Ein nasser Winter reicht nicht
Dank mehr Regen ist das Grundwasser gestiegen, erreicht aber noch nicht den Normalwert. Auch Verdunstung spielt eine Rolle.
09.04.2024 · HP-Topnews · Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei · Umweltwissenschaften · Forschungsergebnis
Im vergangenen Jahr und zu Beginn dieses Jahres hat es in Berlin und Brandenburg relativ viel geregnet. Für die Böden, Seen und Flüsse in der Region ist dies nach den trockenen Vorjahren eine positive Veränderung. Professorin Dörthe Tetzlaff vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin untersucht den Landschaftswasserhaushalt am Beispiel des Demnitzer Mühlenfließes (Teileinzugsgebiet der Spree) in Brandenburg. Ihre Daten zeigen: Das Wasser ist zwar im Boden angekommen, aber das Grundwasser hat noch nicht wieder den Zustand erreicht, den es vor dem Trockenjahr 2018 hatte. Zudem ist im niederschlagsreichen Jahr 2023 wegen der hohen Temperaturen besonders viel Wasser verdunstet. Also kein Grund zur Entwarnung?
Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zum Zustand der Bodenfeuchte in Deutschland zeigte in den vergangenen Monaten wenig Gelb, Orange und Rot. Demnach war es in weiten Teilen Deutschlands nicht einmal ungewöhnlich trocken und schon gar nicht traten die Kategorien moderate, schwere, extreme oder außergewöhnliche Dürre großflächig auf.
„Erfreulich ist, dass das Wasserdefizit unserer Böden durch die Niederschläge im vergangenen Jahr und zu Beginn dieses Jahres wieder ausgeglichen wurde. In einigen Regionen Deutschlands – auch hier in Berlin/Brandenburg – sind die Böden völlig gesättigt“, sagt Dörthe Tetzlaff. Das „Bodenwasserdefizit“ ist eine wichtige Eingangsgröße für den UFZ-Dürremonitor. Dabei gilt der Wassergehalt in den oberen Bodenschichten bis 1,80 Meter Tiefe als Indikator für das Wasser in der Landschaft.
Grundwasserspeicher nach mehr als fünf Jahren Trockenheit noch nicht wieder aufgefüllt
Das tiefer gelegene Grundwasser wird mit diesem Ansatz jedoch nicht erfasst. „Unsere aktuellen Daten zeigen, dass die Grundwasserstände in der sehr niederschlagsarmen Region Berlin-Brandenburg zwar deutlich angestiegen sind, aber immer noch nicht die ‚Normalwerte‘ von vor der Dürre 2018 erreicht haben“, erklärt Dörthe Tetzlaff.
Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2021 hatten sie und ihr Team für das 60 Quadratkilometer große Demnitzer Mühlenfließ berechnet, dass es bis zu vier Jahre mit gleichmäßig über das Jahr verteilten normalen Niederschlägen braucht, um das Defizit nach einer extremen Dürre wie in den Jahren 2018/2019 auszugleichen. Dabei ist das extreme Trockenjahr 2022 noch nicht berücksichtigt. „Ein nasser Winter reicht also nicht aus, um das Grundwasser wieder aufzufüllen. Denn das Wasser muss erst mehrere Meter ungesättigten Boden speisen und durchdringen, bevor es die Grundwasserleiter erreicht. Und es darf auch nicht durch oberflächlichen Abfluss von gesättigten Feldern verloren gehen“ so Dörthe Tetzlaff. Die mehr als 30-jährigen Langzeitdaten des IGB aus dem Demnitzer Mühlenfließ zeigen insgesamt für den langfristigen Grundwasserstand seit 2011 einen fallenden Trend, der sich nach 2018 verstärkt hat.
Bei hohen Temperaturen verdunstet besonders viel Wasser über Boden und Pflanzen
Die Forscherin weist auch darauf hin, dass für die Wasserbilanz nicht nur der Niederschlag eine Rolle spielt, sondern auch der Anteil des Wassers, der wieder verdunstet. „Die Verdunstung ist sogar die wichtigste Komponente der Wasserbilanz in Berlin/Brandenburg –vor allem, wenn wir von steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels ausgehen, wie wir sie beispielsweise im Jahr 2023 verzeichneten. Diese führen zu einer deutlich höheren Verdunstung über Boden und Pflanzen. Regenreiche Frühjahre mit überdurchschnittlich warmen Temperaturen, wie wir sie derzeit erleben, führen zu hohen Verdunstungsraten, vor allem wenn der Boden noch weitgehend vegetationsfrei ist. In Brandenburg ist die potenzielle Wasserverdunstung über Boden und Pflanzen im Jahresmittel fast immer höher als der Jahresniederschlag“, sagt die Ökohydrologin.
Bei niedrigem Grundwasserspiegel geht die Verbindung zu den Oberflächengewässern verloren
Weniger Grundwasser und höhere Verdunstung führen auch zu niedrigeren Wasserständen in den Oberflächengewässern: Im Vergleich zum Zeitraum von 2001 bis 2017 war der Durchfluss des Demnitzer Mühlenfließes in den Jahren von 2018 bis 2022 im Jahresdurchschnitt um 64 Prozent reduziert. Häufiger führte der Fluss gar kein Wasser – teilweise über mehrere Monate hinweg. „Das lag daran, dass aufgrund des niedrigen Grundwasserspiegels die Verbindung zwischen Grund- und Oberflächenwasser unterbrochen war“, stellt Dörthe Tetzlaff fest. Dies war allerdings vor allem in nicht renaturierten, begradigten Gewässerabschnitten der Fall. Gewässerabschnitte mit größeren Auen- oder Moorflächen zeigten eine höhere Resilienz gegenüber Trockenheit.
Flüsse mäandern lassen, damit die wichtige Verbindung von Grund- und Oberflächenwasser nicht unterbrochen wird
Denn die Renaturierung von Fließgewässern fördert den Wasserrückhalt in der Landschaft: Wenn das Wasser einen längeren, gewundenen Lauf hat, nicht so schnell oberirdisch abfließt und dadurch besser versickern kann, wird auch das Grundwasser gespeist. So hat sich die Schaffung von Auen und Feuchtgebieten am Demnitzer Mühlenfließ positiv auf das Grundwasser ausgewirkt: Nach Renaturierungsmaßnahmen in Teilbereichen des Einzugsgebietes im Jahr 2001 stieg der Grundwasserspiegel in den Jahren 2001-2003 deutlich an.
Aufgrund des bodennahen Grundwasserspiegels in Feuchtgebieten und Auen kann der Fluss länger durchgängig Wasser führen. Das Grundwasser macht dann mehr als die Hälfte des Zuflusses aus. Umgekehrt bleibt der Grundwasserspiegel in den Feuchtgebieten auch in den Sommermonaten, wenn der Fluss nicht fließt, sehr nahe an der Bodenoberfläche. „Diese Ergebnisse zeigen deutlich, wie sich der Wasserfluss zwischen Grund- und Oberflächenwasser in einem renaturierten Flussbett selbst stabilisieren kann und auch bei Trockenheit weniger anfällig für Unterbrechungen und Trockenfallen ist“, sagt Dörthe Tetzlaff.
Wasser „pflanzen“: Waldumbau hin zu altersgemischtem Mischwald lohnt sich
Auch durch die Art der Bepflanzung kann viel für den Wasserrückhalt in der Landschaft getan werden: Wie das Team um Dörthe Tetzlaff in einer weiteren Studie zeigen konnte, haben unterschiedliche Landnutzungsformen einen entscheidenden Einfluss auf die Wasseraufnahme und -abgabe. So trägt ein Landnutzungsmosaik mit Mischkulturen dazu bei, dass mehr Wasser in den Boden infiltriert, ins Grundwasser gelangt und weniger verdunstet. Zudem muss der Anbau besonders wasserintensiver Feldfrüchte in unserer Region kritisch hinterfragt werden. Und auch der Waldumbau hin zu mehr Mischwäldern statt Nadelwald-Monokulturen ist dringend notwendig.
Denn eine aktuelle Studie von Dörthe Tetzlaff zeigt für das Demnitzer Mühlenfließ, dass sich der Waldumbau lohnt: Der Ersatz von Nadelwäldern durch altersgemischte Mischwälder mit jüngeren Laubbäumen hat nach ihren Modellrechnungen und Feldversuchen das größte Potenzial, die Gesamtverdunstung zu verringern und die Grundwasserneubildung zu erhöhen. In Wäldern führte eine Erhöhung des Laubbaumanteils um 50 Prozent zu einer Erhöhung der Grundwasserneubildung im gesamten Einzugsgebiet um 11 Prozent. Die gemischte Waldbewirtschaftung verkürzte auch die Grundwasserneubildungsraten, was eine schnellere Erholung der Bodenfeuchte und der Grundwasserspeicher nach Trockenperioden begünstigt.
„Wir müssen aus den vergangenen Trockenjahren lernen, dringend umdenken und die vorhandenen klimaresilienten Anpassungsstrategien jetzt konkret umsetzen, denn nach der Dürre ist vor der Dürre“, betont Dörthe Tetzlaff. Ein langfristig geplantes, nachhaltiges Management unserer Landschaften und der darin eingebetteten Gewässer wird in Zeiten des globalen Wandels immer wichtiger.
Weitere Informationen und Kontakt
Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)