Willkommensklassen: Differenzierte Bilanz

In den Berliner Willkommensklassen werden zugewanderte Kinder und Jugendliche auf den regulären Schulbesuch vorbereitet. Eine Evaluationsstudie untersucht, wie gut dies gelingt.

26.05.2021 · Geisteswissenschaften und Bildungsforschung · DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation · News · Forschungsergebnis

Bei den Berliner Lehrkräften und Schulleitungen stoßen die Willkommensklassen, in denen neu zugewanderte Kinder und Jugendliche auf den regulären Schulbesuch vorbereitet werden, weitgehend auf Akzeptanz. Die bisherige Bilanz dieser Klassen fällt jedoch differenziert aus. Das ergab eine Evaluationsstudie des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Demnach kann zwar das primäre Ziel – die Sprachförderung – nach Einschätzung der Schulleitungen und Lehrkräfte überwiegend erfolgreich umgesetzt werden. Weniger gut gelingen hingegen oftmals die Integration der Neuankömmlinge in den regulären Schulbetrieb und der Austausch mit den Schüler*innen der Regelklassen.

Für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ohne hinreichende Deutschkenntnisse sieht das Land Berlin seit 2015 vor, dass sie sich überwiegend in den so genannten „Willkommensklassen“ auf den Unterricht im regulären Schulbetrieb vorbereiten. Die jetzt vorliegende WiKo-Studie wurde von der Berliner Senatsverwaltung in Auftrag gegeben, um die Willkommensklassen wissenschaftlich zu evaluieren. Im November 2018, dem Ausgangszeitpunkt der Studie, wurden in Berlin 6.276 Schüler*innen in insgesamt 573 Willkommensklassen an 327 Schulen unterrichtet. Die Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung der schulischen Arbeit in den Willkommensklassen unterscheiden sich zwischen den Schulen zum Teil erheblich, wie die Studie zeigt. Das betrifft nicht nur die Ausstattung mit Personal und mit Sachmitteln, sondern auch die Inhalte des Unterrichts, die Überprüfung von Lernerfolgen und den Übergang in die Regelklassen. In vielen Bereichen wird seitens der Lehrkräfte weiterer Fortbildungsbedarf gesehen, etwa für den Umgang mit der sehr hohen Heterogenität der Schüler*innen in den Willkommensklassen und mit traumatisierenden Fluchterfahrungen.

Die große Heterogenität erweist sich insgesamt als eine der größten Herausforderungen für den Unterricht in den Willkommensklassen. „Wir stellen fest, dass die meisten Lehrkräfte und Schulleitungen die Willkommensklassen zwar als eine grundlegend geeignete Beschulungsform für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ansehen“, sagt der Geschäftsführende Direktor des DIPF, Prof. Dr. Kai Maaz, der die Evaluationsstudie geleitet hat. „Viele von ihnen wünschen sich jedoch mehr Unterstützung und klarere Vorgaben, gerade mit Blick auf das Curriculum, die Sprachstandserfassungen, für die Lernstandsdokumentation und den Übergang in die Regelklassen. Die Bildungsverwaltung könnte hier mehr Empfehlungen und orientierende Vorgaben zu den Zielen und Abläufen geben, um so die Lern- und Entwicklungsbedingungen an den Schulen weiter anzugleichen. Gleiches gilt für den gegenseitigen Austausch der Schulen, um voneinander zu lernen.“

Auch die Erfolge der Willkommensklassen werden von den Schulleitungen und Lehrkräften differenziert eingeschätzt. Überwiegend positiv bewerteten sie den Erfolg für den Spracherwerb sowie für die Vermittlung von kulturellen Werten, Normen und Verhaltensweisen sowie von Wissen für den Alltag in Deutschland. Deutlich zurückhaltender beurteilten sie dagegen, wie erfolgreich die Schüler*innen in den Willkommensklassen hinreichende Fachkenntnisse erlangen, damit sie nach dem Übertritt in die Regelklassen dem jeweiligen Unterricht inhaltlich folgen können. Auch die Integration der Schüler*innen aus den Willkommensklassen in das Schulleben und in die Gesellschaft sowie den Austausch mit den Schüler*innen der Regelklassen bewerteten die befragten Lehrkräfte und Schulleitungen eher zurückhaltend.

„Den Austausch zwischen Willkommensklassen- und Regelklassen weiter zu stärken, ist eine zentrale Stellschraube für die weitere Entwicklungsarbeit in den Berliner Willkommensklassen“, erläutert Maaz. „Arbeitsgemeinschaften und andere Nachmittagsangebote könnten beispielsweise Ansatzpunkte sein, um die Schüler*innen aus den Willkommensklassen besser in das reguläre Schulleben zu integrieren. Diese werden von Schüler*innen aus den Regelklassen viel häufiger genutzt als von denen aus den Willkommensklassen. Solche Angebote bieten mehr Gelegenheit, sich ungezwungen sozial auszutauschen. Das kann den neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen später den Übertritt in den regulären Unterricht vereinfachen.“

Für die Studie wurden zunächst Schulleitungen aller öffentlichen Berliner Schulen mit Willkommensklassen zu den Rahmenbedingungen und wichtigen Eckpunkten der schulischen Arbeit befragt. In einem zweiten Schritt gaben Lehrkräfte und Schulleitungen aus einer Teilgruppe der Schulen vertiefend zur schulischen und unterrichtlichen Arbeit in den Willkommensklassen Auskunft. Ergänzend wurden in der Untersuchung auch Schulleitungen aus Schulen ohne Willkommensklassen befragt, die stärker direktintegrative Ansätze praktizieren. Die Datenerhebungen fanden in den Jahren 2018 und 2019 und damit noch vor der Corona-Pandemie statt. Nicht realisieren ließen sich im Rahmen der vorliegenden Studie Befragungen der Schüler*innen in den Willkommensklassen selbst sowie von anderen Akteur*innen wie dem weiteren pädagogischen Personal oder den Eltern und Sorgeberechtigten.

Weitere Informationen und Kontakt

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