Das Sozialverhalten von Weizen

Weizenfeld
Foto WOLFGANG HASSELMANN/UNSPLASH

Verhaltensweisen, die die Fitness einer einzelnen Weizenpflanze fördern, schaden ihrer Gemeinschaft eher – das zeigen Simulationsexperimente mit Schatten.

14.09.2023 · News · Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung · Lebenswissenschaften · Forschungsergebnis

Forscher des IPK Leibniz-Instituts haben untersucht, wie das Verhalten einer einzelnen Weizenpflanze unter einschränkenden Lichtbedingungen die Leistung der gesamten Gemeinschaft beeinflusst. Sie bewerteten morphologische und biomassebezogene Phänotypen von Einzelpflanzen, die in Mischungen unter Sonnenlicht und simuliertem Schatten angebaut wurden, sowie die Relevanz dieser Phänotypen für die Monokulturgemeinschaft im Feld.

Eine der wichtigsten Triebkräfte für die Evolution der Kulturpflanzen ist die veränderte Auslese, die mit dem Übergang der Pflanzen aus einer sehr heterogenen und artenreichen natürlichen Umgebung in eine homogene Monokulturumgebung einhergeht. Der Wettbewerb um Ressourcen gilt als eine vorherrschende Kraft bei der Strukturierung von Pflanzenpopulationen im Rahmen der natürlichen Selektion, die häufig die wettbewerbsfähigsten Einzelpflanzen in einer bestimmten Umgebung begünstigt. Die Plflanzenarchitektur und das Verhalten erfolgreicher Genotypen als Einzelpflanzen
unterscheiden sich von denen der Genotypen, die in einer Gemeinschaft gedeihen. Die individuelle Pflanzenfitness wird durch „egoistische“ Merkmale erhöht, die sich, wie beim Menschen, negativ auf die Leistung der Gemeinschaft auswirken können.

„Landwirtschaft ist auf Gemeinschaftsleistung angewiesen“, betont Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der Forschungsgruppe „Pflanzliche Baupläne“ am IPK Leibniz-Institut. „Aber die Umwelt, in der Pflanzen angebaut werden, also ihre Ökologie im landwirtschaftlichen Kontext, ihre Agrarökologie, ist kaum erforscht und noch wenig verstanden. Es ist erstaunlich, wie wenig wir über die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen wissen, die in einer dichten Gemeinschaft unter praxisnahen Anbaubedingungen
wachsen.“

Heute werden Nutzpflanzen in dichten Beständen angebaut, in denen sie aufgrund der gegenseitigen Beschattung nur begrenztes Licht erhalten. „Durch die Simulation der Beschattung können wir uns den Bedingungen annähern, die Pflanzen in dichten Beständen auf dem Feld vorfinden, was für die Untersuchung und Auswahl von Pflanzen für höhere Getreideerträge hilfreich sein kann“, sagt Dr. Guy Golan, Erstautor der aktuellen Studie. „Kooperative Verhaltensweisen und sehr fruchtbare Blütenstände in einer lichtbegrenzten/schattigen Umgebung sind für eine ertragreiche Getreidepflanzengemeinschaft am wichtigsten.“

Die Forscher stellten fest, dass Verhaltensweisen, die die Fitness der einzelnen Pflanze fördern, nicht vorteilhaft und in einigen Fällen sogar schädlich für die Leistung der gesamten Gemeinschaft sind. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift „Plant, Cell&Environment“ als Teil der Sonderausgabe „Tradeoffs in Plant Responses to the Environment“ veröffentlicht. Darüber hinaus sagen die Forscher, dass mehrere Phänotypen, die unter simuliertem Schatten erreicht werden, die Gemeinschaftsleistung der Weizenpflanze besser erklären könnten, und plädieren für die Verwendung von simuliertem Schatten bei der Züchtung von Hochertragssorten.

„Tiefere Einblicke in diese Wechselwirkungen und insbesondere das Verständnis ihrer molekularen und genetischen Komponenten sind sehr wichtig, um widerstandsfähigere und ressourceneffizientere Nutzpflanzen für die Zukunft zu entwickeln“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch. „Die Anwendung eines agrarökologischen Genetikansatzes kann den gemeinschaftlichen Ertrag optimieren, indem die Pflanzen besser an ihre Umwelt angepasst werden, entweder als Monokultur oder als Mischung.“

Studie

Golan et al.: (2022) Exploring the trade‐off between individual fitness and community performance of wheat crops using simulated canopy shade. Plant, Cell & Environment, DOI: 10.1111/pce.14499

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)