: 10.1038/s42003-021-01967-9

Raika Milde, Arianne Schnabel, Toni Ditfe, Wolfgang Hoehenwarter, Carsten Proksch, Bernhard Westermann & Thomas Vogt. Chemical Synthesis of Trans 8-Methyl-6-Nonenoyl-CoA and Functional Expression Unravel Capsaicin Synthase Activity Encoded by the Pun1 Locus. Molecules27(20), 6878; https://doi.org/10.3390/mol­ec­ules­27206878

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB)