Wo steht Deutschland bei der Energiewende?

Holzhäuschen mit Solarpanel
Foto ALEX BIERWAGEN/UNSPLASH

„Ein neues Tempo“ wollte die Ampel-Regierung in die Energiewende bringen. Nun ist Halbzeit, und eine Studie zieht gemischte Erfolgsbilanz.

12.12.2023 · News · DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Mit ambitionierten energiepolitischen Zielen hat die Ampel-Regierung vor zwei Jahren ihre Arbeit aufgenommen. Zur Halbzeit der Legislaturperiode ist die Erfolgsbilanz gemischt – in einzelnen Bereichen sind gute Fortschritte erzielt worden, in anderen klaffen große Lücken zwischen Ist- und Sollzustand. Der Ampel-Monitor Energiewende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt auf, wo wir heute bei wichtigen Technologien für die Transformation zur Klimaneutralität stehen. Diese Kurzstudie bietet zunächst eine Übersicht verschiedener Indikatoren. Es folgt ein detaillierter Blick auf die Dynamik einzelner Entwicklungen: Während Deutschland etwa bei der Photovoltaik auf einem guten Weg ist, liegt der Ausbau der Windkraft an Land derzeit deutlich unter dem Zielpfad. Auch bei der Elektromobilität geht es zu langsam voran. Das Tempo der Energiewende muss deutlich gesteigert werden, um die deutschen Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten. Wenn die Regierung die Anstrengungen erhöht und konsequent handelt, können die gesetzten Ziele aber noch erreicht werden.

Der 8. Dezember 2021 markiert mit der Vereidigung von Olaf Scholz als Bundeskanzler den Start der Ampel-Regierung. Im Koalitionsvertrag versprach die Ampel „neues Tempo in die Energiewende“ zu bringen.info Insbesondere wollte sie „den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu einem zentralen Projekt ihrer Regierungsarbeit machen“, ihn „drastisch” beschleunigen sowie „alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg“ räumen.

Kurz nach dem Beginn der Legislaturperiode führte Russlands Angriff auf die Ukraine zu einer Erdgas- und Energiepreiskrise, so dass die Bundesregierung kurzfristig anderen Maßnahmen Priorität in der Energiepolitik einräumte. Im Jahr 2022 stand im Zentrum, die Versorgung insbesondere mit Erdgasinfo zu sichern und die Verbraucher*innen bei den Ausgaben für Strom und Gas zu entlasten.

Im Folgenden wird zur Halbzeit der Legislatur der Fortschritt der Energiewende beleuchtet. Nach einem Überblick über die Ziele und den aktuellen Stand für eine Auswahl relevanter Technologien wird die Dynamik bei der Photovoltaik, der Windkraft an Land und der Elektromobilität detaillierter dargestellt. Weitergehende und laufend aktualisierte Informationen finden sich im Ampel-Monitor Energiewende sowie dem zugrunde liegenden Open Energy Tracker.

Es gibt in allen Bereichen noch viel zu tun

Für die Energiewende hat sich die Bundesregierung eine Vielzahl quantitativer Ziele gegeben. Im Fokus stehen insbesondere die erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen. Hinzu kommen teils qualitative Ziele für Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise. Diese Kurzstudie konzentriert sich auf eine Auswahl wichtiger Indikatoren aus den Bereichen erneuerbare Strom- und Wärmeerzeugung, Elektromobilität und grüner Wasserstoff. Verglichen werden die jeweiligen Ziele mit dem aktuellen Stand.

Um die für das Jahr 2030 gesetzten Ziele zu erreichen, ist bei allen Indikatoren noch ein erheblicher Fortschritt nötig. Auch für das Erreichen der Zwischenziele, die sich bis zum planmäßigen Ende der Legislaturperiode ableiten lassen, ist bei einigen Indikatoren noch viel zu tun. Besonders weit ist der Weg noch beim Aufbau von Elektrolysekapazitäten für die Herstellung grünen Wasserstoffs und bei der Elektromobilität. Dabei ist klar, dass zum Beginn der Legislaturperiode – nach Jahren relativer Stagnation – das Tempo der Energiewende nicht sofort beliebig erhöht werden konnte. Viele Projekte erfordern längere Planungs- und Umsetzungszeiten. Daher war bei den meisten Zielen von Anfang an auch ein gewisser zeitlicher Hochlauf des Ausbautempos eingeplant.

Bei der Photovoltaik (PV) sind derzeitinfo rund 80 Gigawatt (GW) an Leistung installiert, das sind 20 GW (oder 33 Prozent) mehr als zum Beginn der Koalition. Zum Ende der Legislaturperiode soll die Leistung rund 105 GW betragen und sich dann bis zum Jahr 2030 auf 215 GW noch einmal mehr als verdoppeln. Die Leistung aller Anlagen zur Nutzung der Windkraft an Land beträgt derzeit rund 61 GW, das sind lediglich fünf GW (oder neun Prozent) mehr als vor zwei Jahren. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll die Leistung auf knapp 76 GW wachsen. Bis 2030 ist geplant, die Leistung um noch einmal rund 50 Prozent auf 115 GW zu steigern. Relativ betrachtet liegt der derzeitige Ausbau der Windkraft an Land somit schon näher am für 2030 gesetzten Ziel als der Ausbau der Photovoltaik. Die Ausbauziele der Ampel für Photovoltaik und Windkraft an Land für 2030 lagen ursprünglich noch etwas niedriger. Im Kontext der Erdgas- und Energiepreiskrise des Jahres 2022 wurden die Ziele von 200 auf 215 GW (PV) beziehungsweise von 100 auf 115 GW (Windkraft) erhöht.

Bei der Windkraft auf See war der Ausbau bereits seit dem Jahr 2020 sehr schwach. Hier ist aufgrund spezieller Bedingungen (Flächenentwicklung, Netzanschlüsse, Offshore-Logistik) ein besonders langer Vorlauf für neue Windparks erforderlich. Zum Ampel-Start lag die installierte Leistung bei 7,8 GW, seitdem sind nur knapp 0,6 GW dazugekommen. Dieser Zubau wurde allerdings schon viele Jahre zuvor angestoßen. Ein deutlicher stärkerer Zubau ist ab 2029 geplant.info Um diesen zu erreichen, wurden im Jahr 2023 neue Kapazitäten von über acht GW versteigert – also ungefähr die gleiche Leistung, die derzeit insgesamt installiert ist. Dabei haben die zum Zug gekommenen Projekte nicht nur auf eine Förderung verzichtet, sondern sogar einen Zuschlag bezahlt, um die Projekte entwickeln zu dürfen.

Für Wärmepumpen hat die Regierung ein Ziel von sechs Millionen Geräten im Jahr 2030 formuliert. Derzeit sind rund 1,7 Millionen Wärmepumpen installiert, gegenüber knapp 1,2 Millionen zum Beginn der Regierungszeit. Während der Ausbau zuletzt deutlich angezogen hat, wurden jedoch in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 auch sehr viele neue Erdgasheizungen eingebaut – sogar mehr als neue Wärmepumpen. Dies dürfte auch eine Folge der konfliktreichen Debatte über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sein. Ursprünglich hatte sich die Regierung laut Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass ab Januar 2025 nur noch Heizungen neu eingebaut werden können, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Im Zuge der Energiepreiskrise sollte dieses Startdatum um ein Jahr nach vorne gezogen werden. Nach langen Diskussionen hat sich die Regierung im Gebäudeenergiegesetz darauf verständigt, dieses Datum weiter nach hinten zu verschieben, bis eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Damit ist, je nach Kommune, teils noch bis Juni 2028 die Installation reiner Gas- oder Ölheizungen zulässig.

Im Bereich der Mobilität hat sich die Ampel ein Flottenziel von 15 Millionen vollelektrischen Pkw im Jahr 2030 gesetzt. Derzeit sind gut 1,3 Millionen rein elektrische Pkw in Deutschland zugelassen, was rund doppelt so viele sind wie zum Beginn der Ampel-Koalition (knapp 0,6 Millionen). Unter der Annahme eines realistischen (logistischen) Flottenwachstums müsste zum planmäßigen Ende der Legislaturperiode ein Bestand rund vier Millionen Elektroautos erreicht sein. Außerdem möchte die Ampel-Koalition eine Million öffentliche Ladepunkte bis 2030 errichten. Derzeit gibt es gut 100 000 gegenüber knapp 60 000 vor zwei Jahren. Die öffentliche Ladeinfrastruktur wächst derzeit ungefähr genauso schnell wie die Flotte elektrischer Pkw. Im Koalitionsvertrag war allerdings vorgesehen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur dem Bedarf „vorausgehen“ solle.

Für die Herstellung von grünem Wasserstoff hat sich die Ampel-Koalition das Ziel gesetzt, im Jahr 2030 eine Elektrolyseleistung von zehn GW zu erreichen. Derzeit liegt sie noch unter 0,1 GW, also bei circa einem Prozent dieses Ziels. Außerdem ist die Leistung während der vergangenen zwei Jahre kaum gewachsen. Allerdings wurde mit der Nationalen Wasserstoffstrategie Mitte 2023 ein neuer Rahmen für den gleichzeitigen Hochlauf von Wasserstoffangebot, -nachfrage und -infrastruktur geschaffen, in dem unter anderem auch Ausschreibungen für Elektrolyseure vorgesehen sind. Zudem wurden diverse neue Maßnahmen zum Beispiel zum Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes und zum Hochlauf von Wasserstoff-Importen auf den Weg gebracht.

Positive Entwicklung bei der Photovoltaik, schwache Dynamik bei der Windkraft an Land

Bei der Photovoltaik ist die Ausbaudynamik derzeit besonders hoch, sie liegt sogar deutlich über dem Plan. Das Ausbauziel für 2023 wurde bereits im August erreicht. Der Zubau ist zudem sehr viel höher als in den Vorjahren, und liegt auch im Vergleich aller bisheriger Jahre auf Rekordniveau. Jedoch ist es wichtig zu verstehen, dass dieses Tempo noch deutlich unter dem liegt, das im Durchschnitt bis 2030 gehalten werden muss, um das Ziel zu erreichen (gut 18 GW pro Jahr). Das liegt daran, dass die Ausbauziele der Bundesregierung von Jahr zu Jahr ansteigen. In Bezug auf die Flächennutzung strebt die Regierung an, dass der weitere PV-Zubau je rund zur Hälfte von größeren Freiflächenanlagen und kleineren Anlagen auf beziehungsweise an Gebäuden getragen werden soll. Derzeit wird der Ausbau jedoch überwiegend von relativ kleinen Aufdachanlagen getrieben, die durch Einspeisetarife und Eigenverbrauchsvorteile gefördert werden.

Bei der Windkraft an Land zeigt sich eine deutlich schwächere Dynamik. Hier liegt der Ausbau derzeit klar unter dem Zielpfad und ungefähr auf gleicher Höhe wie im Vorjahr. Zum Erreichen der Ziele ist eine deutliche Steigerung erforderlich – insbesondere vor dem Hintergrund eines planmäßig ansteigenden Zielpfads bis 2030, der im Mittel einen Nettozubau von rund sieben GW pro Jahr vorsieht. Angesichts langer Planungs- und Genehmigungsdauern für neue Windparks erscheint das Erreichen des 2030-Ziels somit unsicher. Dies wird auch davon abhängen, wie schnell die diversen Maßnahmen zur Ausweisung neuer Flächen und zur Beschleunigung der Genehmigungsprozesse greifen, die die Ampel-Koalition teils gemeinsam mit den Bundesländern angestoßen hat. Immerhin gibt es bei den neuen Genehmigungen derzeit einen positiven Trend.

Wachstum bei Elektroautos zieht etwas an, ist aber immer noch zu langsam

Der Anteil von batterieelektrischen Pkw an den Neuzulassungen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allerdings kam es auch zu starken monatlichen Fluktuationen, die mit Änderungen bei den Flottengrenzwerten oder den Fördermaßnahmen zu tun hatten.

Seit Beginn der Ampel-Koalition wurde im Durchschnitt ein Neuzulassungsanteil von gut 17 Prozent erreicht, was leicht unter einem realistischen Zielkorridor liegt. Dieser Anteil muss sich bis zum Ende der Legislaturperiode ungefähr verdreifachen, damit das Flottenziel von 15 Millionen E-Autos erreicht werden kann. Dabei sind Abgänge von Elektro-Pkw bereits berücksichtigt. Zuletzt wurde eine nennenswerte Anzahlinfo von relativ neuen E-Autos in andere Länder exportiert, vermutlich teils als Mitnahmeeffekt der in Deutschland relativ hohen Kaufprämien. Zu den weiteren Gründen für das langsame Wachstum der E-Pkw-Flotte gehören das nach wie vor begrenzte Modellangebot und teils wenig attraktive Neuwagenpreise in einigen Segmenten, sowie diverse Anreize für den Kauf von Pkw mit Verbrennungsmotoren beziehungsweise Hybriden im wichtigen gewerblichen Neuwagensegment. Hinzu kommt teils auch eine unklare Kommunikation mancher Politiker*innen, die in Teilen der Bevölkerung Erwartungen zur künftigen Nutzung von Wasserstoff oder E-Fuels im Pkw-Bereich weckt. Diese erscheinen allerdings sowohl aus Markt- als auch aus Energiesystemperspektive äußerst unplausibel.

Gemischtes Fazit: Vieles wurde angestoßen, konsequente Umsetzung entscheidend

Insgesamt lässt sich eine gemischte Bilanz zum Fortgang der Energiewende nach zwei Jahren Ampel-Koalition ziehen. Positiv hervorzuheben ist, dass viele Ziele der Ampel deutlich ambitionierter als die früherer Bundesregierungen sind, insbesondere die im Erneuerbare-Energien-Gesetz formulierten Ausbaupfade für Photovoltaik und Windkraft. Im Zuge der Erdgas- und Energiepreiskrise wurden einige Ziele nochmals angehoben, teils kam es aber auch zu einem anderen kurzfristigen Fokus der Energiepolitik.

Angesichts langer Planungs- und Umsetzungszeiten bei vielen Technologien können nach zwei Jahren noch nicht in allen Bereichen große Ausbauerfolge erwartet werden. Bei der Photovoltaik ist die aktuelle Entwicklung erfreulich dynamisch. Da der PV-Zubau derzeit vor allem von kleineren, eigenverbrauchsorientieren Dachanlagen getrieben wird, sollte deren effiziente Integration in das Stromsystem eine höhere Priorität in der künftigen Energiepolitik bekommen. Bei der Windkraft an Land und auf See geht es darum, die diversen angestoßenen Maßnahmen zur Erhöhung der Flächenausweisung sowie zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren konsequent umzusetzen und verbleibende Hürden abzubauen. Im Bereich der Raumwärme muss es darum gehen, durch eine faktenorientierte und klare Kommunikation weitere Verzögerungen bei der Transformation zu vermeiden, so dass der Einbau von weiteren Wärmepumpen verstetigt und der weitere Verkauf fossiler Heizgeräte so schnell wie möglich beendet wird. Ähnliches gilt für den Bereich der Elektromobilität, wo die Neuzulassungsanteile von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren schneller sinken sollten. Beim grünen Wasserstoff gibt es derzeit zwar noch kaum konkrete Anlagen, aber das Tempo im Bereich der Infrastrukturplanung und -entwicklung ist vergleichsweise hoch. Auch hier geht es nun um eine konsequente Umsetzung, fokussiert auf den Einsatz von Wasserstoff in anderweitig kaum elektrifizierbaren Bereichen.

Insgesamt heißt es also „dranbleiben“. Wenn alles, was in der ersten Hälfte der Legislaturperiode angestoßen wurde, in der zweiten Hälfte konsequent weiterverfolgt wird, sollten die gesetzten Ziele erreicht werden können. Die aktuell aufgetretenen Finanzierungsschwierigkeiten des Klima- und Transformationsfonds erschweren leider diese Bemühungen. Ein möglichst effizienter und bedarfsgerechter Einsatz von Fördermitteln ist somit wichtiger denn je. Nur mit konsequentem Regierungshandeln und überzeugender, sachlicher Kommunikation kann die Energiewende auf einen Pfad kommen, mit dem das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 zu schaffen ist.

Weitere Informationen und Kontakt

Studie in DIW Aktuell

Ampel-Monitor Energiewende

Pressemitteilung des DIW Berlin - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung