Leibniz-Senat verabschiedet Förderempfehlungen zu sechs Leibniz-Instituten in Dresden, Erkner, Berlin, Frankfurt, Hannover und Hamburg

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat auf seiner Sitzung am 25. November 2004 in Berlin die weitere Förderung von sechs Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft empfohlen. Fünf der sechs Einrichtungen - dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden, dem Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sowie dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und der Technischen Informationsbibliothek (TIB) in Hannover - bescheinigt er hohe überregio­nale Bedeutung und empfiehlt Bund und Ländern, die Einrichtun­gen ohne Einschränkung weiter zu fördern.

29.11.2004 · Pressemeldung · Leibniz-Gemeinschaft - Evaluierung

Das Deutsche Übersee-Institut (DÜI), Hamburg, wird mit dem Vor­behalt erneuter Evaluierung nach drei Jahren ebenfalls zur Weiter­förderung empfohlen. Hier regt der Senat weitreichende Änderun­gen an, damit das Potenzial des DÜI in der gegenwartsbezogenen Regionalforschung in Afrika, Asien, Iberoamerika sowie im Orient national und international wieder voll zur Geltung kommen kann.

Für das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden und das Institut für Regionalentwicklung und Strukturpla­nung (IRS), in Erkner (Brandenburg) hatte der Wissenschaftsrat 1999

Änderungen im Forschungsprofil und in der Arbeitsweise beider Einrich­tungen und die erneute Evaluierung nach drei Jahren angeregt. Die jetzi­ge Bewertung kommt zu dem Ergebnis, dass beide Einrichtungen ein ei­genständiges Forschungsprofil mit Schwerpunkt in der sozialwissen­schaftlichen Raumforschung (IRS) und in der ökologischen Regional­forschung (IÖR) entwickelt haben.

Beide Einrichtungen arbeiten in einem nicht nur für die neuen Länder hochaktuellen Forschungsgebiet, das durch Themen wie z. B.  Stadt­entwicklung unter den Bedingungen von Bevölkerungsverlusten und ö­konomischer Stagnation, ressourceneffizientes Bauen und Wohnen gekennzeichnet werden kann. Beide Einrichtungen sind Motor der in­ternationalen, vor allem europäischen Ausrichtung der Regionalfor­schung in Deutschland. Verbesserungspotenziale sieht der Senat vor allem in der Weiterentwicklung des Forschungsprofils und der Integra­tion fortgeschrittener Methoden in die Forschung. Die Einrichtungen sind attraktive Partner für die kooperierenden Hochschulen und For­schungseinrichtungen. Ihre Expertise ist zunehmend von Politik und Planungspraxis (Kommunen, überregionale Planungsinstanzen, Sach­verständigenräte) gefragt.

Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) be­treibt problemorientierte sozialwissenschaftliche Forschung unter dem Leitthema „Entwicklungstendenzen, Anpassungsprobleme und Innovati­onschancen moderner Gesellschaften“. In den vergangenen Jahren stand es vor einem inhaltlichen und institutionellen Umbruch, der, so das Bewertungsergebnis, „hervorragend bewältigt wurde“. Das WZB hat sei­ne Stellung als leistungsfähige Forschungseinrichtung bestätigt und or­ganisatorische Flexibilität bewiesen. Es ist in der Lage, die kontinuierliche Arbeit an umfangreichen Forschungsvorhaben mit dem schnellen Auf­greifen unerwarteter Entwicklungen in Wissenschaft und Gesellschaft zu verbinden. Das WZB hat sich frühzeitig Themen wie den gesellschaftli­chen und ökonomischen Folgen der Globalisierung, transnationalen Ent­wicklungen in Ost-, West und Südeuropa, Zivilgesellschaft gestellt und diese empirisch-vergleichend sowie interdisziplinär bearbeitet. Die Ar­beitsergebnisse, so das Urteil der nationalen und internationalen Exper­ten, „können als gut bis sehr gut eingestuft werden.“ „In einzelnen For­schungsfeldern werden international herausragende Leistungen er­bracht.“ Dieses einzigartige Potential muss das WZB noch gezielter aus­bauen und nutzen. Diese Schlussfolgerung zieht der Senat der Leibniz-Gemeinschaft in seiner Begründung zur Weiterförderung des WZB in den kommenden Jahren. Dazu gibt er Anregungen, u. a. zur Strukturierung der Nachwuchsförderung, zur Drittmittelakquisition und zur Internationali­sierung der Veröffentlichungen.

Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt und Berlin hat sich aufgrund der letzten Evaluierung durch den Wissenschaftsrat ebenfalls stark gewandelt. Es ist heute eine forschungsbasierte Serviceeinrichtung, die wichtige Beiträge zu den Themen Bildungsinformation sowie Qualität im Bildungswesen leistet und dabei Bildungspraxis, Bildungspolitik, Bildungsverwaltung sowie Bil­dungsforschung unterstützt. Die Qualität seiner Forschungsleistungen wird, so das übereinstimmende Expertenurteil, „als gut, die der Service­leistungen als sehr gut beurteilt. Informationen werden nutzerorientiert aufbereitet und technisch einfach zugänglich zur Verfügung gestellt“. Das Angebot wird von unterschiedlichen Nutzergruppen aus Wissenschaft und Schule (u. a. Lehrer, Schüler, Eltern) intensiv nachgefragt wird. Hin­sichtlich der Einwerbung von Drittmitteln ist das DIPF gut bis sehr gut ausgewiesen.

Grundlage der Senatsempfehlung an Bund und Länder, das DIPF in den kommenden sieben Jahren weiter zu fördern, ist die sehr positive Ge­samtentwicklung des DIPF als Folge der vom Wissenschaftsrat angereg­ten und vom Institut umgesetzten Umstrukturierung in eine Serviceein­richtung mit Forschungsbasierung. Hervorzuheben ist neben dem Enga­gement der Leitung und der hohen Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Institut die Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats, der intensiv und mit Erfolg die Umstrukturierung vorangebracht hat. Als ver­besserungswürdig stuft der Senat die Nachwuchsförderung, die Kooperation mit den Universitäten, vor allem in Frankfurt, sowie die Veröffentlichungsstrategie an. „Mit seinem Arbeitsauftrag und seinen Arbeitsschwerpunkten hat das DIPF überregionale Bedeutung und ist von gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischen Interesse“, so das Gesamturteil des Senats.

Die Technische Informationsbibliothek (TIB), Hannover zählt zu den größten technisch-naturwissenschaftlichen Bibliotheken der Welt. Ihre Aufgabe in der überregionalen Literaturversorgung ist in Deutschland singulär. Ihre Leistungen werden von Wissenschaft und Wirtschaft glei­chermaßen benötigt und geschätzt. Die Dienste der TIB werden zuneh­mend auf europäischer und darüber hinaus auf internationaler Ebene nachgefragt. Die Entwicklung von einer traditionellen Bibliothek zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen hat die TIB erfolgreich vollzogen.

Wie sich der Fachinformationssektor weiter entwickelt, ist derzeit nicht vorhersehbar und hängt von den technischen Entwicklungen (digitale Bi­bliothek) ebenso ab wie von der Gestaltung u. a. des Urheberrechts. Damit die TIB ihre Position in dem durch rasche Umbrüche gekenn­zeichneten Fachinformationsmarkt behalten und ausbauen kann, koope­riert sie mit den technisch-naturwissenschaftlichen Fachinformationszent­ren im Rahmen verschiedener Projekte. Das strategische und operative Handeln der öffentlich geförderten technisch-naturwissenschaftlichen Bibliotheken und Fachinformationszentren ist bisher allerdings kaum auf­einander abgestimmt. Wie bereits in den Senatsstellungnahmen zu den Fachinformationszentren Chemie und Karlsruhe dargelegt, sieht es der Senat der Leibniz-Gemeinschaft als notwendig an, dass die TIB, die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin sowie die technisch-naturwissen­schaftlichen Fachinformationszentren ihre Ressourcen bündeln und ihre Leistungen aufeinander abstimmen. Nur so werden sie weiterhin erst­klassige Serviceleistungen erbringen und sich langfristig auf dem interna­tionalen Fachinformationsmarkt behaupten können. Ein dezentraler eu­ropäischer Kompetenzverbund für naturwissenschaftlich-technische Fachinformation und Dokumentlieferung sollte dabei das Ziel sein.

Das Deutsche Übersee-Institut (DÜI), Hamburg verfügt als außeruni­versitäres Forschungsinstitut in Deutschland über eine singuläre Stellung in der gegenwartsbezogenen sozial- und kulturwissenschaftlichen Regio­nalforschung. Es verfolgt systematisch gesellschaftliche Entwicklungen in allen Weltregionen - Afrika, Asien, Iberoamerika, Orient - auf der Grund­lage empirischer, zum Teil interregional vergleichender Studien. Mit sei­nen interdisziplinär angelegten Regionalstudien und Dokumentationen liefert es wichtige Beiträge zur Beratung von Politik und Wirtschaft.

Gleichwohl leistet das DÜI nach Einschätzung des Senats gegenwärtig einen insgesamt nur begrenzten Beitrag zur Regionalforschung. Die Be­gutachtung hat zwei gravierende Probleme offenbart: Zum einen zeigte sich eine unverhältnismäßig weitgehende Orientierung an der Erbringung von Serviceleistungen. Diese Anwendungsorientierung hat beim DÜI zu einer Schwächung der Qualität der Forschung und zu einer geringen in­ternationalen Sichtbarkeit geführt. Zum anderen erwies sich die gewach­sene Organisationsstruktur in Form von fünf rechtlich eigenständigen Stif­tungen mit entsprechenden Gremien sowie eigenen Budget- und Perso­nalverantwortlichkeiten als hinderlich für eine fachlich integrierte pro­grammatische, leistungsorientierte Institutsentwicklung. 

Die Begutachtung zeigte ebenfalls, dass sich das DÜI gegenwärtig in ei­nem Umbruch befindet. Der anstehende Generationswechsel in den Lei­tungsfunktionen lässt mit Blick auf eine engagierte und kompetente Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern die berechtigte Erwartung zu, dass sowohl ein inhaltlicher als auch ein institutioneller Neuaufbau mittel­fristig gelingen kann. Ansätze zu einer positiven Institutsentwicklung lie­gen darüber hinaus in einer Reihe von Projekten, die interessante und innovative Forschungsideen bearbeiten, so etwa in den Forschungsvor­haben zu Globalisierung und Global Governance im Gesundheitssektor. Ebenso gelten einige vom DÜI herausgegebene und mit Gutachtersys­temen versehene Publikationsreihen als vielversprechend. Ein weiterer Ansatz zur Stärkung des Forschungsprofils des DÜI wird in einer intensi­ven Kooperation mit der Universität Hamburg gesehen, die allerdings noch ausbaufähig erscheint.

Insgesamt ist festzuhalten, dass keine andere Einrichtung in Deutschland den Arbeitsauftrag des DÜI wahrnehmen kann, dessen Besonderheit in der Kombination von wissenschaftlicher Forschung, Wissenstransfer in die Praxis sowie Serviceleistungen liegt. Diesen Anforderungen wird das DÜI derzeit nur begrenzt gerecht. Deshalb empfiehlt der Senat der Leib­niz-Gemeinschaft eine umfassende fachliche und strukturelle Neuaus­richtung. Dessen Ergebnisse sollten, so die Empfehlung des Senats an Bund und Länder, nach drei Jahren erneut begutachtet werden.

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft evaluiert in einem Zeitraum von maximal sieben Jahren die Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft. Der Senat ist extern besetzt, das Evaluierungsverfahren strikt unabhängig. Auf der Grundlage der Senatsstellungnahmen stellen Bund und Länder in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungs­förderung (BLK) fest, ob die Voraussetzungen für die weitere Förderung der Leibniz-Einrichtungen gegeben sind.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 80 außeruniversitäre Forschungsin­stitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung. Leibniz-Institute ar­beiten nachfrageorientiert, interdisziplinär und im gesamtstaatlichen Inte­resse. Die Institute beschäftigen rund 12.400 Mitarbeiter, ihr Gesamtetat beträgt 950 Millionen Euro. Sie werden gemeinsam von Bund und Län­dern finanziert.

Die Stellungnahmen des Senats finden Sie im Wortlaut hier.