Wie gelingt Citizen Science?

Smartphone mit geöffneter Datenerhebungsapp in den Händen einer Frau.
Foto MFN

Mit ihren Datenerhebungen leisten Ehrenamtliche einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Biodiversität. Wie das Zusammenspiel mit der akademischen Forschung gut gelingt, vermittelt eine neue Studie.

09.08.2021 · Lebenswissenschaften · Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung · News · Forschungsergebnis

Einander besser zuhören und mehr wertschätzen, um gemeinsam stark zu sein – so kann die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung im Rahmen des nationalen Biodiversitätsmonitorings optimiert werden. Eine diese Woche in Natur und Landschaftsplanung open access veröffentlichte Studie unter Federführung des Museums für Naturkunde Berlin stellt zentrale Handlungsfelder, konkrete, praxisrelevante Maßnahmen und zu schaffende politische Rahmenbedingungen vor, wie beispielsweise die Langfristigkeit der gemeinsamen Forschung und die Einrichtung einer übergeordneten Koordination mit klaren Strukturen der Zusammenarbeit.

Um zu verstehen, welche Ursachen, Einflussfaktoren und Mechanismen zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen, sind einerseits die Erfassung der Biodiversität, wie auch die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt zentral. Die so gewonnenen Informationen und Erkenntnisse sind auch elementar für die Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle von Naturschutz- und Kommunikationsstrategien, wie auch für Forschungsprogramme, die dem Schutz von Biodiversität dienen.

Ehrenamtliches Engagement, in diesem Zusammenhang auch „Bürgerforschung“ oder „Citizen Science“ genannt wird, leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. „Und das äußerst erfolgreich: bereits seit Jahrzehnten werden ehrenamtliche Datenerhebungen sowie deren Auswertung und Analysen für die behördliche Berichterstattung und die allgemeine Biodiversitäts- und Naturschutzforschung genutzt“, hebt die Studienleiterin Nike Sommerwerk vom Museum für Naturkunde Berlin hervor.

Doch es existieren Problemfelder, wenn ehrenamtliche und akademische Forschende zusammenarbeiten. Nicht immer gelingt es beispielsweise, auf Augenhöhe und wertschätzend zu kommunizieren. Auch der Begriff „nationales Biodiversitätsmonitoring“ wird unterschiedlich verstanden und ausgelegt. Das Ehrenamt unterliegt einem Strukturwandel: Ehrenamtlicher Nachwuchs geht in vielen Bereichen zurück und ist größeren Fluktuationen ausgesetzt. „Es zeigt sich ein Trend, dass wir europaweit weniger Nachwuchs im Bereich der Artenkenner:innen haben“, berichtet Jonas Geschke, einer der Mitautoren der Studie vom Institut für Planzenwissenschaften der Universität Bern. „Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass solide Artenkenntnisse ein Mehrwert für den Arbeitsmarkt sind und Studienabgänger:innen mit solchen Kenntnissen gute Chancen haben.“

Die Studie stellt eine Reihe von Bürgerforschungsprojekten aus dem Bereich des nationalen Biodiversitätsmonitorings vor und zeigt deren Erfolgsfaktoren, wie beispielsweise das Erleichtern von Einstiegsmöglichkeiten von Engagierten in Projekte, die kontinuierliche Begleitung und Koordination der Teilnehmenden, und eine transparente Datenverarbeitung. „Wir benennen auch ganz konkrete Angebote aus der akademischen Forschung. Hier sind etwa der erleichterte Zugang zu Ressourcen, zu Fortbildungen und zu Dateninfrastrukturen, oder auch notwendige Neuerungen beim gemeinsamen Forschungsdatenmanagement zu nennen. All dies sind Schlüsselfaktoren für eine effizientere Kooperation zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung“, berichtet Frau Sommerwerk. Mitautor Rainer Schliep von der der VDI/VDE-Innovation + Technik GmbH weist zusätzlich auf den Aspekt erforderlicher politischer Rahmensetzungen hin, wie beispielsweise die Notwendigkeit, „Arten- und Biotopkenntnisse viel stärker als Bildungsthema an Schulen und in Vereinen und Bildungsstätten zu verankern. Denn diese Kenntnisse dienen als Grundlage und elementare Voraussetzung für verantwortungsbewusstes Handeln und Interesse am Biodiversitätsschutz.“

Diesen oben genannten Anliegen ist das Museum für Naturkunde Berlin insbesondere über seine Citizen-Science Aktivitäten, größer gefasst aber auch über seine Aktivitäten rund um Themen wie die Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabe an der Wissenschaft, stark verpflichtet.

Abgerundet wird die Studie durch Textboxen, Bildmaterial, einem umfassenden Anhang, kompakten Schlussfolgerungen und einem Fazit für die Praxis: Hier werden kurz und knapp spezifische Maßnahmen und Handlungsoptionen gelistet, die helfen, die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlicher und akademischer Forschung zu verbessern und das nationale Biodiversitätsmonitoring zum Erfolg zu bringen.

Publikation

Nike Sommerwerk, Jonas Geschke, Rainer Schliep, Jens Esser, Falko Glöckler, Hans-Peter Grossart, Ralf Hand, Sarah Kiefer, Sophia Kimmig, André Koch, Elisabeth Kühn, Neele Larondelle, Gerlind Lehmann, Stefan Munzinger, Thomas Rödl, Doreen Werner, Magnus Wessel, Katrin Vohland (2021): Herausforderungen und Lösungsstrategien, Vernetzung und Kooperation ehrenamtlicher und akademischer Forschung im Rahmen des nationalen Biodiversitätsmonitorings, Zeitschrift für angewandte Ökologie.

Weitere Informationen und Kontakt

www.museumfuernaturkunde.de