Dicke Luft im Tal

Dach mit rauchendem Kamin
Foto SANDRA GRUNEWALD/UNSPLASH

Holzheizungen verschmutzen die Luft in Gebirgsregionen stärker als bisher angenommen. Selbst in kleinsten Dörfern können Ruß und Feinstaub Werte erreichen wie sonst in Metropolen.

27.07.2022 · News · Leibniz-Institut für Troposphärenforschung · Umweltwissenschaften · Forschungsergebnis

Rund 30 Millionen Menschen leben in Europa in Gebirgstälern. Ein Großteil davon ist stärker von Luftverschmutzung betroffen als bisher angenommen. Das schließt ein slowenisch-deutsches Forschungsteam aus Messungen in den Nördlichen Dinarischen Alpen. Durch Temperaturinversionen im Winter würden die Schadstoffe in den Tälern so stark zurückgehalten, dass Ruß und Feinstaub selbst in kleinen Dörfern bedenkliche Werte erreichen können wie sie sonst vor allem in den Zentren verkehrsreicher Metropolen vorkommen, schreiben Forschende der Universitäten Ljubljana, Molise und Nova Gorica sowie des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) im Fachjournal Atmospheric Chemistry and Physics (ACP). Mit mobilen Rucksackmessungen des TROPOS war es zuvor möglich geworden, die Schadstoffverteilung genauer zu untersuchen.

Holzverbrennung ist für mehr als die Hälfte der besonders gesundheitsgefährlichen kleinen Feinstaubstaub-Partikel (PM2.5) in Europa verantwortlich. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur EEA ist Holzverbrennung damit inzwischen die größte Quelle dieser Schadstoffklasse. Das Bewerben als „Kohlendioxid-neutralem“ Brennstoff, steigende Kosten für fossile Brennstoffe und mehrere Finanzkrisen haben dazu geführt, dass Holz als Brennstoff in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Zunehmend wird in kleinen Heizungsanlagen Holz zum Heizen verwendet.

Untersuchungen zur Luftqualität haben sich bisher meist auf Städte konzentriert. In der EU, Großbritannien und den vier EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz leben aber über ein Viertel der Bevölkerung in ländlichen Regionen. Um die Auswirkungen auf diese Dörfer zu untersuchen, nahmen die Forschenden eine Karstmulde in Slowenien genauer unter die Lupe. Die Mulde in der Gemeinde Loški Potok um das Dorf Retje ist repräsentativ für viele bergige und hügelige ländliche Gebiete in Mittel- und Südosteuropa mit Holzheizungen. Das für die Studie ausgewählte Gebiet liegt in einer flachen Karstsenke mit einer Topographie, die die Bildung von Bodentemperaturinversionen und Kaltluftpools begünstigt wie sie in vielen Tälern und Reliefmulden im Winter vorkommen. Neben zwei festen Messstationen am Boden der Mulde im Dorf und auf einem Hügel lieferten vor allem mobile Rucksackmessungen entscheidende Details zur Verteilung der Luftschadstoffe. Das Team lief die sechs Kilometer lange Route durch das Tal im Dezember 2017 und Januar 2018 dreimal täglich ab - am Morgen, Mittag und Abend. Bei 107 Mess-Touren kamen so 642 Kilometer zu Fuß zusammen.

Unter die Lupe nahm das Team neben Feinstaub auch einen seiner Bestandteile: Schwarzer Kohlenstoff – umgangssprachlich auch „Ruß“ genannt. Ruß entsteht bei unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Materialien wie fossilen Brennstoffen oder Holz. An den winzigen Rußpartikeln haften unter anderem krebserregende Stoffe. Ruß gilt daher als der gesundheitlich problematischste Teil des Feinstaubs. Während die stationären Messstationen stündliche Rußkonzentrationen (eBC) von 1 bis 40 Mikrogramm pro Kubikmeter und Feinstaubkonzentrationen (PM10) von 10 bis 205 Mikrogramm pro Kubikmeter zeigten, beleuchteten die mobilen Messungen die tatsächliche Konzentration, der viele Menschen im Tal ausgesetzt waren. Als besonders problematisch zeigte sich dabei ein Effekt, der im Winter im Gebirge häufig auftritt: Die Sonne erwärmt am Morgen die oberen Teile der Reliefmulde schneller als die tieferen – aufgrund des morgendlichen Nebels, der sich im windgeschützten Tal bildet und die bodennahe Erwärmung verhindert. Die dabei entstehende Temperaturinversion wirkt wie ein Deckel auf einem Topf: Die Abgase können nicht nach oben entweichen und konzentrieren sich am Boden. Während solcher Temperaturinversionen erreichten die Schadstoffkonzentrationen von Ruß (eBC) im Mittel 4,5 Mikrogramm pro Kubikmeter und von Feinstaub (PM2.5) 48 Mikrogramm pro Kubikmeter, was vergleichbar ist mit den Zentren großer Metropolen, in denen reger Verkehr herrscht. Diese Werte liegen über den Jahresgrenzwert der Europäischen Union (20 Mikrogramm pro Kubikmeter) und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO für das Tageslimit (15 Mikrogramm pro Kubikmeter). Gemessen am EU-Luftqualitätsindex für Feinstaub (PM10  und PM2.5) war die Luftqualität während solcher Temperaturinversionen sehr schlecht. Insgesamt war die Luftqualität im gesamten Untersuchungszeitraum (Dezember und Januar) nur mäßig.

„Während der Temperaturinversion war die Schadstoffbelastung in der Mulde am frühen Abend am höchsten und erreichte bei Ruß bis zu 22 Mikrogramm pro Kubikmeter und bei Feinstaub bis zu 560 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dies ist das Ergebnis der häuslichen Holzverbrennung, die zunimmt, wenn die Menschen nach der Arbeit nach Hause kommen, und der stabilen Luftschicht am Boden der Mulde. Mit etwas Wind sanken jedoch sowohl die Ruß- als auch die Feinstaub-Werte in der Mulde auf weniger als 1 bzw. 12 Mikrogramm pro Kubikmeter, was etwa viermal niedriger ist als während einer Temperaturinversion und den europäischen regionalen Hintergrundwerten entspricht“, berichtet Dr. Kristina Glojek. die dazu ihre Doktorarbeit an der Universität Ljubljana geschrieben hat. Während der morgendlichen und nachmittäglichen Temperaturinversionen waren im Dorf Retje die Menschen, die im unteren Teil der nach Süden ausgerichteten Hänge leben, am stärksten den hohen Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt, während in den frühen Abendstunden, wenn die Inversion nur auf den Boden der Mulde beschränkt ist, die Menschen am Boden der Mulde die höchsten Schadstoffwerte einatmen.

Solche Wetterbedingungen sind typisch für hügelige und bergige Regionen: Während der Studie kam es in mehr als 70 Prozent aller Winternächte und -morgen zu einer Temperaturinversion. „Diese sehr stabilen Bedingungen verhindern eine wirksame Durchmischung der Luft in der Reliefmulde, was zu erhöhten Schadstoffwerten führt. Daher steigen während der Temperaturinversionen die Feinstaubkonzentrationen in der Senke auf Werte an, die mit denen größerer europäischer Stadtzentren vergleichbar sind und über dem EU-Tagesgrenzwert (PM10 = 50 Mikrogramm pro Kubikmeter) sowie über dem Jahresgrenzwert und den Tagesrichtwerten der WHO (PM2,5 = 20 bzw. 15 Mikrogramm pro Kubikmeter), liegen“, unterstreicht Prof. Mira Pöhlker vom TROPOS.

Aus Sicht der Forschenden deutet das Beispiel des kleinen Reliefmulde in Slowenien auf ein Problem, das nicht allein auf diese Region begrenzt ist: „Die Schadstoffkonzentrationen, die während der Temperaturinversionen in der eher dünn besiedelten kleinen Reliefmulde gemessen wurden, sind besorgniserregend, da ähnliche Bedingungen in zahlreichen Hügel- und Gebirgsregionen in ganz Europa zu erwarten sind, in denen etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung leben, von denen 30 Prozent in ländlichen Reliefmulden leben, die mit dem Standort Retje vergleichbar sind“, betont Prof. Griša Močnik von der Universität Nova Gorica.

Die Ergebnisse dieser Studie machen aus Sicht des slowenisch-deutschen Forschungsteams deutlich, wie wichtig hochauflösende Messungen der Luftqualität sind, um die Auswirkungen der Verschmutzung durch Holzverbrennung in Wohngebieten zu erfassen, insbesondere in Berggebieten mit begrenzter Selbstreinigungskapazität der Atmosphäre. Daher schlagen sie konkret vor:

  1. Untersuchung von Pilotstandorten auf kleinerer räumlicher Ebene, die den Entscheidungsträgern dabei helfen könnten, wirksame Maßnahmen auf lokaler Ebene zu ergreifen.
  2. Sensibilisierung der Bevölkerung für das Problem der Luftverschmutzung durch Holzverbrennung, einschließlich der Vermittlung von Kenntnissen über die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die Energieeffizienz, die wirtschaftlichen Kosten einer ineffektiven Verbrennung, die optimale Nutzung und regelmäßige Wartung von Heizgeräten sowie die Verwendung von Qualitätsbrennstoffen (z. B. trockenes Holz).
  3. Information der Einwohner, wenn die Wetterbedingungen für eine Konzentration der Schadstoffe im Tal sorgen und das Verbrennen von Holz nicht empfohlen wird.
  4. Ermittlung lokaler Großverschmutzer, da diese die Hauptursache für die Verschlechterung der lokalen Luftqualität sein könnten.
  5. Das Nachrüstungen vorhandener Öfen, Errichten von Fernwärmesystemen, die Verbesserung der energetischen Gebäudesanierung und der Wechsel des Brennstoffs, wenn es eine bessere Alternative gibt, sind mögliche Optionen zur Verringerung der Verschmutzung durch Holzverbrennung.

Wichtig sei außerdem, die örtliche Bevölkerung in die Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen stark einzubinden. Außerdem sollten sich alle bewusst sein, dass es für dieses komplexe Problem nicht die eine universelle Lösung gäbe. Vielmehr seien Maßnahmen auf mehreren Ebenen erforderlich, die die geografischen und kulturellen Besonderheiten berücksichtigen.

Publikation

Glojek, K., Močnik, G., Alas, H. D. C., Cuesta-Mosquera, A., Drinovec, L., Gregorič, A., Ogrin, M., Weinhold, K., Ježek, I., Müller, T., Rigler, M., Remškar, M., van Pinxteren, D., Herrmann, H., Ristorini, M., Merkel, M., Markelj, M., and Wiedensohler, A.: The impact of temperature inversions on black carbon and particle mass concentrations in a mountainous area, Atmos. Chem. Phys.22, 5577–5601.

Weitere Informationen und Kontakt 

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)